64~ Wie wir in einer blinden Kuh essen

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Sinja:

"Okay, wo in diesem Kaff gibt es nun was anständiges zu essen?", fragt Finn während er seinen Blick über die Häuser schweifen lässt. Ich lege den Kopf schief und durchforste meine Erinnerungen nach einem angenehmen Ort, wo wir uns den Bauch vollschlagen könnten.

Zu meiner Überraschung taucht kurzerhand auch wirklich ein Bild vor meinem inneren Auge auf und ich muss grinsen. "Weisst du was? Ich habe da so eine Idee", schmunzle ich geheimnisvoll und beschleunige meine Schritte, winke dabei aber mit der Hand, damit Finn sich seiner Aufgabe bewusst wird, es mir gleichzutun.

Zögerlich folgt er mir schliesslich und ich lotse ihn durch einige Gassen und Wege, bis wir endlich am Ziel angekommen sind. Die blinde Kuh steht feierlich auf einem Schild vor der schweren Holztüre, welche den Eingang zu bilden hat.

"Und was genau ist das?", fragt der Grauäugige neben mir und mein Grinsen wird noch ein Stück breiter. "Lass dich überraschen..."

Mit diesen Worten öffne ich die Tür und trete in den düsteren Raum ein, welcher den Empfang bilden sollte. Ein Mann mit einer dunklen Sonnenbrille steht dort und lächelt in unsere Richtung. "Herzlich willkommen in der blinden Kuh, wie kann ich Ihnen behilflich sein?", fragt der bereits ein wenig ältere Herr und meine Füsse machen kurzerhand halt vor ihm.

"Hallo Fred, wie geht es dir?", frage ich und lächle ihn an, wobei mir durchaus bewusst ist, dass er dies nicht konstatieren kann. "Sinja Archer?", fragt er überrascht und ich nicke automatisch, füge dann aber noch ein ja hinzu, was ihm ein Schmunzeln entlockt.

"Es ist schön, deine Stimme wieder einmal zu hören. Früher sind du und den Vater jede Woche bei uns vorbeigekommen, weshalb ich mich jetzt natürlich sehr über deine Anwesenheit freue....und dir herzliches Beileid deines Verlustes wegen wünsche. Aber ich denke, dir ist durchaus bewusst, dass er nun einen besseren Platz im Himmel beherbergt, als dass er es auf der Erde, in seinem Zustand könnte", sagt Fred in ruhigem Ton und ein kleiner Funke der Dankbarkeit steigt in meiner Brust auf.

"Danke Fred...aber ich bin natürlich nicht grundlos hier. Ich würde gerne einen Tisch für zwei haben. Wäre noch irgendwo ein Plätzchen für uns frei?", hake ich vorsichtig nach und der alte Mann nickt lächelnd. "Natürlich meine liebe. Wer ist denn dein Besuch hier?"

Er wendet sich ungefähr in Finns Richtung, der bisher nur stumm neben mir gestanden hat, sich jetzt aber räuspert. "Hallo, mein Name ist Finn und ich äh bin...ein Freund von Sinja." Er wirft mir einen kurzen Seitenblick zu, bevor er sich wieder an Fred wendet.

Dieser nickt langsam "ein Freund also...", murmelt er leise. Dann kramt er zwei Speisekarten aus einer Schublade und hält sie in die leere Luft. Dankbar nehme ich sie an, während Finn dies aber eher zögerlich tätigt. "Müssen wir bereits hier bestellen?", erkundigt er sich konfus und ich nicke.

In diesem Moment klingelt das Telefon des Empfang und Fred tastet rasch danach, um es noch rechtzeitig zu erwischen. Ich wende den Blick von dem älteren Mann ab und fokussiere mich wieder auf Finn und dessen Frage. Irgendwie ist es interessant, zu beobachten, wie meine gesamte Konzentration sich schlagartig auf ihn beschränkt, wenn er etwas sagt, sich bewegt oder auch bloss in mein Sichtfeld tritt.

Jedes mal wenn er lächelt, kann ich nicht anders, als wie eine verrückte Zuckerbohne zu grinsen, mir die Welt anzusehen und dabei nichts schlechtes oder störendes zu bemerken. Aus irgendeinem Grund schafft Finn es unbewusst, mir all die schönen Dinge im Leben und auf dieser Welt zu zeigen.

Erst jetzt geht mir auf, dass er mich immer noch abwartend mustert und peinlich berührt über mein Abschweifen räuspere ich mich.

"Äh, Jepp, darum heisst es auch blinde Kuh...Wir werden bald in einen komplett dunklen Raum geführt, in welchem uns das Essen schliesslich serviert werden wird", erkläre ich die Situation und muss ein amüsiertes Kichern ausstossen, als mir seine Gesichtsausdruck vor Augen gehalten wird.

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