42 - Clem

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CLEM

Ich entferne meine Lippen von seinen und während ich die Umklammerung meiner Beine löse, lässt auch er mich los und ich lande abrupt auf meinen Füßen. Atemlos. Gedankenlos. Kann nichts tun, außer zu starren. Und Dex starrt zurück. Seine Wangen sind gerötet, die Augen groß und rund und sein schwarzes Haar dank mir so zerstrubbelt, wie ich es noch nie gesehen habe.

Um irgendwas mit meinen Händen zu tun, die sich jetzt, wo sie sich nicht mehr um Dex schlingen, überflüssig anfühlen, will ich mir meine Mütze weiter über die Ohren ziehen. Doch da ist nichts, was ich fassen könnte außer meinen eigenen Haaren. Überrascht begreife ich, dass die weiße Kopfbedeckung im Schnee neben uns liegt. Sie muss mir vom Kopf gerutscht sein, ohne dass ich es bemerkt habe. Vorsichtig hebe ich sie auf, während Dex' Blick immer noch auf meiner Haut brennt.

„Wieso hast du das gemacht?", frage ich schließlich etwas zu schrill und zu empört. Nur mit Mühe kann ich unterdrücken, dass meine Stimme zittert.

„Was gemacht?" Dex zieht die Augenbrauen zusammen. „Du hast mich geküsst."

„Das war ganz klar deine Schuld", gebe ich patzig von mir, verschränke die Arme vor der Brust und füge nach einigen Sekunden hinzu: „Wieso hast du mich zurückgeküsst?"

Und dann – ich kann meinen Augen kaum trauen – grinst er. Dieser Gesichtsausdruck löst erneut den bescheuerten Wunsch in mir aus, meine Lippen auf seine zu drücken wie vor kaum einer Minute noch.

Doch bevor mein hormongesteuerter Körper schon wieder gegen meinen Verstand handeln kann, erwidert Dex: „Ich wollte dir einen Gefallen tun."

„Pah", mache ich. „Einen Gefallen? Das-das war einfach nur... widerlich." Ich weiß, wie wenig überzeugend ich klinge. Und Dex weiß es auch, denn sein Grinsen wird breiter.

„Tu nicht so, als hätte es dir nicht gefallen."

Ich schaffe es, die Augenbraue hochzuziehen und ihn trotzig anzusehen. Nimy meint immer, meine Blicke können töten, doch jetzt, wo diese Fähigkeit recht nützlich wäre, wirkt sie nicht so, wie sie sollte. Also sage ich: „Man sollte meinen, du kannst das besser, wo du doch jedes Wochenende eine andere mit nach Hause nimmst."

„Pass auf, was du sagst, Clem. Sonst bist du die nächste."

„Ich hab' keine Angst vor dir."

„Sicher?" Er senkt die Stimme und fährt sich betont lässig durch die Haare – aber ich sehe, dass seine Hand dabei ein wenig zittert. Ha! So viel zu Sicherheit.

„Sicher", meine ich und kann mein eigenes Lächeln nicht mehr unterdrücken.

Plötzlich zerreißen Schreie die kalte Luft und reflexartig mache ich einen Schritt von Dex weg. Drei kleine Bälger – vielleicht zehn Jahre alt – kreischen auf der anderen Straßenseite herum, während sie sich mit Schneebällen bewerfen.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Dex seinen Kopf wieder in meine Richtung dreht und auf einmal fühle ich mich, als hätte mir jemand mit einem Basketball die Fresse poliert. Und genau in diesem Moment schaltet sich mein Hirn wieder ein und ich begreife, dass ich ihn vorhin tatsächlich geküsst habe. Ach du Scheiße.

„Ich-"

„Also-"

Wir haben gleichzeitig das Wort ergriffen und sind gleichzeitig verstummt. Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen, doch ich blicke über Dex' Schulter hinweg, um ihm nicht direkt in die Augen sehen zu müssen.

„Ich sollte gehen", sage ich dann schnell und er nickt, bevor er noch einmal versucht, mit der rechten Hand seine wirren Haare in Form zu bringen.

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