55 At Last

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Stiles hatte erst sehr spät in der vergangenen Nacht Schlaf gefunden, denn er war einfach zu aufgeregt gewesen. Als der Radiowecker ihn an diesem Morgen um acht Uhr jedoch mit „At Last" von Etta James weckte, war er dennoch guter Dinge. Er drehte die Musik lauter, sang trotz seiner, vom Schlafen rostiger Stimme mit und sprang ohne Umwege unter die Dusche. Anschließend versorgte er zunächst seine Häschen mit Heu, Frischfutter, Wasser und natürlich einer Extra-Portion Liebe, ehe er auch sich selbst ein kleines Frühstück zurechtmachte. Er bekam nicht wirklich viel herunter, was ganz offensichtlich an seinem dummen Herzen lag, welches heftig klopfend seinen gesamten Brustkorb auszufüllen schien und seinen Magen und alles andere, was sich ansonsten darin befand verdrängte.

Als um fünf vor neun die Türklingel ging, flitzte er so rasch los, als würde er in Flammen stehen. Dann hielt er jedoch noch einmal kurz inne, um durch Türspion zu schauen. Über einen längeren Zeitraum das Ziel von mörderischen Absichten einer Soziopathin gewesen zu sein, hatte ihn wohl irgendwie misstrauisch gemacht.

Durch die verzerrende Linse erkannte Stiles seinen Geliebten, welcher den Arm voller roter Rosen hatte.

Stiles biss sich auf die Unterlippe. Das war so altmodisch, übertrieben, kitschig... und großartig. Das war sein Mann!

Er riss überschwänglich die Tür auf:

„Endlich!"

Dereks Stimme klang genau so erschöpft, wie er aussah.

Stiles zog ihn ohne Umschweife ins Innere seines Apartments, klappte die Tür hinter ihm zu, nahm ihm die Blumen ab, um sie beiseite zu legen und zog ihn fest in die Arme:

„Ja, endlich!" bestätigte er und sog den vertrauten, geliebten Duft seines Gefährten ein. Und da hatte er zum ersten Mal seit Wochen wieder das Gefühl, Luft zu bekommen: „Ich lasse dich dich nie wieder los!" hauchte er in das Ohr des Älteren.

„Einverstanden!" bestätigte Derek, hob Stiles Kinn sanft mit Daumen und Zeigefinger, legte seine Lippen auf die seines Liebhabers und all' die Sehnsucht, die sich in den letzten Wochen in ihm angestaut hatte, floss in diesem Kuss.

„Wow!" keuchte Stiles hinterher atemlos und mit weichen Knien: „Wo ist das denn alles hergekommen?"

„Es war eben wirklich schrecklich ohne dich! Du hast mir so wahnsinnig gefehlt!" rechtfertigte sich Derek, tatsächlich ein klein wenig verlegen.

„Tut mir echt leid!" murmelte Stiles.

Sein Mund suchte ein weiteres Mal den seines Gefährten und dann fragte er: „Willst du erst einmal die Tour?"

Er machte eine übertrieben weitschweifige Geste, mit welcher er sein winziges, bescheidenes Apartment präsentierte.

Derek nickte; ein mattes, kleines Lächeln auf seinen Lippen.

Stiles schnappte sich die Rosen und führte Derek herum.

Die erste Station war die enge Küche, wo es nichts weiter zu sehen gab, als einen Hängeschrank, ein kleines Spülbecken, zwei Herdplatten und ein Tischchen mit wackligen Stahlrohrstühlen.

„Nett!" behauptete Derek, dessen begehbarer Kleiderschrank allein bereits größer war, als diese gesamte Wohnung.

Stiles, der gerade eine hohe, schmale Schüssel aus dem Schrank genommen hatte, um die Blumen hineinzustellen, blickte sich über seine Schulter um und grinste milde zu dem heroischen Versuch Dereks, etwas Freundliches zu seiner Bleibe zu sagen:

„Die sind wunderschön!" kommentierte er und fügte, auf die Rosen deutend, grinsend hinzu: „Und sie werten diese Bude echt auf."

„Du findest es albern, stimmt's?"

SchlaflosWhere stories live. Discover now