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Rain

Nachdem ich das Gespräch belauscht hatte, meldete ich mich bei Cohen und bekam eine Schimpftirade vom Feinsten serviert. Sich einen Tag nicht melden?! Und dann noch auf einem Einsatz! Ich schaltete auf Durchzug, immerhin erledigte ich den Auftrag, aber Cohen war nicht mein Vorgesetzter.

 Danach beschloss ich mir eine Auszeit zu gönnen, nachdem ich ein paar Wanzen an Blumentöpfen und Türen geklebt hatte.

 Nachdem Cohen sich wieder beruhigt hatte, befahl er mir unsere Hauptstation zu benachrichtigen und weitere Nordrebellen im Palast zu kontaktieren, was im Klartext bedeutete, mit kurzen Kleid herumzulaufen, denn mein weißes, fast unsichtbares, eintätowiertes Zeichen des Nordsterns, befand sich am Unterarm.

 Ich wollte es damals einfach nicht so offen haben, Georgia kam auf die Idee mit der Jeansjacke, ein paar ließen sich ein ziemlich hässliches Kreuz auf den Hals tätowieren.

 So oder so, durfte ich jetzt Personen anstarren und warten, bis einer mich ebenfalls erkannte.

Meine Anfänge bei den Nordrebellen?

 Ganz einfach, mit vierzehn war ich eingestiegen. Mum interessierte es nicht, was wir machten, Dad war abgehauen.

 Wir waren die typische Siebener Familie. Das Geld, das wir vom Staat bekamen, versoff sie meistens und ich kümmerte mich um meine kleinen Geschwister. Eli ging bei einem Bauer einen Nebenjob machen.

 Wenn die Zwillinge im Kinderhaus waren, schwänzte ich meist die Schule, denn was wir dort lernten, konnte man genauso gut in die Luft jagen. Stattdessen klaute ich mit Bücher aus dem Bibliotheksabteil der Dreier und Zweier Kasten und blieb somit auf einem guten Wissenstand. Für die Kasten Sieben und Acht, hörte die Schule schon mit vierzehn auf. Ich erschien zur Abschlussprüfung, nachdem ich drei Monate nicht mehr in der Schule gewesen war, bestand – und danach interessierte sich keiner mehr für mich.

Noch ein Problem: Arbeiten durfte man erst ab Achtzehn, das bedeutete, es gab etliche Siebener, die einfach nichts zu tun hatten.

 Ich war da einfach keine Ausnahme.

 Ich war verdammt gut im Klauen, also wurde Georgia auf mich aufmerksam. Sie war auch eine Sieben, allerdings bekam sie Unterstützung von ihren Verwandten, die Dreier waren, und hatte somit einfach mehr Geld.

 Auch für mich sprangen einige Vorteile heraus.

 Da Mum wegen Dad von der Kaste Drei in Kaste Sieben gestiegen ist, hatten wir ziemlich viel Geldnot. Als ich die Ausbildung zur Agentin gemacht hatte, bekam ich einen Zuschuss von den Rebellen. Es gab immer Essen und ich war mit den Anderen zusammen.

 Auch Ian und August gehörten dazu. Ich hatte zuvor ziemlich wenig von meinen beiden Cousins kennengelernt und war froh einen Anschluss zur Familie zu haben.

 Dad war abgehauen, als ich Zwölf war, kurz nach der Geburt der Zwillinge, Mum verfiel in eine Depression, ich war froh jemanden zu haben, mit dem ich reden konnte.

 Mein eigentlicher Name war Tiiu, Rain mein zweiter.

 Früher habe ich immer gedacht, dass Rain mein zweiter Nachname war. Vor zwei Jahren beschloss ich einen Neuanfang zu machen und trug mich ab jetzt immer als Rain ein.

 Ich weiß, es klingt total lächerlich Regentag zu heißen, aber wen kümmerte es?

 Wir machten sogenannte Flashmobs.

 Da ich oft auf Müllkippen ausgeholfen hatte, besaß ich ein paar verbotene, alte Bücher. Darin hatte ich erfahren, dass sich früher einige Menschen zusammengetan hatten, und irgendwo auf einem öffentlichen Platz, plötzlich irgendetwas überraschendes zu machen, völlig unerwartet.

A Selection Story: Die Rebellin /  #Wattys2016Where stories live. Discover now