16 Re-Trauma

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Stiles verschloss auf seinem Weg nach unten seine Jacke über dem bekleckerten Hemd, entstieg dem Fahrstuhl und rannte aus dem Gebäude, als sei der Teufel hinter ihm her. Er sprang in das erstbeste Taxi, nahm neben dem Fahrer Platz und forderte:

„Bringen sie mich schnell weg von hier!"

„Sicher doch, Stiles! Wo soll es denn hingehen? Vielleicht zu mir nachhause?" sprach eine leider nur allzu gut bekannte Stimme neben ihm.

Oh, verdammt!

Stiles hatte in seiner Erregung über das, was soeben auf Dereks Geburtstagsparty geschehen war bislang noch keinen Blick auf den Fahrer geworfen, doch das holte er jetzt erschrocken nach. Neben ihm saß Earl, einer seiner ehemaligen Freier; nicht sehr groß, aber breit, mit riesigen, kräftigen, hässlichen, haarigen Pranken. Den kahlen Kopf versuchte er lächerlicher Weise unter einer Lage fettiger Strähnen seines eigenen Haares zu verstecken, die seitlich an seinem Kopf wuchsen. Doch es waren überhaupt nicht die Äußerlichkeiten, die Stiles immer schon an diesem Mann abgestoßen hatten. Danach hatte er seine Kunden niemals beurteilt. Nein, er hatte Earl nicht gemocht, wegen der Sachen, die dieser stets von ihm verlangt hatte. Manche wachte Stiles immer noch mit rasendem Herzen auf, weil er davon träumte!

Und dann war da ja auch noch dieser Geruch! Earl roch irgendwie nach altem Mann, dabei war er doch erst Anfang fünfzig? Es war diese Mischung aus Zigarrenrauch, Leder, Schmieröl und Old Spice. Doch dann gab es da untergründig noch etwas Anderes, etwas Modriges, etwas Böses, das im Hinterhalt auf einen lauerte, weil es einen fressen wollte!

Stiles wurde übel davon!

Er war damals stets bloß an solchen Tagen mit diese Kerl gegangen, an denen es richtig schlecht lief, wenn er es sich einfach nicht leisten konnte, Nein zu sagen. Und Earl war wirklich der letzte Mensch, den Stiles in dieser Minute sehen wollte! Aber das war nun einmal Murphys Gesetz: Wenn es hässlich kam, dann kam es eben auch richtig hässlich!

Das Fahrzeug hatte sich inzwischen langsam in Bewegung gesetzt, doch Stiles forderte:

„Halt' an, Earl. Ich nehme mir ein anderes Taxi!"

„Aber wieso denn?" fragte der Ältere und entblößte grinsend seine fauligen Zähne: „Nun, wo ich dich gerade wieder gefunden habe, soll ich dich gleich wieder gehen lassen? Nicht doch! Jetzt feiern wir erst mal unser Wiedersehen!"

Er griff mit einer seiner Riesenhände ohne Umschweife nach Stiles Schwanz und versuchte, mitten in der Fahrt einen Kuss von ihm zu erzwingen:

„Lass' den Quatsch, Earl! Ich will das nicht! Willst du uns umbringen? Halt an und lass' mich raus!" forderte Stiles, bemüht um Festigkeit in seiner Stimme, damit seine Panik nicht allzu deutlich zu hören wäre. Er versuchte mit einer Hand den festen Griff an seinem Genital zu lösen, während die andere damit beschäftigt war, die widerlichen, ungebetenen Lippen von sich fern zu halten.

Damals auf der Straße mochte Earl ein Nein bereits nicht gefallen haben, doch jetzt waren sie in seinem Reich und niemand würde Stiles Schreie hören. Wenn er hier heil herauskommen wollte, würde sich selbst helfen müssen:

„Warum stellst du dich denn so an, Prinzessin? Bist du dir neuerdings zu fein für Solche wie mich? Treibst dich in dieser Gegend herum, trägst diesen schicken Zwirn... und was ist das? Ist das eine Cartier? Hast hier wohl einen reichen Sugar-Daddy gefunden, dem du nach Feierabend einen bläst und der dir dafür hübsche Geschenke macht, wie?" knurrte Earl und versuchte nun Stiles seine Uhr abzunehmen.

Vielleicht hätte er sie diesem Schwein auch einfach überlassen sollen, denn es war doch bloß ein Stück Metall, richtig? Doch Derek hatte sie ihm gegeben und deshalb würde Stiles auch darum kämpfen.

SchlaflosWhere stories live. Discover now