78 Walk like an egyptian

273 11 0
                                    


Die „Cora" lag mittlerweile im Hafen von Alexandria, wo die beiden Flitterwöchler von Bord ging. Das Schiff würde vorerst hier verweilen und das Paar würde zunächst auf dem Landweg weiterreisen. Ihr Gepäck für die nächsten Tage wurde ihnen bereits ins Hotel vorausgeschickt.

Derek hatte einen Einheimischen als Reiseführer in Ägypten engagiert, einen schlanken, jungen Mann von etwa achtzehn Jahren, mit dichtem, pechschwarzem Haar, welches mal wieder einen neuen Schnitt vertragen könnte, da ihm der Pony bereits in die Augen zu wachsen drohte, wie Stiles auffiel. Er sprach recht passabel englisch und war westlich gekleidet in seinen Jeans, Turnschuhen und T-Shirt, was jedoch nicht drüber hinwegtäuschen konnte, dass die Kleidungsstücke abgetragen und nicht ganz sauber waren. Er hatte eine ebenmäßige, dunkle Haut und dunkelbraune Augen mit einem fröhlichen, spitzbübischen Funkeln darin. Er stellte sich ihnen als Abdel Hassan vor und berichtete, er sei das älteste von elf Kindern und da müsse er einfach etwas zum Familieneinkommen beitragen, weshalb er bereits seit sechs Jahren als Touristenführer arbeite und daher reichlich Erfahrung mitbringe. Er sei hier in Ägyptens Hauptstadt Kairo aufgewachsen und er würde ihnen alles zeigen, was seine wundervolle Heimatstadt zu bieten habe, versprach ihr Reiseführer strahlend.

Stiles fand den Jungen spontan sympathisch.

Zuerst besuchten sie das das ägyptische Museum. Stiles war ein wenig unwohl dabei, als er sich bewusst machte, dass es sich bei den Mumien, welche dort wie ganz gewöhnliche Ausstellungsstücke herumlagen, um die sterblichen Überreste von echten Menschen handelte, die vor langer Zeit einmal gelebt und geatmet hatten. Irgendwie hatte er das Gefühl ihre Totenruhe zu stören, indem er sie nun einfach so anstarrte, doch er sagte nichts dazu, weil er Derek, welcher vollkommen begeistert und fasziniert von der Ausstellung war, nicht die Freude daran nehmen wollte.

Im koptischen Viertel besuchten sie die sogenannte „Hanging Church", eine zweitürmige Kirche erbaut von den koptischen Christen im dritten Jahrhundert nach Christus. Allein das schiere Alter dieses Ortes flößte Stiles Ehrfurcht ein. Was hatten diese Mauern bereits alles überstanden und mit angesehen? Es war kaum vorstellbar.

Ähnlich erging es ihm, als sie die „Al-Hakim-Moschee" besichtigten, welche immerhin auch schon seit über tausend stolzen Jahren hier am selben Ort stand.

Die Sonne brannte ihnen auf Köpfe und Schultern und ohne ihre Sonnenbrillen, die Creme mit dem Lichtschutzfaktor 30 und ihre Baseballkappen wären sie sicherlich verloren gewesen, als sie über den belebten „Khan El Khalil-Basar" flanierten, denn nun am Nachmittag lag die Temperatur bei erbarmungslosen 45 Grad. Dennoch kam es Stiles aufgrund des trockenen Windes, welcher von der Wüste her zu ihnen hinüber wehte, immer noch einigermaßen erträglich vor. Daheim im schwülen Kalifornien wäre bei derselben Temperatur ein Leben außerhalb klimatisierter Räume wohl kaum noch vorstellbar.

Stiles blickte sich neugierig um, beobachtete Händler, Einheimische und Touristen beim Feilschen, lauschte den Verhandlungen in der für ihn vollkommen fremden Sprache, sog die verführerischen, fremden Düfte nach Gewürzen, unterschiedlichen Speisen, Parfüms und vielem mehr ein und weidete seine Augen an dem fantastischen Durcheinander und dem Meer aus Farben. Gern hätte er sich einen Snack gekauft, oder hübsche Mitbringsel für seine Freunde zuhause, doch seine Sinne waren schlicht komplett überfordert. Er hätte sich hier spontan einfach für nichts entscheiden können.

Als es Abend wurde, setzte Abdel Hassan sie bei ihrem Hotel, dem Royal Maxim Palace Kempinski Cairo ab. Ihr Reiseführer hatte sich bereits für den heutigen Tag verabschiedet und zum Gehen gewendet, da drehte er sich noch einmal um und raunte den Ehemännern zu:

„Sie wissen, dass sie hier... vorsichtig sein müssen, oder? Hier ist es nicht wie bei ihnen in Amerika."

Die beiden Flitterwöchner wussten sofort, was gemeint war, auch wenn es nicht direkt ausgesprochen worden war.

SchlaflosWhere stories live. Discover now