47 - Noah

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NOAH

Da sitze ich also. Meine Beine baumeln von dem Barhocker und ich fühle mich noch kleiner als sonst, während ich meinem Cousin und seinen Freunden beim Billardspielen zusehe.

„Jetzt weiß ich auch, wieso ich nicht mehr Zeit mit dir verbringe", scherzt Jonathan und stößt mich mit dem Ellbogen an. „So wie du Trübsal bläst, hält es ja niemand mit dir aus."

Ich seufze. „Tut mir leid, es ist nur-"

„Maya?" Er zieht die Augenbrauen hoch und nimmt einen Schluck von seinem Bier. „Ehrlich, Noah, sie ist wundervoll. Aber kannst du nicht auch einmal ohne sie Spaß haben?"

Irgendwie sickern seine Worte nicht richtig zu mir durch, auch wenn ich weiß, dass er recht hat. Maya ist der Mensch, in dessen Gegenwart ich so unbeschwert lachen kann, dass mir die Tränen kommen. Sie gibt mir das Gefühl, perfekt zu sein, auch wenn ich weiß, dass ich es nicht bin. Wenn ich jemanden davon überzeugen müsste, dass es so etwas wie Seelenverwandte gibt, würde ich einfach auf Maya zeigen und sagen: „Siehst du die da? Das ist meine." Und es wäre Erklärung genug.

Aber dass wir irgendwann so sehr von unseren Seelenverwandten abhängen, ihnen beinahe ausgeliefert sind, ist eine andere Sache. Ich fühle mich durch diese Erkenntnis plötzlich wie vor den Kopf gestoßen.

Wann hatte ich das letzte Mal – ohne Maya – so richtig Spaß?

Wie aufs Stichwort fordert mich nun Mike, einer von Jonathans Freunden, auf: „Komm schon, Mann. Du kannst ja wenigstens eine Runde mitspielen. Wir beißen nicht."

„Okay", meine ich schließlich und hüpfe vom Barhocker herunter. Ob ich mir selbst oder den anderen beweisen will, dass ich kein Langweiler bin, der ohne seine Freundin nicht zurechtkommt, weiß ich nicht, aber es fühlt sich gut an, auf einmal irgendetwas zu tun.

„Klasse", ruft Jonathan und klopft mir auf den Rücken. Er ist ungefähr um einen Kopf größer als ich, aber wir haben dasselbe rötliche Haar und laut Maya ein ähnliches Grinsen. „Soll ich dir ein Bier bestellen?"

„Mir reicht das Cola, danke." Ich mag Bier nicht besonders und einmal mehr fühle ich mich mit meinen siebzehn Jahren wie ein Kind. Die anderen hier sind alle einundzwanzig oder älter, ich bin also definitiv das Nesthäkchen.

„Komm schon, Nathan. Du bist dran."

Mein Cousin dreht sich Richtung Billardtisch und überlegt nicht einmal zehn Sekunden lang, bevor er die rote Kugel mit der Nummer 15 versenkt. „Wir beginnen gleich ein neues Spiel, dann kannst du mitmachen."

„So zuversichtlich hab' ich dich lange nicht erlebt", kommentiert Mike spöttisch.

„Ich hab' heute ja nicht umsonst meinen Glücksbringer dabei." Ich werde stutzig, als Jonathans Augen nicht zu mir, sondern zu der jungen Frau, die auch mit von der Partie ist, wandern. Sie ist gerade in ein Gespräch mit einem anderen Freund vertieft und bemerkt den Rotschopf, der sie anstarrt, nicht einmal. Interessant. Darauf komme ich später bestimmt noch zurück.

Mit einem lauten Klack-Geräusch prallt die weiße Kugel an der Bande ab und setzt die Nummer 6 in Bewegung, welche kurz darauf auch die schwarze 8 einlocht.

Mike pfeift anerkennend. „Okay, ich muss zugeben, dein Glücksbringer hat mehr Vorzüge als ich dachte."

Ich will zu einer Frage ansetzen, immerhin hat Jonathan mir seine Freundin – falls sie das ist – nur als Nicole vorgestellt. Davor hat er sie noch nie erwähnt. Aber genau in diesem Moment treten Nicole und David an den Billardtisch heran. Ehe ich mich versehe, ist ein neues Spiel aufgebaut, ich halte einen dieser komischen Stöcke in der Hand und habe absolut keine Ahnung, was ich da eigentlich tue.

FeuerwerkWhere stories live. Discover now