41.

6.5K 355 44
                                    

41.

Rain

Manche Leute lesen wenn sie nicht schlafen können.

Manche rennen heulend zu ihrem Freund.

Manche trinken Honigmilch.

Oder Tee. Oder Kaffee und wundern sich später, dass sie nicht einschlafen können.

Andere hören Musik. Oder machen sonst irgendwelchen Mist.

Und wieder andere zählen Schäfchen.

Ich gehöre zu der letzteren Fraktion.

Allerdings zählte ich die Schäfchen anders als die meisten Leute.

Der Unterschied?

Sie wollten einschlafen.

Und das ist der Punkt, wo ich klar aus dem behaglichen Kuhdorf der schlaflosen Beschäftigten herausgeworfen wurde.

Das hieß noch lange nicht, dass ich nicht müde war.Ganz im Gegenteil: Mein Körper schrie so vor Müdigkeit.

Wieso ich nicht einschlafen wollte?

Erstens: Ich hatte schon gestern, nach meinem Unfall mit der Hand, zu schlafen versucht. Sie schmerzte immer noch höllisch. Eine spitze Scherbe hatte sich regelrecht in meine Handfläche gebohrt.

Zweitens: Es war drei Uhr morgens des nächsten Tages und ich hatte mich gleich krankgemeldet und meine Zofen in die unsäglichen Tiefen eines verlängerten Wochenendes verbannt und ihnen befohlen sich eine Auszeit zu nehmen. Ich hatte also Zeit.

Drittens: Weil ich nicht träumen wollte.Träume sind manchmal echt grausam. Nicht nur Träume die schlecht sind - Albträume - sind böse.

Nein auch die Träume von Zuckerwatte und Lachen.

Weil sie nicht real sind.

Vielleicht sind sie zum Teil real, aber es ist ein doofes Gefühl zu wissen, dass man immer noch am denselben Ort ist, wenn man aufwacht und nicht in dem Traum.

Träume sind zu schön um wahr zu sein.

Das Schlechte an Albträumen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie etwas sehr, sehr schlechtes vorhersagen - oder noch schlimmer: dir etwas zeigen, dass ich „von der Festplatte gelöscht" nenne.

Das ist auch eine der Eigenschaften, bei denen ich bereue ein Mensch zu sein.

Weil es unmöglich ist alles zu vergessen.

Meine Mum hatte - wenn sie in einem nüchteren Zustand war - immer und immer wieder erklärt, dass die größte Wissenschaft die Seele des Menschen ist.

Und das ist eine der wenigen Dinge, wo ich ihr Recht gab.

Und wenn ich also genug vom Schäfchenzählen hatte, begann ich alle möglichen Dinge, die mal passiert waren laut aufzusagen.

Aber da ich das hier schlecht konnte, dachte ich sie einfach.

Mit einem schmerzenden Nacken stand ich auf und ging zu der Thermoskanne Kaffee, die auf dem Tisch stand und schenkte mir ein wenig von dem bitteren Getränk ein.

Es würde nichts nützen.

Ich würde trotzdem einschlafen, also kippte ich das Getränk wieder zurück in die Kanne.

Ich musste definitiv hier raus. Ein weiterer Tag in diesen Räumen würde mich umbringen.

Aber jetzt war es noch viel zu früh um so etwas zu tun.

A Selection Story: Die Rebellin /  #Wattys2016Onde histórias criam vida. Descubra agora