Schwärmerei und Mutter-Tochter Gespräche

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Der einsame Wolf


In den dunkelsten aller Nächte, vor Anbeginn der Zeit, da gab es einen einsamen Wolf, der durch die Wälder zog. Ausgehungert und fast erfroren setzte er seinen Weg fort, begleitet von dem runden silbernen Vollmond. Er wusste, dass er sterben würde. Ohne Rudel, ohne Familie und ohne die Aussicht andere Artgenossen zu finden. Da kam er zu einer Siedlung der Menschen.
Zwei Nächte beobachtete er sie und beneidete, dass sie einander hatten und wünschte sich zu ihnen zu gehören – zu irgendjemanden zu gehören. Die Mondgöttin Luna, von den Menschen wegen ihrem Trost spendenden Licht in der Nacht verehrt, hatte Mitleid mit dem einsamen Wolf und stieg herab um die Menschlichkeit in ihm zu testen. Besäße er sie, würde er unter den Menschen ein neues Zuhause finden. Hatte er sie nicht, müsste er weiter als einsamer Wolf sein Leben fristen.Also legte sie sich in der dritten Nacht in Gestalt einer jungen Frau auf einen zugefrorenen Stein und gab sich kränklich und schwach. Der Wolf bemerkte sie und hielt sie für einen Menschen. Er beobachtete sie, wie sie verloren in der Nacht lag und wartete darauf, dass ihr Familie kam um ihr zu helfen, doch da kam niemand.
Also ging der Wolf zu ihr und legte sich neben sie in den Schnee, denn er wusste, wie empfindlich die Menschen waren und teilte mit ihr seine Beute, obwohl er selbst nicht viel hatte. Als Belohnung gab die Mondgöttin Luna ihm die Gestalt eines Menschen und lächelte ihn an, als sie verkündete er könne sich nun unter den Menschen bewegen und seine Einsamkeit beenden.
Doch der Wolf war irritiert, zwar hatte er sich eine Familie gewünscht und die Menschen beneidet, aber er hatte kein Mensch werden wollen und bat die Mondgöttin ihn wieder zurückzuverwandeln. Diese aber sagte ihm, dass er sterben könnte, wenn er weiterhin alleine blieb und sie ihm unbedingt helfen wollte, doch dem Wolf war das egal. Schweren Herzens verwandelte die Mondgöttin ihn zurück in einen Wolf und kehrte in ihren Himmel zurück.
Als der Winter schlimmer wurde, die Nächste länger und der Wolf drohte zu sterben, kehrte die Mondgöttin zu dem Wolf auf die Erde zurück und fragte ihn noch einmal, ob er nicht doch ein Mensch würde sein wollen. Doch wieder lehnte dieser ab. Er erklärte ihr, wie gern er ein Wolf war, wie sehr er die Natur liebte und wie schön es war Nachts durch die Wälder zu streifen und er sagte, dass er keine Angst vor dem Tod hatte und gestand ihr, dass er sich auch nicht mehr alleine fühlte, seit er sie kennengelernt hatte.
Zu tiefst berührt machte die Mondgöttin ihm ein weiteres Angebot, dass er jederzeit zwischen den Gestalten würde wechseln können, wenn er sich doch nur endlich helfen ließe. Darin willigte der Wolf ein. Doch als er zu den Menschen kam und diese nach einiger Zeit erfuhren, dass er sich in einen Wolf verwandelten konnte, jagten sie ihn davon und er ging erneut zum verschneiten Stein und bat die Mondgöttin darum, ihr Geschenk zurückzunehmen. Tief betrübt über die Erfahrungen des Wolfes kehrte die Mondgöttin erneut zu ihm zurück und wusste diesmal nicht, wie sie ihn helfen könnte. Der Wolf brauchte eine Familie, ein Rudel das so war wie er. Sie suchte nach anderen Wölfen, aber er war wie zu Beginn allein. Daraufhin beschloss die Göttin selbst in dem sterblichen Körper zu verweilen und bei ihm zu bleiben. Und so lebten sie zusammen in der Wildnis und die Göttin, in der nun selbst ein sterbliches Herz schlug, verliebte sich in den Wolfs-Mann und schenkte ihm viele Kinder, die ebenfalls zwischen Wolf und Mensch wechseln konnten.
Der Wolf bekam seine Familie und als er alt und krank wurde und starb, war die Göttin so betrübt von seinem Ableben, dass sie in den Himmel zurückkehrte aber schwor zu ihren Kindern zurückzukehren, wenn ein Wolf sich als menschlich erweisen würde und würde diesem Wolf Liebe, Wärme und eine Familie schenken.
Seitdem gibt es die Lunas. Frauen, die ein Teil des zerbrochenen Herzens der Mondgöttin besitzen. So erfüllt mit Liebe und Glück, dass es nur für einen Wolf schlug, der dieser Liebe würdig war.

-aus dem Buch: „Unsere Geschichten" gesammelt von James Andersen

Kapitel 16
Am Dienstagabend ging es ihrer Mutter schlechter, doch Laura weigerte sich, sich darüber Sorgen zu machen. Ihre Mutter schaffte es einfach immer sie in diesem Zwiespalt zwischen Wut und Trauer festzuhalten. Ihre Mutter war wegen dem Krebs und vor allem wegen diesem Tumor im Kopf unausstehlich, aber damit konnte Laura leben. Mit ihren Lichten Momente nicht. Die Stunden in denen ihr klar wurde, dass sie neben ihrem Leben auch sich selbst verlor und auf Laura dennoch unausstehlich wirkte. Ihre Mutter war keine Heilige gewesen, ähnlich wie ihr Vater war sie zwar eine gute Mutter aber keine wirklich angenehme Frau. Aber wer ist schon perfekt?„Du bekommst Besuch?", fragte sie in einem halben Delirium, bei dessen Intensität sie sich wunderte, dass sie überhaupt reden konnte. Ihre Morphindosis war so hoch wie selten zuvor und sie wusste, das sie nicht wieder heruntergehen würde. Es ging zu Ende und das Einzige, was sie tun, konnten war sie so sehr mit Schmerzmittel vollzupumpen, dass sie nicht mehr mitbekam.
„Woher weißt du das?", fragte Laura und schloss das Fenster neben ihrem Bett. Die Sonne ging unter, zu dieser Jahreszeit besonders früh und das letzte, was ihre Mutter brauchte, war eine Lungenentzündung.
„Du bist geschminkt. Du bekommst Besuch. Und es ist nicht William", hauchte sie.
„Es ist der Wolf" Eine Feststellung. Es war keine Frage. Ihre Mutter war zwar anstrengend, mit oder ohne Tumor, aber sie war nie dumm gewesen und was noch wichtiger war: Sie kannte ihre Tochter.
„Mum, ich weiß, dass du davon nichts hältst, aber ich mag ihn irgendwie. Er ist störrisch und manchmal sehr ungehobelt aber das bist du auch", meinte Laura und lächelte ihre Mutter aufmunternd zu. Kristina Mils nahm die Hand ihrer Tochter und erwiderte das lächeln.
„Das Letzte was ich will ist, dass du alleine bist, wenn ich gehe", sagte sie und für einen Moment erstarrte Laura und spürte, wie sich ihr ein Kloß in der Kehle bildete. Sie kämpfte für einige Sekunden mit sich und ihren Gefühlen bevor sie es schaffte ihre Mutter wieder anzusehen. Das sie es dachte war eine Sache, es zu hören eine andere. Es tat weh. Sehr sogar.
„Du musst dir um mich keine Sorgen machen", sagte Laura. Es war lächerlich, dass eine totkranke Frau sich um ihre kerngesunde Tochter mehr Sorgen machte als um sich selbst.
„Natürlich muss ich das, ich bin deine Mutter. Ich sorge mich um dich seit deinem ersten Atemzug. Eigentlich schon davor", murmelte sie weiter und Laura blieb auf dem Bettrand sitzen, weil sie wusste, was jetzt kam. Eine Geschichte.
„Dein Vater wusste sofort, dass du ein Mädchen werden würdest. Er ist während meiner Schwangerschaft durch die Länden gelaufen und hat alles gekauft, was ein Mädchen haben sollte. Schleifen und Kleider und Puppen aber am stolzesten hast du ihn gemacht als du beim Schießen mehr Treffer gelandet hast als er. Ich glaube, er wollte dennoch immer einen Jungen, bis er festgestellt hatte, dass ein Mädchen cooler war als ein Junge. Du konntest seine Prinzessin sein und ihm gleichzeitig beim Schießen schlagen. Ich will, dass du genau so einen Mann bekommst", meinte sie. Ihre Geschichten enthielten immer eine Lehre und Laura musste sich dazu zwingen, dass sie kein Kommentar dazu abgab. Ja, ihr Vater war ein guter Vater gewesen aber ein verdammt übler Mensch. Schlimmer als ihre Mutter. Sie wollte einen Mann, der ein guter Mensch war und ein guter Vater.
„Ich bin seine Luna, Mum", sagte sie und versuchte damit etwas zum Ausdruck zu bringen was sie selbst noch nicht verstand. Sie hatte die Geschichte gelesen und wusste dennoch nicht wirklich, was sie davon halten sollte. Sie war eine Art göttliche Auserwählte, die Konstantin lieben sollte. Konstantin war tatsächlich irgendwie liebenswert und nach allem, was sein Rudel durchgemacht hatte, hatte er das definitiv verdient. Und obwohl sie an so etwas wie Götter und Schicksal nicht glaubte, spürte sie die Verbindung. Ob nun Chemie oder Schicksal, das Gefühl was sie hatte, wenn sie bei ihm war, war verstörend intensiv. Aber es war da und das konnte sie nicht ignorieren.
Abgesehen davon, welche Frau wollte denn nicht das ein unverschämt attraktiver Mann wie Konstantin Hunt sie als Göttin betrachtete? Es war albern sich gegen so etwas zu wehren.
„Das bedeutet gar nichts. Das hat was mit ihm zu tun, nicht mit dir!", sagte ihre Mutter und Luna, die ihr gerade hatte erklären wollen was es mit der Bezeichnung auf sich hatte, sah ihre Mutter forschend an.
„Du weißt, was eine Luna ist?", fragte sie und Kristina lächelte ihre Tochter milde an.
„Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht, du bist nicht die erste Luna die ich kenne. Aber du bist ein Mensch, also kannst du dich durchaus in jemand anderen verlieben. Glaub mir, du kannst glücklich werden, ohne diesem Unsinn nachzugeben und..."
„Wer war es vor mir?", fragte Laura, denn es war ihr egal, ob sie es tun musste oder nicht. Es änderte nichts daran, dass sie Konstantin ehrlich zugeneigt war, auch wenn er sich manchmal unmöglich benahm.
„Eine Freundin. Es ist lange her und ich habe sie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Sie war bereits verheiratet, als dieser Wolf auftauchte und meinte, sie sei seine auserwählte Gefährtin, seine Luna. Aber sie war bereits verliebt. Sie wollte den Wolf nicht", sagte sie und griff nach Lauras Hand.
„Für die Wölfe mag diese Lunasache etwas Heiliges zu sein, etwas Perfektes. Aber das ist es nicht. Perfekte Menschen gibt es nicht und auch keine perfekten Gestaltwandler. Es wird hunderte Dinge geben die dich an ihm stören und die dich an dieser Beziehung zweifeln lassen. Es ist nichts Magisches, es ist nur", sie stockte um nach der richtigen Bezeichnung zu suchen und Laura wartete geduldig, „Es ist nur eine biologische Sache. Du kannst dich dagegen entscheiden", sagte sie weiter und obwohl es ihr etwas Wind aus den Segeln nahm, änderte es nichts. Auch wenn die Tatsache das sie eine Luna war, ihr nicht automatisch das perfekte Glück versprach, war es dennoch etwas Besonderes. Sie hatte gespürt welchen Einfluss Konstantin auf ihre Gefühlswelt hatte und sie hatte nicht gelogen, als sie sagte, dass sie ihn mochte.
„Dann also keine Abkürzung zum Glück, damit kann ich leben", sagte sie und war verwundert, als Kristina dann tatsächlich nickte und sich Zeit ließ bevor sie wie gewohnt das Thema wechselte. Wie immer, wenn sie wusste, dass sie bei ihrer Tochter nicht weiter kam und keinen Streit provozieren wollte.
„Wie sieht er aus?", fragte sie und Laura sah ihre Mutter erstaunt an. Was sollte sie dazu sagen?
„Groß, sehr viel größer als ich. Vielleicht einsneunzig, dunkle Haare, unfassbar dunkle Augen, aber wenn er wütend wird, oder verzweifelt, nehmen sie ein wölfisches Grün an", schwärmte Laura und ihre Mutter lächelte während sie zuhörte.
„Er hat Ureinwohner irgendwo in seinem Stammbaum, seine Haut ist nicht so bleich wie meine."
„Dann würde ich also keine blonden Enkelkinder bekommen, so wie mit William", sagte sie und Laura schluckte ein ergebenes Stöhnen herunter. Wie konnte sie auch glauben, dass ihre Mutter das mit William aufgeben würde.
„Ja, Mum. Es wäre sehr unwahrscheinlich. Aber dafür würden sie sich in Wölfe verwandeln können und sie hätten den unermesslichen Vorteil William Langfield nicht als Vater zu haben. Obwohl nein, das nehme ich zurück, meine Kinder würden William Langfield niemals zum Vater haben!", entfuhr es Laura dann doch etwas zu laut. Ihre Mutter drehte ihr Gesicht weg, ihre Lippen waren fest aufeinander gepresst und ihr Gesichtsausdruck hart. Heute würde man von ihr wohl nichts entgegenkommendes mehr erwarten können, also ging Laura und zwang sich dazu sich auf den Abend zu freuen.

Beta: geany


Die Rückkehr des Wolfes- Alaska Werewolves Bd. 1Where stories live. Discover now