61 Scherbengericht - Teil 1

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Es kostete die Polizei beinahe weitere drei Monate, ihre Ermittlungen abzuschließen und in dieser Zeit kehrte bei Derek und Stiles eine gewisse Routine ein. Nach all der Ungewissheit, den Katastrophen und der Unruhe in der Vergangenheit war dies für beide Männer der pure Genuss. Sie standen morgens gemeinsam auf, frühstückten, gingen zusammen ins Bad, rasierten sich Seite an Seite, putzten ihre Zähne im Stereomodus und brachen dann gemeinsam auf.

Neben dem Studium arbeitete Stiles noch immer mit Danny, Isaac, Sott und mittlerweile auch mit vielen Fachleuten, wie Pädagogen, Anwälten, Architekten, Ärzten, Krankenpflegern, Lehrern und anderen an ihrem Straßenkinder-Projekt. Es waren mittlerweile eigene Räumlichkeiten angemietet worden, wo die Kids eine warme Mahlzeit, ein Bett für eine Nacht, Kleidung, medizinische Versorgung und Beratung vorfanden, oder einfach nur einen Ort, an dem sie sich ausruhen, fernsehen, einen Computer nutzen und einfach bloß für eine Weile bloß ganz gewöhnliche Jugendliche sein konnten: Ein Stückchen Zuhause und Normalität in einem besonderen, außergewöhnlichen Leben.

Und für jene, die ernsthaft aus ihrem bisherigen Leben aussteigen und ein neues Leben beginnen wollten, gab es kleine Apartments, in denen sie leben konnten, Klinikplätze wurden für diejenigen gefunden, die einen Alkohol- oder Drogenentzug durchführen wollten und es gab die Möglichkeit einen Schulabschluss, oder eine Berufsausbildung nachzuholen.

Das nächste Ziel war nun, dieses Projekt auf andere Großstädte in anderen amerikanischen Großstädten auszuweiten.

Derek setzte Stiles morgens auf dem Weg zur Arbeit bei der Arbeit, oder bei der Uni ab und am Abend kehrten sie beide wieder heim, erzählten einander von ihrem Tag, aßen gemeinsam, verbrachten dann vielleicht noch ein wenig Zeit mit ihren Freunden, im Pool, im Fitnessraum, vor dem Fernseher, oder sie vögelten sich einfach das Hirn raus, bis sie erschöpft und befriedigt einschliefen, denn ganz gleich was auch geschah, sie bekamen ganz einfach niemals genug von einander.

Weil Stiles seinen besten Freund so sehr vermisste, ließ Derek schon bald in seinem Palast ein großes Zimmer nach Scotts Bedürfnissen herrichten und dieser zog mit dem kleinen Skippy dort ein.

Auch Lydia und Malia waren so oft bei ihnen zu Gast, dass Derek sie irgendwann fragte:

„Warum bleibt ihr nicht einfach? Ich meine für immer? Ich fände das schön!"

Und das taten die beiden Frauen, auch wenn sie Zimmer in unterschiedlichen Trakts des Hauses bezogen, damit sie die Distanz, welche ihrer Nähe seit jeher so gut getan hatte, auch in ihrem neuen zuhause aufrecht erhalten konnten.

Und aus Dereks kühlen Elfenbeinturm wurde auf diese Weise rasch ein warmes Heim für eine bunte, fröhliche, liebevolle Familie.

Seit dem Tod seiner eigenen hatte Derek sich nicht mehr so wohl und geborgen gefühlt.

Die Hochzeit von Derek und Stiles, da waren sich beide Männer einig, sollte erst nach der Gerichtsverhandlung stattfinden. Dennoch sprachen die beiden sehr oft darüber, wie sie sich ihren besonderen Tag vorstellten.

Es war eine wunderbar friedliche und sorglose Zeit. Es fühlte sich so normal und selbstverständlich an. So könnte das Leben für immer weitergehen, wenn es nach Derek und Stiles gegangen wäre und darüber vergaßen sie sogar beinahe, was ihnen noch bevorstand.

Inspektor Haynes hatte tatsächlich auf Stiles gehört und war dem Verdacht nachgegangen, Kate könnte ihren eigenen Vater ebenfalls getötet haben und wie Stiles es vorausgesagt hatte, war Gerard Argents Leben mit demselben intravenös verabreichten Gift beendet worden, wie jenes von Jamie Townsend. Dies war nun also ein weiterer Mord auf der Liste von Kates Opfern.

Inzwischen waren die Ermittlungen abgeschlossen und ein Prozesstermin stand fest.

Ab diesem Moment legte sich eine Art Düsternis über Dereks Gemüt. Er hätte es Stiles gern erklärt, was in ihm vorging, doch ihm fehlten die richtigen Worte. Ihm war, als würden die Augen seiner toten Familie erwartungsvoll auf ihm ruhen und er durfte einfach nichts falsch machen, denn sonst wäre es seine Schuld, wenn ihnen am Ende nicht endlich Gerechtigkeit widerfuhr.

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