Angst

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Kapitel 51

Laura

Laura zuckte zusammen und drückte sich die Hand auf den Mund, während sie versuchte leise zu sein und nicht daran zu denken, was dieser Schuss bedeuten könnte. Was sie aber wusste, war, dass der dumpfe Aufschlag von einem Körper wohl der von William war. Während die schweren Schritte, die dann im Flur ertönten, kein gutes Zeichen waren.

Während ihr Plus raste und ihr Herz brutal gegen ihre Brust hämmerte, bewegte sich ihr Verstand nur langsam bis ihr einfiel, dass sie hier wegmusste. Schnell. Der Angreifer würde sie sicher nicht verschonen. Zeugen brauchte niemand. Auf leisen Sohlen ging sie in Richtung Küche, die sie erreichen konnte, ohne den Flur zu betreten. Dann erklang ein zweiter Schuss und sie zuckte abermals zusammen und erhöhte den Druck auf ihre Lippen. Nicht schreien. Sie durfte auf keinen Fall schreien, aber ihre Hände zitterten unkontrolliert und Tränen, die in ihren Augen schwammen, vernebelten ihr die Sicht. Sie spürte wie sie fast anfing hysterisch zu werden, schließlich war sie immer noch nichts weiter als eine Kindergärtnerin und in einer Welt aufgewachsen, wo sowas definitiv nicht normal war.

Als sie die Panik, die in ihr aufkam versuchte abzuleiten, schickte sie die Gefühle unterbewusst durch das Band zu Konstantin und sie konnte regelrecht hören wie der Wolf in ihm sich die Klauen wetzte. In der Küche angekommen hocke sie sich hinter die Arbeitstheke, die mitten im Raum stand und hoffte so sehr, dass der Eindringling mit der Waffe das Auto vor Williams Stadthaus nicht bemerkt hatte und nicht mit Zeugen rechnete, nach denen er suchen musste.

Ob jemand den Schuss gehört hatte und die Polizei längst unterwegs war? Vielleicht lebte William auch noch und schleppte sich zum Telefon oder etwas Ähnliches, doch das bezweifelte sie stark. Dann rasten ihre Gedanken weiter: Konstantin würde kommen, er war sicher schon auf den Weg zu ihr seit dem Moment als sie seinen Anruf ignoriert hatte und Johnson hatte ihr auch nur wenige Minuten Zeit gelassen um ...

„Fuck!", erklang eine eindeutig männliche Stimme und sie hörte wie im angrenzenden Wohnraum die Türen und Schränke aufgerissen wurden. Laura hatte gewusst, dass William wohl kein extra Arbeitszimmer hatte und den Schreibtisch in der Ecke des großen Raumes bemerkt. Nun hörte sie wie Papier durch die Gegend flog und der Mann etwas vor sich hin knurrte.

Dann brach Holz. Das Splittern war eindeutig und Laura drückte sich ihre zweite Hand auf den Mund und dann fiel ihr das Telefon in ihrer Tasche wieder ein. Schnell griff sie danach und beendete die Aufnahme ausversehen um Konstantin eine Nachricht zu schreiben, dass ein Mann im Haus von William war, dass zweimal geschossen wurde und dass sie in der Küche war und sich versteckte. Dann sagte sie ihm noch, dass sie ihn liebte. Ihre Finger zitterten kurz als sie diese Nachricht abschickte und sie wusste, dass es wahr war.

Sie hatte nie zuvor von Liebe gesprochen, aber nun wusste sie es und sie spürte wie Tränen ihre Wange herunterfielen, weil sie so eine verdammte Angst hatte und es bereute ihm das nicht selber sagen zu können.

„Such dir eine Waffe!", kam die Antwort und Laura suchte mit den Augen nach einen Messerblock oder irgendetwas anderem, dass sie zu ihrer Verteidigung nehmen konnte, aber diese Küche war so kalt, wie es der Mann gewesen ist, der sie besaß.

„Ich finde nichts", schrieb sie zurück und war erleichtert ihren Wolf zumindest so irgendwie bei sich haben zu können. Konstantin schickte ihr eine Woge von Mitgefühl und Schutz, die ihr wieder etwas Mut gab und die Panik verdrängte.

„Kannst du dich rausschleichen?", fragte er und Laura dachte daran, dass sie dafür durch das Wohnzimmer müsste, das der Kerl mit der Waffe da gerade verwüstete und wagte es dank des neuen Mutes, an einem Küchenschrank vorbeizusehen.

Sie erschrak sich fast zu Tode als sie den Mann sah, der gerade dabei war Akten aus seiner Tasche zu holen und auf den Papierstapel zu werfen der bei William auf den Tisch lag. Über das Gesicht trug er eine Ski-Maske, aber Laura könnte schwören die Statur und die Bewegungen zu erkennen. Bud. Sie war sich fast sicher und sie zog sich wieder zurück und drückte sich wieder hinter den Küchenschrank.

Ihr Verstand überschlug sich als sie erkannte, dass der Mann, der einmal ihren Vater hinter Gittern gebracht hatte, zu so etwas imstande war. Er war doch Sheriff gewesen, stand auf der Seite des Gesetzes. Und dennoch war er hier, durchwühlte Williams Akten und ... nein Moment.

Laura wagte noch einen Blick. Er durchwühlte sie nicht, weil er etwas suchte. Er machte sie nur etwas unordentlich, allerdings legte er immer wieder etwas dazu und dann begann er damit das Zimmer zu verwüsten und unter dem ganzen Lärm, der das verursachte, zuckte sie wieder ängstlich zurück.

Ihr Telefon in ihren Händen leuchtete auf.

„ich bin gleich da", sagte der Mann den sie liebte und Erleichterung überkam sie als sie ein Jaulen hörte, das die Nacht wie ein Messer durchschnitt. Der Eindringling, den sie immer noch für Bud hielt, hielt in seinem Tun inne und wieder entkam ihm ein Fluch, bevor er die Flucht ergriff. In das Wolfsheulen mischten sich Polizeisirenen und Laura hörte ein Fenster splittern. Wahrscheinlich die Balkontür zum Garten. Eisige Luft zog sich bis zu ihr in der Küche und Laura wagte sich aus dem Versteck als sie hörte wie der bewaffnete Mann mit den schweren Stiefeln auf den Brettern des Balkons ausrutschte und dann einfach weiter rannte.

Laura dachte nicht lange nach, sie erhob sich schnell und rannte zurück zum Flur wo sie wieder zur Salzsäule erstarrte. Sie sah William und all das Blut um ihn herum, auf dem sie fast ausgerutscht wäre und bei dessen Geruch sich ihr der Magen umdrehte. Metall und Fleisch und ... ein Stöhnen.

Mein Gott ... er lebte noch. Schnell hockte Laura sich hin, ignorierte das Blut, das langsam in das Holz der Dielen eindrang und ihn dort unwiederbringlich ruinierte. Sie versuchte auch nicht allzu sehr auf das blutige Hemd zu achten und zog William an den Schultern, bis sie sein Gesicht sehen könnte. Seine Augen waren geöffnete und seine blauen Augen sprühten vor Trotz und Zorn, während seine Hand an seiner Seite lag von wo aus das Blut auf den Boden lief.

Laura nahm ihren Schal vom Hals, den sie immer noch trug, weil sie sich ihrer Winterkleidung nicht entledigte hatte als sie Williams Haus betreten hatte und drückte den Stoff auf seine Hand und damit auch auf die ziemlich schwer blutende Wunde.

Seine Augen fixierten sie, während er langsam den Kopf schüttelte, was er ihr damit sagen wollte, wusste sie nicht und es interessierte Laura auch nicht. Sie griff erneut nach ihrem Telefon und wählte die Nummer vom Notdienst. Sie sprach mit einer ziemlich unaufgeregten Frau, als Williams Hand sanft ihren Ellenbogen berührte und er die Lippen bewegte.

„Was?", fragte sie und spürte wie der Klos in ihrem Magen immer fester wurde, weil die Wunde nicht aufhörte zu bluten und sein Gesicht immer blasser wurde und seine Hand nicht mehr genug Kraft zu haben schien um der Wunde an seinen Bauch standzuhalten und langsam wegrutschte. Laura übernahm es für ihn, während sie die Fragen der Frau in der anderen Leitung kaum verstand. Seine Stimme war so schwach, dass sie sich ihm entgegen beugen musste.

„ ...war es nicht", sagte er und Laura schluchzte auf als sie die Beteuerungen des Sterbenden hörte. Die Frau am anderen Ende sagte, ein Wagen sei unterwegs und Laura griff nach Williams Hand, als diese ihr Gesicht berühren wollte.

„Ich weiß. Ich weiß, dass du es nicht warst, ich habe Bud erkannt. Du musst durchhalten, ein Krankenwagen ist unterwegs", versicherte sie ihm und wurde in die Zeit zurückkatapultiert, als sie William geliebt hatte. Er war ihre erste Liebe und sie mochte in den letzten Jahren gelernt haben ihn zu hassen, aber in diesen Moment war er wieder der William von damals.

„ ... nie aufgehört dich ... lieben", sagte er und das klang so sehr nach einem Abschied, dass Lauras Puls wieder begann zu rasen und es ihr die Tränen in die Augen trieb. Seine Augen schlossen sich und als Laura begann an ihn zu rütteln und ihn anschrie, dass er wach bleiben müsse, bemerkte sie die Zweite Schuss Verletzung in seinem Bauch. Das viele Blut, die Schwere seiner Wunden und seine langsam kälter werdende Hand, während die Kälte auch von ihr Besitz ergriff als sie endlich verstand, dass er nicht mehr atmete und ... gegangen war.

Sie wünschte sich er würde weiter seine Unschuld und Liebe zu ihr beteuern, sie weiterhin penetrant als seine Verlobte bezeichnen und sie damit dazu bringen auf ihn schießen zu wollen. Laura wünschte sich, er würde leben, damit sie ihn weiter hassen konnte aber die Wut, die sie nun auf ihn verspürte, war eine andere. Er war fort, war gegangen mit einem kitschigen Liebesgeständnis, dass sie nicht erwidern konnte, weil Konstantin ihr Herz besaß und dass ihr deswegen ein schlechtes Gewissen machte. Doch für die Tränen, die sie ihm schenkte, schämte sie sich nicht. Trotz allem waren sie einmal Liebende gewesen, sie waren ein Paar gewesen. Freunde. Und sie trauerte, weil er es verdiente, dass man um ihn weinte.  

Beta: Geany

Die Rückkehr des Wolfes- Alaska Werewolves Bd. 1Where stories live. Discover now