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Elias

Es war so ein schöner Anblick, sie wieder lächeln zu sehen. Zwar war es nur ein leichtes Lachen, doch es war immerhin eines. Ich konnte den Anblick nicht mehr ertragen, ihre traurigen Augen und ihr hübsches Gesicht vor Sorge verzerrt.

Rain hatte das alles nicht verdient und ich hatte mich jedes Mal dafür verflucht, dass es in diesem Kastensystem keine Möglichkeit auf eine bessere Zukunft gab.

Doch dann war Mr. Cohen gekommen. Hatte uns einfach in ein Auto gesetzt und in diesen Traum gefahren. Danach kam er noch einmal, zwei Tage später und hat mir das Angebot gemacht, noch einmal in die Schule zu gehen. Zwar würde ich noch einen Nebenjob machen müssen, aber sonst wäre alles geregelt, sagte er. Ich hatte nicht gewusst, dass es auch noch gute Menschen in dieser verdammten Welt gab.

In der Nacht, wo unsere Mietkündigung ankam, hatte sich Rain in den Schlaf geweint.

Und ich hatte es einfach nicht geschafft sie in den Arm zu nehmen.

Ich verdammter Feigling...

Und jetzt, zwei Wochen später, wirkte sie wie der glücklichste Mensch auf Erden. Und dafür war ich dankbarer, als ich es je hätte ausdrücken können.

Meine Schule würde in zwei Wochen beginnen, die von Rain auch. In ihrer freien Zeit, wuselte sie wie ein aufgescheuchter Vogel im Haus herum, putzte oder verzog sich in ihren eigenen Raum, doch die meiste Zeit war sie weg und kam erst spätabends erschöpft nach Hause. Ich ließ sie in Ruhe.

Nach dem Mittagessen begann ich Holz zu hacken. Immerhin war es in dieser Gegend doch recht kühl. Nachdem ich mindestens zwei Dutzend Holzstücke gespalten hatte, sah ich, dass mein Wasserglas leer war. „Kein Wasser mehr..“, murmelte ich verärgert. Ich klopfte mir die Hose ab, um ins Haus zu gehen, als meine Schwester mit einem Glas Wasser rauskam.

„Du wolltest Wasser?“ Manchmal glaube ich, dass Rain Gedanken lesen kann. Ich nickte verdutzt, lächelte schwach und griff nach dem Glas. Während ich trank, sah ich wie sie grinste. „Ist etwas?“, fragte ich.

„Nein, nein. Mach nur weiter.“

Ich nahm die Axt und hackte weiter auf das Holz ein, als ich sah, dass sie immer noch an der Haustür stand und mich so komisch anlächelte. Dann sah sie, dass ich sie bemerkt hatte und verschwand wieder im Haus.

Ich beschloss, diesen Abend den Bericht anzuschauen. Wenn ich mich recht erinnerte, wurden heute die Erwählten Mädchen bekanntgegeben.

Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte, aber es war dann doch interessant, ein wenig mehr darüber zu erfahren. Früher war es mir egal gewesen und in den letzten Jahren hatte ich keine Möglichkeit mich mit Sachen wie dem Casting zu beschäftigen.

◇✵◇

„Heute werden die Erwählten bekanntgegeben.“, quietschte Vi. Vi quietschte alles. Ich versuchte bei den hohen Tönen nicht das Gesicht zu verziehen.

„Ja. Wirklich. Ist ja toll.“, murmelte ich lahm, als meine kleine Sis mir noch irgendwelche Einzelheiten von Kleidern und Parfum zu brabbelte. Seit sie letzte Woche auf der Ausstellung gewesen war, sprach sie nur noch davon.

„Ich finde, Rain ist die perfekte Kandidatin.“, meinte Vi, „Nein. Ich bin noch perfekter.“, sie grinste schelmisch. Ja, Rain wäre die perfekte Kandidatin gewesen. Obwohl sie es nicht wahrnahm, habe ich mehrmals anzüglichen Jungs böse Blicke zuwerfen müssen.

„Hmm. Deine Schwester hat sich aber nicht angemeldet.“

„Wieso eigentlich nicht?“, fragte Vi.

A Selection Story: Die Rebellin /  #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt