dazwischen gefunkt (+Glossar)

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Kapitel 13


Den Sonntag verbrachte Laura zum größten Teil in ihrem Bett und kam nur hervor, um sich und ihrer Mutter etwas zu essen zu machen. Ab und zu glaubte sie, ein Tier um ihr Haus herum schleichen zu sehen. Doch anstatt Panik zu bekommen, fühlte sie sich seltsamerweise beschützt. Dass ihr Wagen auf wundersamer Weise plötzlich wieder vor ihrem Haus stand fiel ihr erst am Abend auf – sie hatte sich schon damit abgefunden, sich ein Taxi rufen zu müssen.Der nächste Morgen schien wieder in seinem gewohnten Trott zu verlaufen. Melissa, ihre alte Schulfreundin, kam mit ihrer Tochter Carly die ganz aufgeregt plapperte und sich schon riesig auf ihre neuen Schulkameraden freute. Auch Laura war etwas nervös als sie auf dem Parkplatz des Kindergartens hielt, dessen Parkplätze sich die Angestellten der High-School, der Junior High und der elementary School teilten. Eine so kleine Stadt wie Black-Water konnte schon zufrieden sein, überhaupt eine High-School zu haben. Carly war schon aus dem Auto gesprungen und mit einem kurzen „Tschau" losgestürmt bevor Laura den Motor hatte ausstellen können. Für einen kurzen Augenblick sah Laura dem Mädchen lächelnd nach und der Wunsch endlich selber Kinder zu haben drängte sich schmerzhaft an die Oberfläche. Sie schüttelte den Kopf, sagte sich, dass sie noch jung sei und genug Zeit hatte und konzentrierte sich auf ihre eigene Arbeit.

Aber der Tag ging nicht halb so friedlich weiter wie er begonnen hatte. Bereits im Flur der Kindertagesstätte begegneten ihr drei unbekannte Frauen die Kleinkinder auf den Arm hatten. Es waren Frauen aus dem Rudel, das wusste Laura sofort. Allerdings nicht weil sie diese in der Bar gesehen hatte, sondern weil eines der Kleinkinder in Wolfgestalt war und sich fest an die Brust der Mutter presste.
Für eine lange Sekunde starrte Laura auf dieses unheimlich niedliche Bündel aus Fell und ihr wurde klar, dass sie nicht einfach Kinder wollte. Sie wollte ein Wolfjunges und noch bevor ihr das richtig klar wurde, spürte sie, wie ihre Wangen sich aufheizten. Von wem sie diese Wolfkinder bekommen würde schien innerlich schon festzustehen. Gott, wie konnte der Mann nur bereits jetzt einen solchen Einfluss auf ihr Leben haben, ohne ihm wirklich zuzustehen überhaupt ein Teil davon zu sein? Er mogelte sich einfach hinein und sie konnte es nicht aufhalten.
„Sind Sie Laura Mils?", fragte einer der Frauen, dessen kleine Tochter an ihren Daumen nuckelte und still an ihrer Schulter lag und Laura nickte etwas verwirrt, aber die Frau lächelte sofort und gab ihr die Hand.
„Ich bin Halley, das sind Josephine und Myra. Wir wissen, dass wir nicht angemeldet sind, aber wir würden unsere Kinder dennoch gerne in Ihre Obhut geben", sagte sie, aber noch bevor Laura darauf etwas erwidern konnte kam eine ältere Kollegin dazwischen und schüttelte bereits eindringlich den Kopf.
„Tut mir leid, ich sagte bereits, unsere Gruppen sind voll. Vielleicht finden wir nächstes Jahr einen Platz für ihre Kinder", entfuhr es ihr und Laura legte die Stirn in Falten. Das war Unsinn. Der Kindergarten war klein und in den Gruppen war mehr als genug Platz für weitere Kinder. Und das wusste auch Lisbeth, die schon länger in diesem Kindergarten arbeite als alle anderen und somit das Sagen hatte. Und diese Lüge kam ihr nicht leicht von den Lippen. Lisbeths Wangen wurden etwas wärmer und sie betrachtete Laura immer wieder nervös, als befürchtete sie, Laura würde sie aufliegen lassen. Für einen kurzen Moment dachte Laura tatsächlich darüber nach, aber sie ahnte, dass sie damit den falschen bloßstellen würde. Stattdessen zog sie Lisbeth am Arm etwas fort um ungestört mit ihr reden zu können.
„Bitte entschuldigen Sie uns für eine Sekunde", meinte Laura nur freundlich zu den Müttern und blickte ihre Kollegin ernst an als sie den gewünschten Abstand zwischen sich und den Müttern bekommen hatten.
„Okay, seit ich denken kann, bist du eine furchtbare Lügnerin und selbst ein Blinder wüsste, dass das gerade Schwachsinn war. Also frage ich dich nur einmal und ich will eine ehrliche Antwort: Wer ist hier das diskriminierende Arschloch? Du oder Duslaski?" fragte Laura in einem so harschen Ton, wie ihn Lisbeth wahrscheinlich noch nie von ihr gehört hatte. Als diese nur einmal tief Luft holte und den Müttern und Kindern einen traurigen Blick zuwarf, wusste Laura, dass ihre Kollegin damit nichts zu tun hat.
„Ich habe eine Standardanfrage an Misses Duslaski gestellt, wie immer, wenn Mütter sich neu anmelden wollen und Mister Langfield hat mich angerufen und gemeint, ich solle sie wegschicken", meinte Lisbeth und bestätigte damit lediglich einen miesen Verdacht, obwohl es gar nicht nach Abigail Duslaski klang bares Geld abzulehnen. Nein, natürlich steckte Langfield dahinter. Dieser Dreckskerl kann es nicht leiden wenn sich jemand gegen ihn auflehnt und egal was zwischen William und Konstantin vorgefallen war: Das hier war das Resultat.
„Aber, Laura!", unterbrach Lisbeth sie bei ihren Gedanken, „Es kommt noch schlimmer, er hat unter Androhung von Entlassungen gefordert, dass wir die Verwandlungsrichtlinien durchsetzen sollen und damit die Wolfskinder nach Hause schicken sollen, wenn sie sich nicht an das Verwandlungsverbot halten. Es ist furchtbar!", murmelte sie und klang tatsächlich vollkommen verzweifelt.
„Und das hat dir William Langfield gesagt und nicht Misses Duslaski?", fragte Laura, die noch während der Schilderung eine Lücke gefunden hat. Lisbeth schüttelte den Kopf und sah sie an, als wunderte sie sich über Lauras Gelassenheit und dazu hatte sie auch guten Grund. Laura lächelte und hielt ihrer Kollegin aufmunternd beide Hände.
„Das Misses Duslaski die Anfrage nur Monate später beantwortet ist ja nichts Unübliches und egal was William Langfield sagt, es spielt keine Rolle. Er hat das nicht zu bestimmen, weder wen wir hier aufnehmen noch wie wir Richtlinie durchzusetzen haben."
„Aber er ist der Bürgermeister!", widersprach Lisbeth immer noch mit zittrigen Händen. Laura drückte sie aufmunternd. Sie konnte es nicht leiden, dass dieser Mistkerl bereits als Bürgermeister gesehen wurde obwohl die Wahlen erst Ende dieses Monats stattfanden. Es hatte sich in der gesetzlichen Frist kein Gegenkandidat gemeldet, also wird das eine Wahl mit nur einem Namen auf dem Stimmzettel.
„Ist er nicht. Noch nicht. Und selbst wenn: das hier ist ein privat geführter Kindergarten und er hat dabei nichts zu melden! Da Misses Duslaski nicht erreichbar ist, wie immer, wirst du das Hausrecht ausführen und diesen Frauen bei der Eingewöhnung ihrer Kinder helfen und ich zieh meine Pause vor und sorge dafür, dass dieser Schwachkopf hier keinen weiteren Terz veranstaltet und die Kinder verunsichert!" meinte Laura und für einige Sekunden sah Lisbeth sie an. Lächelte dann matt und warf ihr dann doch noch einen strengen Blick zu.
„Du kannst den zukünftigen Bürgermeister nicht einen Schwachkopf schimpfen, Laura! Denk an die Kinder!", sagte sie und strahlte damit so viel Autorität aus, dass Laura breit grinste, salutierte und ein „Ja. Ma'am!" von sich gab, bevor sie gemeinsam zu den drei Frauen gingen.
„Es gab ein Missverständnis. Bitte füllen Sie die Formulare aus und dann sehen wir zu, dass sich die Kleinen erst einmal zurechtfinden", meinte Lisbeth und die Frauen lächelten dabei breit und vor allem: wissend. Nacheinander warfen sie Laura einen anerkennenden Blick zu und nickten ihr dankbar zu. Sie hatten es wohl doch gehört, Laura hatte das gute Gehör der Gestaltwandler vergessen. Aber sie behielt ihr Schauspiel dennoch bei und konnte es sich nicht nehmen lassen, das kleine Mädchen anzulächeln, die das Grinsen erwiderte ohne den Daumen aus dem Mund zu nehmen.
Dann ging sie wieder nach draußen, straffte ihre Schultern und stampfte über den Parkplatz zur Straße. Das Büro des Bürgermeisters – und Laura war sich sicher, dass der Arsch dort sein würde – war nur zwei Straßen entfernt und es würde schneller gehen, wenn sie einfach hinlief und so war sie – dank der freigeräumten Straßen – schneller dort, als sie ihren Wagen hätte starten können.
Anstatt sich, wie üblich, sich im Gemeindehaus zuerst bei der füllige Dame an der Anlaufstelle zu melden, stieg Laura einfach die steinernen Treppenstufen hinauf und ignorierte die Rufe der Dame hinter der Anmeldung und die Androhungen des Sicherheitsdienstes. Laura kannte den Beamten, der hier Wache hielt. Er würde länger brauchen die Stufen heraufzukommen als Laura brauchen würde, um William die Leviten zu lesen. Abgesehen davon kannte sie den Weg, schließlich war das mal das Büro ihres Vaters gewesen. Sie ging in die erste Etage, huschte den Gang entlang und sah, wie die prächtige Flügeltür des Schmucksaales vor dem eigentlichen Büro offenstanden und schlüpfte hinein. Sie zog sich den Schaal herunter, verstaute ihre Handschuhe in der Jacke und riss die Tür zum Büro auf, wo dieser Mistkerl rauchend und lachend auf der Kante des Bürotisches saß. Ihm gegenüber saß ein ziemlich verdrießlich aussehenden Fred Andrews, der Besitzer der einzigen Autowerkstatt in der Stadt. Was hatte Draleys Vater hier zu suchen? Sie kannte ihn kaum, hatte ihn nur ein paar Mal gesehen, schließlich war sie mit seinem Sohn zur Schule gegangen, aber richtig miteinander warm geworden waren sie nie. Fred hatte ihren Vater nicht leiden können und obwohl ihn das hätte sympathischer werden lassen müssen, war er auch sonst eher ein distanzierter Mensch.„Laura", entfuhr es William überrascht, aber sie hob die Hand um sich und auch ihm weitere unnötige Höflichkeiten zu ersparen. Sie war nicht hier um Smalltalk zu führen.
„Wenn du versuchst mit rassistischen Manövern Konstantin aus der Reserve zu locken, dann solltest du das mit ihm direkt klären sofern du dich das traust und deinen Launen nicht hinterrücks an jungen Müttern und ihren Kleinkindern auslassen. Das ist selbst so tief unter deinem Niveau, dass ich tatsächlich kurz überrascht war. Du hast in NewYork dazugelernt wie ich sehe. Weltoffenheit gehört aber anscheinend nicht dazu, deine Ansichten sind noch genauso beschränkt wie vor fünf Jahren." Er rutschte vom Tisch, schien er überrascht, doch dann wurde er langsam wütend. Doch als er etwas sagen wollte, hob sie wieder die Hand.
„Nein, William, du bist noch kein Bürgermeister. Nur ein namenloser niemand wie wir anderen auch und du hast keinerlei Befugnis in ein privates Unternehmen einzugreifen. Also wenn du noch einmal versuchst dich in die Betreuungsaufnahme von einem Kindergarten einzumischen und den Erzieherinnen mit Entlassungen drohst falls sie kleine Kinder nicht vor die Tür setzen sollten, bist du schneller wegen unerlaubter Einflussnahme, Erpressung, Nötigung und Amtsmissbrauch wieder von deinem Thron verbannt, als du ihn hast besetzen können. Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, Mister Langfield!" Den letzten Satz sagte sie mit so viel Liebenswürdigkeit, dass es ihren offensichtlichen Zorn in den Sätzen davor Lügen strafte. Aber Laura war sich sicher, dass deutlich geworden war, welches der beiden Gefühle nur geheuchelt war. Zumindest drehte sie sich wieder um und sah gerade den alten, fettleibigen Beamten in den Schmucksaal eilen. Wie aufs Stichwort.
„Danke, dass Sie mich begleiten wollten, aber ich finde alleine hinaus!", murrte Laura nur, doch natürlich war das noch nicht alles. Sie hörte, wie William ihr wütend nacheilte und sah wie er die Hand nach ihrer Ausstreckte um sie zurückzuziehen. Nur mit Glück war Laura schneller und konnte diesen unerwünschten Hautkontakt vermeiden.
„Du wagst es so mit mir zu reden?", fragte William wütend. Seine Augen sprühten regelrecht vor Zorn und Laura war sich sicher, dass er noch wesentlich aufgebrachter war, als er sich ansehen ließ. Eines musste man ihm lassen: Er war der Meister der Selbstbeherrschung, an dem Mann konnte man sich Frostbeulen hohlen. So intensiv wie nie zuvor wurde ihr vor Augen geführt, dass Laura sich geirrt hatte. William und Konstantin waren sich gar nicht ähnlich. Sie mochten zwar beide Arrogant und ziemlich Besitzergreifend sein, aber Konstantin war nie kalt. Wenn William Eis war, war Konstantin Feuer und sie hatte lieber eine Heizung in ihrem Leben als einen verdammten Kühlakku.
„Ja, tue ich. Nicht jeder Tanzt nach deiner Pfeife, William. Ich nicht und diese Stadt wird es auch nicht, auch wenn du zweifellos versuchen wirst wie Cesar persönlich zu herrschen", gab sie gelassen von sich. Und mit einer erhabenen Handbewegung schickte William den Wachmann fort, der nur etwas verwundert zwischen ihnen hin und her starrte. Fred Andrews aber konnte man nicht einfach fortschicken.
„Ärger im Paradies?", fragte der Werkstadtbesitzer und als Laura kurz zu dem Mann sah, erkannte sie in Freds Augen dieselbe Verachtung, wie er sie gegenüber ihrek Vater empfunden hatte. Aber sie galt, zu ihrem erstaunen, nicht ihr, sondern William. Als sie hereingeplatzt war, hatte sie der Situation nicht genügend Beachtung geschenkt um sie mehr als flüchtig zu bewerten. William hatte sich grinsend und gelassen gegeben, als würde er mit einem alten Kumpel zusammen sitzen, aber das beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. William war ein hervorragender Schauspieler und das stellte er auch in diesem Moment unter Beweis. Er schluckte seine Wut herunter und lächelte sie liebreizend an.
„Liebling, ich bin mir sicher was auch immer dich verstimmt hat, dass können wir..."
„Oh bitte lass den Unsinn, Langfield. Ich bin nicht deine Verlobte und auch nicht dein Liebling, wir haben uns vor fünf Jahren getrennt und seitdem hat sich nichts verändert. Wenn du in der Stadt das Gegenteil herumerzählst fällt das dir auf die Füße, nicht mir. Einen schönen Tag!", murrte sie und nickte Fred respektvoll zu, der die Geste erwiderte, allerdings ohne sich ihr gegenüber sichtlich zu erwärmen. Vielleicht änderte sich das irgendwann, aber fürs Erste genügte es ihr, einen friedlichen Arbeitstag zu verbringen.

Die Rückkehr des Wolfes- Alaska Werewolves Bd. 1Where stories live. Discover now