Familienleben

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Kapitel 30

Konstantin wusste, das Laura nervös war. Man sah er ihr zwar nicht an aber innerlich zitterte sie und ihre Hand hielt seine so fest umschlossen, dass es einem menschlichen Mann wohl Schmerzen bereitet hätte. Jedoch nicht ihm, er war ein Wolf und Laura könnte ihm beim lebendigen Leib das Herz aus der Brust schneiden, er würde nichts als Glück empfinden. Sie war seine Frau, seine Luna, sein Leben und in den letzten Tagen war er sich immer sicherer geworden, dass sie ihn ebenfalls mochte. Sehr sogar. Angesichts ihrer Trauer in den letzten Tagen sollte das hier ein schöner Abend werden. Seine Mutter freute sich sie kennenzulernen und seine Schwester hatte verkündet mit ihren Söhnen und ihrem Ehemann ebenfalls dabei zu sein. Jeder wusste das Lauras Mutter gerade erst verstorben war und würde sich um eine lockere Atmosphäre bemühen in der Laura sich wohlfühlte. Sie war nicht allein und das musste sie unbedingt wissen.
Für außenstehenden mag das merkwürdig klingen: Ein Familientreffen so kurz nach einem Trauerfall, aber so ging das Rudel mit Verlusten um. Es kam zusammen, erfreute sich am Leben schenkte Trost und Geborgenheit. Als ihr Mann war es Konstantins Aufgrabe ihr beizustehen und sie weinen zu lassen, für die Freude war der Rest des Rudels verantwortlich und das nahmen sie ernst. Dennoch wusste Konstantin, dass Laura das wahrscheinlich nicht gewohnt war und hatte ihr mehrfach nahegelegt, dass sie sofort gehen würden, wenn es ihr zu viel wurde.
„Nicht wenn du da bist", hatte sie ihm halb im Schlaf zu gehaucht und damit mehr Vertrauen bewiesen, als sie es je mit anderen Worten hätte sagen können. Er war dankbar dafür. Laura war wunderschön, sie war selbstbewusst und ein Familienmensch, vielleicht glaubte sie es selbst nicht einmal, aber sie war perfekt. So sehr, dass er sie auf der Stelle hätte auffressen können.
In den letzten zwei Tagen hatte er sie gewollt und sich dazu gezwungen Zurückhaltung zu bewahren, weil es nicht gut gewesen war. Er hatte ihr Verlangen gespürt aber auch ihren Widerstand gegen diese Gefühle, weil sie sich verletzlich fühlte. Er hatte ihr gesagt, dass es ihn nicht störte wenn sie sich mit ihm ablenkte, aber ihr ging das zu weit und das respektierte er. Es ging auch nicht anders, Laura würde ihm die Hölle heiß machen, wenn es anders wäre und er hatte definitiv nicht vor in den folgenden Nächten auf der Couch zu schlafen, nicht nachdem sie heute Morgen so wunderbar empfindlich auf ihn reagiert hatte.
Er hob die Hand um an die Tür seines Elternhauses zu klopfen, aber das war nicht nötig. Seine Mutter riss die Tür auf, ihre dunklen Augen und die wirren dunklen Locken schwangen in der Bewegung etwas nach, dann lächelte sie breit und betrachtete Laura als hätte sie nie etwas Schöneres gesehen.
„Oh bei der Göttin selbst, du bist wunderschön. Ist die Haarfarbe natürlich?", fragte sie und schien Laura umarmen zu wollen, zögerte aber. Die Wölfe waren freigiebig mit Körperkontakt, das hatte Konstantin ihr gesagt und Laura hatte ihm gesagt, das sie nichts dagegen hatte. Seine Luna lächelte breit und machte einen Schritt auf seine Mutter, was diese zum Anlass nahm Laura tatsächlich in den Arm zu nehmen.
„So ein wunderschönes Kind, willkommen in der Familie, Mondmädchen", hauchte sie und Laura schien ehrlich begeistert zu sein.
„Ja, die Haarfarbe ist echt", antwortete sie verspätet und wurde schon ins Haus gezogen, wo zwei junge Wolfswelpen um die Ecke wetzten. Der eine kaum dazu in der Lage auf allen Vieren zu gehen, der andere schon so sicher auf den Pfoten, das er rechtzeitig die Krallen in die Dielen rammte um die Kurve zu kriegen, während der Kleinere gegen ihn stieß.
„Mat! Daniel! Was hab ich euch über das Spielen im Haus gesagt?", schimpfte sie mit den Welpen, doch ihr Ton war eher erheitert als tatsächlich verärgert. Konstantin sah, wie Laura die vielen Kratzspuren in den Dielen betrachtete und die Kauspuren an dem Treppengeländer. Er lehnte sich von hinten zu ihr herunter und hauchte ihr ins Ohr.
„Entweder man reißt alle paar Wochen den Boden raus oder man lernt damit zu leben. Wir sind keine Katzen, wir können unsere Krallen nicht einziehen", meinte er leise und sie lächelte ihm entgegen während seine Mutter sie beide musterte.
„Es mag etwas unordentlich erscheinen, aber ich habe meine Enkel gerne bei mir, auch wenn es nur Chaos mit sich bringt", sagte sie und nahm Daniel auf den Arm, als sein älterer Bruder Mat durch die immer noch offene Tür an Laura und Konstantin in Wolfsgestalt nach draußen wetzte. Daniel war erst zwei Jahre alt, er konnte seine Verwandlung noch nicht steuern und rannte einfach irgendwelchen älteren Wölfen hinterher, wobei er sich jederzeit wieder in ein Kleinkind verwandeln konnte und das war gefährlich. Er musste im Haus bleiben.
„Hier, Kon, nimm deinen Neffen und las mich deine Luna entführen, dein Vater wird begeistert sein! So ein hübsches Mädchen, ich werde wunderschöne Enkel bekommen!" meinte sie etwas überschwänglich und Konstantin warf Laura einen entschuldigen Blick zu, als er den kleinen Welpen an sich nahm und sich an die Brust drückte, wo er begann seinen Hals abzulecken. Er war der Alpha, die Welpen beruhigte seine Anwesenheit besser als jede Gutennachtgeschichte, so ungern die Mütter das auch zugaben. Und als er auch schon an sie dachte, kam seine Schwester um die Ecke.
„Hallo Bruderherz, schön, dass ihr hergekommen seid", sagte sie, begrüßte Laura herzlich und trat dann beiseite als ihre Mutter sie aus dem Weg scheuchte um Laura mit sich zu ziehen. Sie schien nicht überfordert zu sein mit seiner sehr einnehmenden Mutter, ganz im Gegenteil, er fühlte Freude. Ihre Nervosität war verschwunden und übrig blieb ihre unbändige Freude, als wäre alles in Ordnung und sie hätte nichts verloren. Für den Moment sollte sie sich das behalten, sie brauchte das.
„Es ist furchtbar, was passiert ist", sagte sie so leise, dass es menschliche Ohren nie wahrgenommen hätten. Konstantin wiegte Daniel im Arm, der schnell die Augen schloss und begann vor sich hin zu dösen. Der missbilligen Blick seiner Schwester durchbohrte ihn kurz darauf.
„Das darf doch nicht wahr sein, du bist besser als Valium", meinte sie und nahm ihm den Jungen ab und drückte ihm bei dieser Gelegenheit ein Kuss auf die Wange. Margot war drei Jahre älter als er, sie respektierte ihn seit dem ersten Tag.
„Ich bin der Alpha, Zwerg.", meinte er so hochnäsig wie möglich und fing sich dann einen missbillige Blick seiner Schwester ein. Sie hatte ihn immer Zwerg genannt, bis er vierzehn wurde und seinen ersten Wachstumsschub bekommen hatte, danach begann er sich zu revanchieren.
Peter Williams kam um die Ecke, während Konstantin die Tür schloss und drückte ihm eine Bierflasche in die Hand.
„Euer Großvater hat mich wieder angeknurrt, ich glaube er verkraftet es immer noch nicht, dass ich ihm beim Schießen geschlagen habe", sagte er und hauchte seiner Frau Margot einen Kuss auf die Lippen und streichelte über die Schnauze seines jüngsten Sohnes.
Konstantin grinste breit, Peter war ein ehemaliger Navy Seal und hatte es geschafft eine herrische Wölfin zu zähmen und für sich zu gewinnen. Er war der erste Mensch im Rudel gewesen und hatte mit Margot ziemliche Schwierigkeiten meistern müssen. Sie alle hatten das und es hatte sich gelohnt. Er mochte seinen Schwager. Sehr sogar, er war ein verflucht guter Kämpfer und er war gerade in der Zeit der Rudeltrennung eine wertvolle Hilfe gewesen um die Mitglieder zusammenzuhalten.
„Warum musst du ihm das auch immer unter die Nase reiben? Du bist grausam", sagte Konstantin lachend. Sein Großvater war etwas altmodisch, für ihn musste ein Mann vor allem zwei Sachen können: Schießen und sich verwandeln. Er hatte nicht wirklich eine rassistische Einstellung, machte sich nur Sorgen, dass ein Menschenmann seine Enkelin nicht ausreichend beschützen konnte. Und dabei das Gegenteil bewiesen zu bekommen mochte er auch nicht wirklich. Dennoch war er ein guter Mann, derjenige der Konstantin gesagt hatte, dass er etwas unternehmen müsse gegen dieses gefährliche Gedankengut, das im Rudel seine Runden machte. Laura würde er lieben, da war er sich sicher, ob er das zeigen würde allerdings nicht.
„Der alte Dickschädel wird auch deine Frau anknurren, warte es nur ab! Und er wird euch damit in den Ohren liegen, wo seine nächsten Urenkel bleiben. Darauf freue ich mich besonders!", sagte Peter und grinste dabei boshaft. Da war er also: Der Moment, den sein Schwager ihn versprochen hatte als Konstantin ihn selbst damit aufgezogen hatte.
„Granpa, Margot hat immer noch kein neues Leben unter dem Herzen", hatte er seinem Großvater als Vorlage geliefert und sich bösartige Blicke von seiner Schwester und dessen Ehemann eingefangen. Damals fand er es unglaublich lustig, nun nicht mehr. Jetzt kam die Schadenfrohe aber dennoch liebevolle Retourkutsche.
„Oh ja, sie hat noch ein paar Monate Gnadenfrist aber danach seid ihr fällig!", stimmte seine Schwester mit ihrem Mann überein und sie gingen zusammen in die Küche, wohin Konstantin ihnen folgte. Laura saß in der Wohnstube an dem großen Esstisch und unterhielt sich mit seinen Eltern. Seine Mutter stellte ihr die ganze Zeit Fragen, umging aber das schmerzliche Thema einfühlsam und lächelte ständig, damit sie sich wohlfühlte.
„Kindergärtnerin ist ein wundervoller Beruf, Kinder sind das Wichtigste im Leben", meinte sie und Laura nickte voller Überzeugung als sein Großvater ein leises Brummen von sich gab. Der Alte saß in einem Schaukelstuhl mit einer Decke auf dem Schoß und nahm seinen Urenkel Daniel entgegen, als Margot ihn ihm hinhielt. Er war schon tief in den neunzigern und schien immer nur richtig wach zu werden, wenn er einen Welpen im Arm hatte.
„Sie soll mal herkommen Claire", sagte er mit zittriger aber fester Stimme und seine Mutter drehte sich zu ihrem Vater um und tätschelte Laura die Hand als sie sich erhob.
„Sei nett, Dad!", sagte sie und Konstantin fing sie ab bevor sie an seinen Großvater herantreten konnte.
„Lass dir nichts gefallen, sonst frisst er dich", sagte er und strich mit den Fingerknöcheln über ihre Wange. Sie nickte beherzt und legte für einen Moment eine Hand auf seine Brust.
„Ich komme schon klar", versicherte sie ihm und holte dennoch tief Luft, bevor sie in die Schlacht zog. Dennoch behielt Konstantin sie im Blick. Laura war gerade angreifbar und sein Granpa konnte hart in seinem Urteil sein.

Beta: Geany

Die Rückkehr des Wolfes- Alaska Werewolves Bd. 1Where stories live. Discover now