71 - Eleanor

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ELEANOR

Ich war noch nie gut darin, Komplimente anzunehmen. Oft lächele ich nur verlegen, zucke mit den Schultern und bringe dabei kein Wort raus. Kein nerviges Abstreiten, kein Danke, kein Ebenfalls – sondern einfach nichts.

Genauso ist es auch, als Miss O'Hara sagt, mein Slam sei der beste Text gewesen, den ich je geschrieben habe. Das ist nicht weiter schlimm, da die anderen auch keine Antwort gegeben haben. Doch jetzt sitzt Palma neben mir und legt einen Arm um meine Schulter, während wir der nächsten Schulklasse bei ihrem Auftritt zuhören.

„Ich bin stolz auf dich", flüstert sie in mein Ohr und die Haare an meinem Nacken stellen sich auf. „Du hast das wirklich toll gemacht, Eleanor."

Ich drehe den Kopf, um in Palmas dunkle Augen sehen zu können und schlucke die Angst, wovor auch immer, hinunter, so gut ich kann. Es ist, als habe jemand alle Kerzen ausgepustet und das letzte Licht befinde sich in Palmas Iris. Mir fehlen die Worte. Wahrscheinlich sehe ich so aus, als würde ich fürchten, dass meiner Sitznachbarin plötzlich fünf weitere Arme aus dem Bauch wachsen und sie mich mit einer der neugewonnenen Hände erwürgt.

Ich reiche dir die Hand und zieh' dich hoch zu all den Wolken", dringt es genau in dem Moment, als ich diesen Gedanken habe, von der Bühne zu uns herab und automatisch verziehen sich meine Lippen zu einem kleinen Schmunzeln. Sag das doch gleich. Deine fünf Alienhände sind also ganz lieb, ja?

Mit einer Mischung aus Verwirrung und Amüsement zieht Palma die Augenbrauen zusammen. Ich mache eine wegwerfende Handbewegung, flüstere ihr ein „Unwichtig" zu und froh über den kleinen Themenwechsel widme meine Aufmerksamkeit dem Ende des Auftritts. Nachdem wir applaudiert haben und der Moderator eine weitere Pause angekündigt hat, erhebt sich Miss O'Hara.

„Wo sind denn Dex und Clem so lange abgeblieben?" Sie blickt suchend durch den Raum und fasst sich an ihre Armbanduhr. „Die zwei sind bestimmt schon eine halbe Stunde weg."

„Vielleicht haben sie sich was zu essen geholt?", schlägt Palma vor. Ich schaue von einem zum anderen, aber niemand aus unserer Gruppe wirkt, als würde ihn das überzeugen. Wo auch immer die beiden sind, dass sie etwas Zeit unter sich brauchen, wundert wohl die wenigsten, nachdem Clem erzählt hat, dass sie Dex geküsst hat.

„Wahrscheinlich wollten sie einfach mal in Ruhe reden", bemerkt Noah nebenbei und Palma sieht ihn verwirrt an. Weiß sie wirklich nicht, was zwischen den beiden läuft?

Sie war letzte Nacht nicht mit in der Bar, also hat sie Clems Geständnis nicht gehört, aber hat Dex ihr nicht auch von dem Kuss erzählt? Sollten Freunde über so etwas nicht miteinander reden?

Ich mustere sie, so unauffällig ich kann. Sie dreht sich einmal um die eigene Achse, um die ganze Halle in Augenschein nehmen zu können, doch dann fängt sie meinen Blick auf und es ist irgendwie um meine vorherigen Gedanken geschehen.

„Hoffen wir mal, dass es nur das ist und sie nicht ganz das Weite gesucht haben." Ein tiefer Seufzer entfährt unserer Lehrerin. „Bald ist die Auswertung."

„Was kann man eigentlich gewinnen?", fragt Nimy.

„Das wollten sie nicht verraten. Es muss etwas Besonderes sein", antwortet Miss O'Hara bloß.

„Hey, da sind sie", wirft Ace ein und alle Köpfe drehen sich Richtung Hintereingang. 

Alle, außer meinem. Ich betrachte Ace und frage mich, wie er es geschafft hat, seine Stimme so weich und entspannt klingen zu lassen.

„Wo wart ihr denn so lange?", ruft Phil den beiden Zurückkommenden zu.

„Ficken. Was denn sonst?"

FeuerwerkWhere stories live. Discover now