29 - Ace

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ACE

„Was zum Teufel?!", faucht Nimy mich an und klingt beinahe so wütend wie vorhin, als sie mit ihrem Hund schimpfte. Ich spüre, wie meine Wangen anfangen zu brennen. Normalerweise halte ich mich eher im Hintergrund und bin unsichtbar. Verschmelze mit den Schatten und existiere eigentlich überhaupt nicht. Also ja, was zum Teufel ist das nur von mir gewesen?

„Ich musste dich einfach fotografieren." Toll, Ace. Jetzt lass dir aber etwas Gutes einfallen, um das zu erklären.

„Ähm, okay?" Nimy wirkt verwirrt und ich kann es ihr nicht verübeln. Sie zieht ihr kleines Näschen kraus, das von so vielen Sommersprossen bedeckt ist, dass es aussieht, als würden sie tanzen, und legt den Kopf schief. „Und wieso, wenn ich fragen darf?"

Mein Gesicht steht mittlerweile in Flammen und ich weiß nicht, wo ich hinschauen soll. In Nimys fragende, karamellbraune Augen, auf ihre Sommersprossen oder ihre schmalen Lippen, die so unendlich zart aussehen, dass ich mich automatisch frage, wie es ist, sie zu berühren. Zu viele Eindrücke prasseln auf mich ein und ich spüre, dass mir das Atmen bereits schwer fällt und sich etwas Großes, Wildes in mir regt. In meinem Kopf wird es laut und lauter, oben ist unten und links ist rechts und umgekehrt.

Nein, nein, nicht jetzt, bete ich. Nicht jetzt, nicht jetzt, nicht jetzt, nicht -

Um mich herum ist es kalt und warm, hart und weich. Plötzlich treffe ich auf Widerstand. Erde. Gras. Etwas kitzelt mich an meiner Nase und ich fühle etwas Nasses. Dann eine Hand, die leicht die meine drückt und eine andere, die mir vorsichtig durch die Haare wuschelt.

Ich öffne meine Augen und alles tanzt vor mir in unzähligen Sommersprossen und Karamelltönen und Lächeln und Leuchten und Ruhe. Ruhe.

Aus Angst, diese kleine Unendlichkeit zu zerstören, sollte ich mich auch nur ein klein wenig bewegen, bleibe ich ganz still liegen und versinke in meinem eigenen, einzigartigen und erstem Glücksmoment seit langem. Ich habe schon ganz vergessen, wie es sich anfühlt, glücklich zu sein.

„Okay, du hast gewonnen", seufzt Nimy lachend und streift beiläufig meinen Handrücken. Immer noch in der Angst, meine gerade erst gefundene, bunte Seifenblase zu zerstören, sage ich kein Wort und gucke sie nur fragend an.

„Du hast noch kein einziges Mal geblinzelt, seit du deine Augen aufgemacht hast", bemerkt sie ungläubig und schüttelt den Kopf, wendet den Blick aber nicht ab. „Tun dir nicht irgendwann die Augen weh?"

Mein Gesicht fühlt sich komisch an und ich brauche eine Weile, um zu realisieren, dass ich lächle. Ich habe Lady Gascoigne nie geglaubt, als sie meinte, man könne nicht verlernen, zu lächeln. Und nun lächle ich. Ich lächle!

„Ich habe Angst, diesen Moment zu zerstören, sollte ich auch nur blinzeln", gestehe ich leise und bin erleichtert, dass Nimy nicht darauf eingeht. Doch die nächste Frage ist viel unangenehmer.

„Was war das vorhin?" Sie klingt fragend, streicht mir jedoch weiterhin übers Haar, als wolle sie mir signalisieren, dass alles gut ist. Dabei ist überhaupt nichts gut.

„Ich hatte eine Panikattacke. Das habe ich öfter", sage ich so beiläufig wie möglich, als wäre es nichts besonderes.

„Also liegst du regelmäßig mit Mädchen auf dem Boden im Park herum?", lacht sie leise und ich kann meine Verwunderung nicht verbergen. Anscheinend ist es doch nicht so schwer, ehrlich zu sein, wenn es die richtige Person ist. Und so kann ich nicht anders, als ebenfalls zu lachen. Es scheint, als käme die Sonne mit jeder Sekunde, die ich lächle, mehr hinter den Wolken hervor und verzaubert mein Leben mit ihrer Wärme.

Dann bewegt Nimy sich und ich werde wieder von Panik ergriffen. Nur ist es dieses Mal eine andere Panik. Was, wenn sie jetzt aufsteht und geht? Wenn sie einen komischer Spinner, der grinst wie ein Junkie auf Drogen und alles und jeden fotografiert, was ihm vor die Linse kommt, abstoßend findet und nun nichts mehr mit mir zu tun haben will?

FeuerwerkOù les histoires vivent. Découvrez maintenant