79 Rock the casbah

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Das nächste Ziel der Hochzeitsreisenden am kommenden Tag sollte Algerien sein. Derek berichtete seinem Ehemann, dass er dessen Hauptstadt schon immer hatte besuchen wollen und dies lediglich aufgrund eines Filmes aus dem Jahr 1936 mit dem Titel „Im Dunkel von Algier", welchen er sehr lieben würde. Sie hatten sich diesen am Abend noch im Hotel auf Dereks Handy angeschaut, aber entweder lag es daran, dass die Bedeutung dieses Uralt-Streifens sich auf dem winzigen Bildschirm nicht recht entfalten konnte, oder Stiles fehlte einfach der Sinn für diese Kunstform. Er verstand bloß, dass es sowohl eine Gangster- als auch eine dramatische Liebesgeschichte war und das Ganze wurde serviert in schwarz/weiß und auf französisch mit englischen Untertiteln. Offensichtlich, so musste Stiles sich eingestehen, war er wohl ein Kunstbanause, mehr der Typ „Blockbuster", als „Cinema des Arts".

Derek und Stiles hatten frühmorgens einen Direktflug von Kairo nach Algier genommen. Die „Cora" würde erst in etwa zwei Tagen gemütlich auf dem Wasserweg folgen und ein Hotel würden sie sich ganz einfach vor Ort suchen. Sie reisten ohne nennenswertes Gepäck, hatten lediglich eine kleine Umhängetasche mit Kleidung für diesen Zeitraum, mit ihrem Geld, ihren Handys und ihren Papieren bei sich und Stiles musste ein wenig über seinen steinreichen Ehemann lächeln, der sich allein deswegen offenbar bereits wie ein echter Abenteurer, ein Draufgänger, ja gar ein Backpacker vorkam.

Einen Reiseführer hatte Derek trotzdem engagiert, jemanden der die Landessprache sprach und entsprechende Ortskenntnisse besaß. Er holte die beiden Amerikaner direkt am Flughafen ab.

Said war ein Mann Anfang fünfzig, nicht sehr groß, schmal, in abgetragener Stoffhose, schmuddelig wirkendem Oberhemd in offenen Sandalen, aus denen staubige, wenig gepflegte Zehen hervorlugten. Der leichte Silberblick gab ihm etwas vermeintlich Liebenswertes, doch irgendetwas sträubte sich in Stiles gegen diesen Mann. Andererseits musste der Kerl ja nicht ihr neuer bester Freund werden, sondern sollte einfach nur seinen Job machen, entschied er und schob sein Unbehagen beiseite.

Und wie sich zeigen sollte, kannte Said die Stadt offenbar tatsächlich wie seine Westentasche und war auch seinerseits bekannt, wie ein bunter Hund. Wo sie auch hinkamen, wurde er von Einheimischen, von Straßenhändlern, Marktstandbetreibern und Menschen die vom Tourismus lebten gegrüßt. Und es war nicht schwer zu durchschauen, was diesen Mann so beliebt machte, denn wo immer sie hinkamen versuchte er diesen Leuten ein Geschäft zuzuschanzen, indem er die beiden Reisenden zu überreden versuchte, deren Waren zu kaufen, oder ihre Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Und viel öfter als Stiles lieb war, hatte er bei Derek damit auch Erfolg, doch er mischte sich nicht ein. Sein Ehemann war schlau genug um zu bemerken, was dieser Kerl für ein Schlitzohr war und es tat ihm ja nicht wirklich weh, denn Geldsorgen hatte er ja wahrlich keine. Und so kosteten sie eben Datteln, Baklava, CousCous mit dünner Tomatenbrühe, reichlich Gemüse und tranigem Hammelfleisch und Orangen, welche um Längen besser waren als jene, die in ihrer Heimat Kalifornien gediehen. Sie ritten auf Kamelen, fuhren in einem Eselkarren und Derek verteilte reichlich Dollarscheine an schmutzige kleine Kinderhände, die ab und an in kleinen Scharen angerannt kamen, um die merkwürdigen, bleichgesichtigen Fremden anzubetteln.

Stiles entging dabei nicht, dass Algerien touristisch deutlich weniger erschlossen war, als das Nachbarland Ägypten. Hier fielen er und Derek als Reisende aus einem fernen Land jedenfalls deutlich auf und die ihnen geltenden Blicke, welche sich in einem Spektrum von unverhohlener Neugierde bis hin zu Skepsis und Misstrauen bewegten, sprachen eine deutliche Sprache.

Ihr Reiseführer Said zeigte ihnen die Sehenswürdigkeiten seiner Stadt. Sie besuchten das Märtyrer-Denkmal, welches an die gefallenen Kämpfer des Unabhängigkeitskrieges gegen die französischen Besetzer erinnerte, welcher im Jahr 1962 geendet hatte. Eingeweiht wurde das Monument, ein hoher Turm aus drei aufstrebenden, sich in der Mitte treffenden Säulen, zwanzig Jahre nach Kriegsende am 05.07.1982.

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