81 Offspring

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Stiles versuchte noch immer zu begreifen, was soeben geschehen war, während er auf das winzige, schlafende Baby neben sich hinabblickte.

Dieser Mr. Harris vom Familiengericht, obwohl er irgendwie unsicher und nervös gewirkt hatte, hatte weder sonderlich schnell, noch in irgendeiner Weise undeutlich gesprochen. Dennoch hatte Stiles in seiner Schockstarre etwas Mühe gehabt, den Worten dieses Mannes zu folgen.

Das Kind sei vor zwei Tagen geboren worden, hatte er berichtet. Es sei bei bester Gesundheit, was angesichts der vorliegenden Umstände wohl an ein Wunder grenze, denn immerhin habe die Mutter ja bereits vor seiner Geburt versucht, es zu töten. Es sei damals ja nur in einer Notoperation möglich gewesen, sein Leben zu retten und man habe Kate Argent danach nur durch Rund-Um-Die-Uhr-Überwachung und dauerhafte Fixierung davon abhalten können, einen solchen Mordversuch zu wiederholen.

An dieser Stelle war Stiles schlagartig übel geworden, als er versuchte sich auszumalen, was es für ein heranwachsendes Leben bedeutet haben musste, von der Mutter die es trug, in jeder einzelnen Minute aus tiefstem Herzen gehasst zu werden?

Man habe Mr. Hale persönlich noch nicht erreichen könne und deshalb beim Familiengericht lange beratschlagt, wie nun mit dem Baby zu verfahren sei, hatte Harris weiter ausgeführt. Und sicher sei es sehr ungewöhnlich, es nun direkt an den mutmaßlichen Vater zu übergeben, wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet wären, aber da ja gerichtlich genau dokumentiert sei, wie es zu dieser Schwangerschaft gekommen sein soll und angesichts der herausragenden Stellung, die jemand wie Derek Hale gesellschaftlich innehätte, habe man sich dazu entschieden, ein Entgegenkommen zu zeigen und das Kind direkt dem Vater zuzuführen, anstatt es vorläufig in ein Kinderheim, oder eine Pflegefamilie zu geben. Nun müsse zur letzten Sicherheit natürlich noch zeitnah ein Vaterschaftstest erfolgen, doch dies sei ja lediglich reine Formsache, beeilte sich Harris hinzuzufügen.

Stiles übersetzte diese Aussage in seinem Kopf folgendermaßen: Man war davon ausgegangen, dass Derek sein Kind selbstverständlich bei sich haben wolle und die Behörden hatten sich aus Angst vor der Macht und dem Einfluss von jemandem wie ihm und um ein Gerichtsverfahren und einen riesigen Skandal zu vermeiden, für diese „unbürokratische" und auch sicherlich alles andere als legale Vorgehensweise entschieden.

Da das Kind noch keinen Namen habe, seien alle Unterlagen des Krankenhauses und die Geburtsurkunde vorläufige Dokumente, ausgestellt auf den Namen Jane Doe und sobald eine offizielle Namensgebung vorliege, werden diese selbstverständlich umgehend geändert werden.

Harris hinterließ Stiles eine Visitenkarte und die besten Grüße für Mr. Hale. Man dürfe ihn innerhalb der angegebenen Geschäftszeiten jederzeit anrufen, falls es weitere Nachfragen gäbe.

Und damit war er verschwunden und überließ den überrumpelten Stiles und das kleine Mädchen ihrem Schicksal.

Und was nun?

Natürlich war es Stiles allererster Impuls Derek anzurufen, doch dieser hatte ja unmissverständlich klar gemacht, dass er viel Arbeit und leider überhaupt keine Zeit habe. Und ein flüchtiges Telefonat zwischen Tür und Angel wäre wohl keinesfalls der beste Weg, seinem Mann die überwältigenden Neuigkeiten mitzuteilen, zumal wenn man bedachte, wie Derek bereits im Vorfeld über dieses Kind gesprochen hatte. Damals hatte er unmissverständlich klar gemacht, dass er nichts von seinem Nachwuchs wissen wollte.

Natürlich konnte sich das ganz schnell ändern, nun da dieses Kind nicht bloß eine Idee, sondern ein wirklicher, real existierender, kleiner Mensch war.

So oder so mussten Stiles und Derek von Angesicht zu Angesicht und ohne Zeitdruck darüber sprechen, wie es mit dem Baby weitergehen sollte.

Und da wurde Stiles etwas klar: Derek, er selbst und jeder in ihrem Umfeld hatte es so gründlich vermieden daran zu denken, was wohl wäre, wenn Kates Kind erst einmal auf der Welt war, dass es sich beinahe so angefühlt hatte, als sei diese Schwangerschaft nichts weiter als ein böser Traum gewesen. Das war es ja wohl, was man als Verdrängung nach schwerem Trauma bezeichnete, richtig?

SchlaflosWhere stories live. Discover now