14.

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Rain

Er war neugierig. Er war wirklich neugierig.In dieser Hinsicht war er wie alle andere Männer in seinem Alter: Neugierig.Ich muss ja zugeben: Meine Strategie mit dem Ich-sage-jetzt-nichts würde mich ja auch ziemlich nervös machen.Aber sie funktionierte. Wenn ich das noch ein wenig weiter durchziehe, dann würde ich ihm noch ein wenig mehr Information entlocken.Ich schaute auf mein Essen und versuchte noch eine Gabel Kartoffelpüree runterzuwürgen. Ich hatte überhaupt keinen Hunger.Neben mir stopfte sich Liza fröhlich frittierte Hühnerschnitzel in sich hinein. Schon beim Gedanken an Fett, wurde mir extrem schlecht.Mein Magen war einfach nicht an solche Sachen gewöhnt. Wenn ich Glück hatte, aß ich pro Tag höchstens ein Müsli. Fleisch gab es nie, wendern kaufte ich ein wenig Gemüse oder holte ein paar dieser Konserven.Aber jetzt abends Fleisch oder Auflauf in mich hineinschaufeln? Das konnte ich nicht.Ich aß noch ein paar salzige Oliven und ein wenig Weißbrot. Dann legte ich mein Besteck weg.Die Tür ging auf und Prinz Jemirah trat ein.Alle standen hastig auf, Geschirr klapperte und leises Kichern war zu vernehmen.Prinz Jemirah lachte gut gelaunt und hob die Hand. „Mein Damen – bitte bleiben Sie sitzen, genießen Sie ihr Abendessen.“Er nahm selbst Platz und sagte leise etwas zum Butler.Der schaute in meine Richtung und nickte.Ich lehnte mich entspannt zurück und versuchte Lizas Geplapper über Vogelbabys zu folgen. Plötzlich berührte mich jemand sanft an der Schulter und ich fuhr zusammen. Mein Ellbogen rammte den Teller, der mit einem lauten Klappern zu Boden fiel und zerbrach.Ich fuhr herum und sah in die verdutzen Augen des Butlers.„Ist schon okay.“, murmelte ich verlegen, kniete mich hin und begann die Tellerscherben aufzusammeln. Dann nahm ich den Butler sein Tablett aus der Hand und kippte die Scherben darauf.Alle starrten mich an.„Ist schon okay. Ich wollte eh nichts mehr essen. Es war mein Fehler. Ich bin manchmal etwas schreckhaft.“ Was für eine Untertreibung. Ich lächelte schwach und setzte mich wieder hin. Dann sah ich wieder den Butler an. lächelte schwach und setzte mich wieder hin. Dann sah ich wieder den Butler an.Plötzlich waren alle sehr interessiert daran, die Gespräche fortzuführen.Ich sah den Butler weiter mit einer hochgezogener Augenbraue an.Er räusperte sich.„Seine Majestät möchte wissen, ob Ihnen das Essen schmeckt. Er meint, Sie seien die einzige Person, die nichts isst.“ Ich verdrehte die Augen.„Nein, es schmeckt vorzüglich. Ich bin nur ein wenig aufgeregt.“ Ich machte eine Pause.„Sagen Sie seiner Majestät, dass er sich darum keine Sorgen machen sollen. Ich bin noch ein wenig müde. Richten Sie ihm aus, dass ich auf meinem Zimmer bin.“ Ich täuschte ein Zittern in meiner Stimme vor.Der Butler holte tief Luft und sagte: „Natürlich, Miss Day.“„Könnten Sie mir eine Flasche Tafelwasser aufs Zimmer bringen?“Er nickte nur. Ich stand auf, knickste vor der Königsfamilie und machte mich auf dem Weg nach oben.

◇✵◇

Jem

Meine Mutter war seit dem ersten Mal seit zehn Jahren sprachlos. „Aufgeregt?“ , fragte sie ungläubig.Collins wand sich.„Ja, sie sagte sie sei ein wenig aufgeregt und hat mich gebeten eine Flasche Tafelwasser auf ihr Zimmer zu bringen, Eure Majestät“Tja und dann war sie gegangen.Ich sah meine Mutter an.„Aha.“, sagte sie. Die Sache war die: Sie hatte sich politisch korrekt verhalten. Es hätte gegen meine Höflichkeitsettikette verstoßen, wenn ich ihr den Zugang zu ihrem Zimmer verwehrt hätte. „Aufgeregt sah sie allerdings ein wenig aus.“, entschied meine Mutter.Die Absurdheit der ganzen Situation: Die anderen Erwählten hatten es noch nicht ein mal bemerkt. Lady Liza hatte sich einfach zu Lady Cherry gewandt und hatte weiter geplaudert.Nervös sah Lady Rain im Prinzip immer aus. (Außer dem Moment, wo sie mir gestern bedeutet hatte leise zu sein).Wenn sie wegen Aufregung nichts essen könnte, würde sie hier gänzlich verhungern.Eigentlich wollte ich sie schon beim Kennenlerngespräch um ein Treffen beten, hätte ich sie gefragt hätte sie wahrscheinlich die Schulter gezuckt oder mich panisch angeschaut. Beim Essen war es jetzt auch nicht die beste Möglichkeit gewesen. Ihr war der Teller runtergefallen. Dann war sie abgehauen. Ursprünglich war mein Plan gewesen, sie zu fragen ob ihr das Essen schmecke und nebensächlich um ein Date zu bitten. Krach! (Diesmal wortwörtlich) Mein Plan hatte sich in Luft aufgelöst.Mum schaute mich belustigt an. Ich hatte mit ihr gewettet, dass ich heute bei der kleinsten Erwählten ein Treffen bekommen würde. Schön nach der Größe nach wollte ich die Damen nach einem persönlichen Rendezvous fragen. Das klang zwar total lächerlich – aber wo sollte ich anfangen? Sollte ich die kleinste Erwählte heute nicht zu einem Treffen überredet haben, musste ich zwei Wochen bei der königlichen Teerunde - nur mit Damen, jeden Nachmittag zwei Stunden abhalten. - nur mit Damen, jeden Nachmittag zwei Stunden abhalten.Ja, meine Mutter hatte leider zu schlaue Ideen. Sie selbst mochte die Teerunden ebenfalls nicht. Wer war die perfekte Vertretung – der Sohn. Sprich: Der Prinz! Ich hatte sofort zugestimmt – welche Erwählte würde denn nicht sofort auf ein Treffen eingehen – bis ich heute realisiert hatte, dass es niemanden kleineren als Lady Rain gab. Wundervoll. Einfach wundervoll. Meine Chancen standen schlecht. Das hatte ich schon beim ersten Gespräch mit Lady Rain festgestellt. Und mir blieb wohl nichts anderes übrig, als ihr hinterherzulaufen.„Na komm mein Söhnchen – auf geht’s, werde der Ritter in der glänzenden Rüstung.“, stichelte meine Mutter leise.Nach außen hin war Rhea Jéla die perfekte Dame und Königin. Persönlich ein schlauer Fuchs.Ich schaute auf mein Abendessen, aber mir war klar, dass ich Lady Rain schlecht um ein Treffen im Schlafanzug bitten konnte. Sie hatte sich bei Collins abgemeldet, was bedeutete, dass sie sich wahrscheinlich auf ihr Zimmer zurückziehen würde.Mein Magen knurrte.Ich schaute meiner Mutter wütend in die Augen, während sie innerlich lachte.Würdevoll stand ich auf und sagte: „Meine Damen. Ich muss noch einige...geschäftliche Angelegenheiten...“ Meine Mutter versuchte vergeblich ein Lachen zu unterdrücken, während mir klar wurde, was ich eigentlich vorhatte und wie doppeldeutig meine Aussage war. Großer Gott! stand ich auf und sagte: „Meine Damen. Ich muss noch einige...geschäftliche Angelegenheiten...“  Zum Glück hatten die restlichen Mädchen, meine Gedanken nicht mitbekommen. Ich fuhr fort: „...regeln. Wir werden uns morgen sehen, Gute Nacht die Damen.“Ein paar Seufzer waren zu hören, dann ging ich heraus, um nach Lady Rain zu sehen, ohne den spöttischen Blick meiner Mutter zu beachten.Auf dem Weg zu den Zimmern, fragte ich mich, wie blöd ich sein konnte, so einer Wette zuzustimmen.

◇✵◇

Ich musste drei Mal nach dem Weg fragen. Einer der Wachen teilte mir mit, dass Rain schon fast auf ihrem Zimmer war. Als ich schließlich in den richtigen Gang einbog, war alles still.„Welches Zimmer...?, fragte ich den Wachen.„Das ganz Hinterste, Eure Majestät.“Ich nickte.Als ich vor ihrer Tür stand, holte ich tief Luft und klopfte.Leises Geplapper.„Oh mein Gott! Mehr Lippenstift! Mehr Lippenstift! Oh Gott, nein das steht dir nicht!“Ich runzelte die Stirn – häh? Ich sah auf das Schild und wurde blass. Verdammt! Das war das Zimmer von Lady Leony und Lady Aragetha. Unsere Blondinen.Die sich für das heutige Abendessen abgemeldet hatten.Mist! Ich hörte schon Schritte auf die Tür zugehen. Das letzte, was ich brauchen konnte, war Leonys Anmache.Ohne genauer nachzudenken, riss ich die Tür zum gegenüberliegenden Raum auf und schmiss sie in aller Eile wieder zu und - ...stolperte über jemanden, namens...?Erraten! Lady Rain. Sie stieß ein Keuchen aus, dann hörte ich nur ein Rumpeln als wir alle beide fielen.Toller Start, Jem.Danach kam mir der Gedanke, dass die Erwählte unter mir nicht gerade die perfekte Person zum Drauffallen war. Ihr Knie rammte sich in meinen Bauch.Mit einem Stöhnen richtete ich mich auf und sah in zwei aufgerissene Schokoladenaugen.Ich wurde rot und rollte mich von ihr runter.Sie setzte sich auf, gab ein Schnaufen von sich und schmiss sich die Pumps von den Füßen, einen von ihnen musste ich ausweichen, aber das schien sie noch nicht einmal zu bemerken.Ich stand auf, hob gerade zum Reden an, als die Tür erneut aufging.„Ihr Wasser Lady Rain.“Der Kopf eines Dieners erschien im Türrahmen, der vergeblich seinen belustigten Gesichtsausdruck verbergen wollte.Er verbeugte sich leicht „Eure Majestät.“Die Angesprochene nickte nur, murmelte etwas, was so ähnlich wie „Danke.“ hieß,rappelte sich auf und riss dem Diener praktisch die Flasche aus der Hand. Er sah sie verdutzt an. Eigentlich war es noch seine Aufgabe die Flasche zu öffnen, doch Lady Rain hatte keinen Flaschenöffner. Als sie ihn böse ansah, zog er sich verunsichert zurück. und riss dem Diener praktisch die Flasche aus der Hand. Er sah sie verdutzt an. Eigentlich war es noch seine Aufgabe die Flasche zu öffnen, doch Lady Rain hatte keinen Flaschenöffner. Als sie ihn böse ansah, zog er sich verunsichert zurück.Die Tür fiel ins Schloss.Ich räusperte mich erneut, als ich eine Stimme hörte.„Haben Sie gerade geklopft?“„Nein Miss Barker. Ich versichere Ihnen...“„Dann war es ein Hund, oder WIE DARF ICH DAS VERSTEHEN?“„Miss Barker...“„NEIN VIELEN DANK!DANN HABE ICH MIR DAS EINGEBILDET?“„Gewiss nicht...“„NATÜRLICH NICHT! SAGEN SIE DEN VERFICKTEN HUND BESCHEID; DASS ICH KEIN INTERESSE HABE MICH MIT IHM IM MORGENMANTEL KONVERSATION ZU FÜHREN!“Dann knallte die Tür zu und der arme Diener murmelte etwas von „Weiber“Ich schaute mich nach Lady Rain um.Sie grinste. Sie grinste! „Der Hund klopft nicht nur, er springt auch Leute an.“, sagte sie leise.Ich wurde rot. Ich glaube nicht, dass Lady Leony wusste, wen sie verfickten Hund genannt hatte.„Ähh...“, fing ich an.Großartig Jem, einfach großartig.“Ich fing noch einmal an.„Entschuldigen Sie, ich habe aus Versehen...“„Falsche Tür?“, hauchte sie.Ich nickte.Ich holte noch einmal tief Luft, doch sie hob wieder den Finger an die Lippen. Ich sah sie verwirrt an.„Die Wände hören zu.“, wisperte sie. Ja, das taten sie allerdings.Ich nickte. „Ich wollte Sie fragen, ob wir uns ein wenig unterhalten wollen. Nicht hier... Im Garten?“, fragte ich sie vorsichtig.Sie nickte. „Nicht hier.“, sagte sie. Sie hatte eine sehr sanfte Stimme.Dann drehte sie sich plötzlich um, kramte im Kleiderschrank und holte sich ein paar Ballerinas heraus und noch eine Jacke. Dann schnappte sie sich die Flasche Wasser. Als sie sah, dass der Deckel verschlossen war, sah sie zu mir und sagte: „Moment.“Dann ging sie zum Türrahmen und legte den Kronkorken an das Teil, wo die Tür einschnappt.Ich zuckte zusammen, als sie mit einem lauten Knall auf den Deckel haute.Mit einem leisen Plopp fiel der Kronkorken zu Boden. Sie hob ihn auf, ging zum Kamin und schmiss ihn in die kleine Schatulle, die dort stand. stand.Dann sah sie mich an, mit einer offenen Flasche Wasser in der Hand, sowie zwei Gläsern, vom Nachttisch und sagte: „Okay. Bin fertig.“ und sagte: „Okay. Bin fertig.“Ich versuchte es erst gar nicht zu verstehen, rang mir ein Lächeln ab und sagte: „Würden Sie mir die Ehre erweisen, mit mir in den Garten zu gehen?“Sie nickte.Ich wollte mich schon auf den Weg zur Tür machen, als sie mich an der Schulter berührte und eine fast unsichtbare Tür neben dem Nachttisch zeigte.Die Bedienstetentür. Sie führte nicht zu den Gang, wo die anderen Erwählten hergingen. Perfekt.Ich nickte.Sie machte leise die Tür auf und schlüpfte durch den Spalt. Ich folgte ihr. Draußen lag ein dunkler Gang vor uns.Sie drehte sich um und lächelte.Ich grinste zurück.Wir verstanden uns.

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A Selection Story: Die Rebellin /  #Wattys2016Where stories live. Discover now