60 Erzähl mir ein Märchen!

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Parrish war einige Tage in Los Angeles geblieben und Derek hatte ihn kurzerhand in sein Schloss eingeladen.

Stiles hatte es gut getan, in Jordan wieder ein Stück seiner Vergangenheit um sich zu haben. Es verband ihn mit einer Zeit, als er noch jünger, unschuldiger und in jeder Weise wohlbehütet gewesen war; ehe das Leben im böse ein Bein gestellt und ihm seine Eltern und sein Heim genommen hatte. Derek erhielt dadurch eine Ahnung davon, wie sein Geliebter gewesen war, lange bevor sie einander begegnet waren und es machte, dass er sich sogar noch ein klein wenig mehr in ihn verliebte. Diesen Jungen von damals hätte er gern gekannt.

Nun musste Jordan wieder heimkehren, denn die Pflicht rief. Stiles und Derek hatten ihn soeben zum Flughafen gebracht und sie waren gerade wieder daheim angekommen.

Noch hatte die Presse von Kates Verhaftung keinen Wind bekommen.

Noch war kein Gerichtsverfahren anberaumt worden

Noch hatten sie ihre Ruhe, auch wenn man am Horizont bereits einen Sturm aufziehen sehen konnte und das Hufgetrappel der Wilden Jagd bereits leise von fern zu ihnen herüberklang.

Dies war der erste Moment, den Derek und Stiles seit einer Ewigkeit gemeinsam hatten, ohne dass sie bedroht wurden, unangenehme Dinge von ihnen verlangt wurden, oder sie zwangsweise getrennt sein mussten, wurde Stiles in dieser Minute klar. So könnte der Rest ihre Lebens aussehen, wenn sie alles erst einmal vollständig hinter sich hätten und Kate verurteilt wäre.

Einen Moment lang blieb Stiles wie angewurzelt mitten im Foyer stehen und ließ diese Erkenntnis auf sich wirken.

Als Derek es realisierte, blickte er sich nach ihm um und erkundigte sich:

„Ist alles okay, Baby?"

„Werden wir eigentlich hier wohnen bleiben, oder werden wir woanders hinziehen? Was werde ich nun mit meinem Leben anfangen? Werde ich weiter studieren, oder vielleicht arbeiten gehen? Wirst du mit mir verreisen und mir etwas von der Welt zeigen, wie du es versprochen hast? Denkst du, die Öffentlichkeit wird mich jemals an deiner Seite akzeptieren, oder werde ich mein Lebtag keine Zeitung mehr aufschlagen und keinen Fernseher mehr anmachen können, ohne dass ich dort sehe, wie irgendwer über uns beide herzieht? Wann werden wir denn eigentlich genau heiraten? Und wie willst du die Feier; eher traditionell, oder modern? Werden wir uns heimlich in kleinem Kreis das Ja-Wort geben, oder wird das eine große Sache? Und vor allem... willst mich überhaupt immer noch? Und was wird aus Scott? Wo wird ER dann sein? Werde ich ihn dann überhaupt noch sehen? Oh Mann, ich kann aber nicht ohne ihn leben!" sprudelte es aus dem Jüngeren heraus:

„Shh, Baby, du plapperst!" unterbrach ihn Derek: „Darf ich zwischendurch vielleicht auch mal auf eine deiner Fragen antworten? Was ist denn plötzlich los mit dir, Kleiner? Bekommst du es etwa gerade mit der Angst zu tun?"

Stiles nickte und erwiderte geknickt:

„Es tut mir leid. Ich glaube, ich warte wohl irgendwie schon auf die nächste Katastrophe. Ich kann einfach nicht glauben, dass es für uns beide am Ende nun wirklich noch ein Happy-End geben soll. Weil weißt du... ich bin doch eine ausgebuffte Straßennutte und so, und sollte es eigentlich besser wissen: Das Leben ist kein Märchen und ich bin nicht Cinderella!"

Derek schüttelte gutmütig den Kopf:

„Du redest dummes Zeug, Süßer. Du kennst dich selbst scheinbar überhaupt nicht? Das bist du eben nicht, du bist keine „ausgebuffte Straßennutte". Was ist das überhaupt für ein komisches Wort? Darum habe ich dich damals in meiner Verzweiflung überhaupt mitgenommen, weil mein Herz da bereits instinktiv gewusst hat, was mein Verstand erst noch begreifen musste, nämlich wie gut du bist, wie mitfühlend, freundlich, lustig, tapfer, stark und unverwüstlich."

SchlaflosWhere stories live. Discover now