Halt

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Kapitel 23


Konstantin hielt so nahe vor dem Haus, dass er sicher sein konnte die Rettungskräfte nicht zu behindern. Das hier mag zwar sein Land sein, aber trotz seins Alphainstinktes, sein Territorium zu verteidigen, wusste der Mann sehr wohl was richtig ist und was nicht. Aber sein Wolf war auch etwas abgelenkt, denn eine Flut von Verwirrung, Trauer und Schmerz überlastete das Band zwischen ihm und seiner Gefährtin so dermaßen, dass Konstantin selbst einige Sekunden benötigte, um damit fertig zu werden. Wie heftig es dann Laura traf, die diesen Gefühlen hilflos ausgeliefert war konnte er nicht erahnen, aber sein Instinkt wusste genau was zu tun war.
Er betrachtete eine Weile ihr hübsches Profil, die zierliche Nase, den zarten Schwung ihres Kinns und ihre vollen Lippen. Sie war wunderschön, selbst jetzt, so vollkommen erstarrt in ihrer Trauer und gleichzeitig brach es ihm sein Herz. Sein Wolf jaulte und wollte seine Trauer dem ganzen Rudeln verkünden, er wollte sich an Laura schmiegen, ihr beistehen, es irgendwie leichter machen. Sie weinte nicht, starrte nur auf das Haus und atmete viel zu schnell. Sie hatte es noch nicht verstanden, das Wissen um den Verlust war da, direkt vor ihr. Aber sie weigerte sich es zu erfassen.
Konstantin stoppte den Wagen und wartete noch eine Weile, in der Hoffnung sie würde reagieren, aber da kam nichts. Er spürte, dass sie es fühlte aber ihr Körper war vollkommen regungslos, während ihr Kopf voll war und über zu brodeln drohte.


„Laura“, begann er sanft, streckte die Hand auf und legte sie ihr an die Wange, ihr Kopf neigte sich seiner Berührung zu aber eher unbewusst, als dass sie sich mit Absicht an ihn schmiegte. Sie waren verbunden, sie spürte es, das konnte sie nicht leugnen.

„Willst du erst einmal hierbleiben?“, fragte er und war tatsächlich überrascht als sie hektisch nickte und dann tatsächlich Tränen in ihre Augen traten. Das war okay, es war natürlich. Weinen um einen geliebten Menschen war notwendig. Sie schluckte immer wieder, um sie zurückzuhalten, doch Konstantin durfte das nicht zu lassen. Sie hatte mehr als einmal bewiesen wie stark sie war, doch wenn sie die Trauer jetzt nicht zuließ würde das etwas in ihr zerstören, was nicht wieder heilen würde. Manchmal war es notwendig einen angebrochenen Knochen ganz zu brechen, damit er wieder vollständig heilen kann.
Er beugte sich zu ihr vor und zog ihr Gesicht an seine Schulter wo sie tatsächlich begann zu zittern und zu schluchzen. Kurz dachte er, es würde nun aus ihr herausbrechen, aber sie überraschte ihn mit ihrer Sturheit als sie ihn von sich drückte.


„Ist es zu viel verlangt, wenn ich bei dir bleiben kann. Ich kann da nicht rein. Es geht nicht, ich ertrag es nicht zu sehen wie…“

„Scht. Schon gut, du bist bei mir immer willkommen Laura. Solange du möchtest“, unterbrach er sie bevor sie begann sich in Rage zu reden, zog sie wieder an sich und blieb so eine Weile mit ihr sitzen bis er sah wie die Tür von Lauras Haus aufging und einige Männer mit einer Trage herauskamen. Darauf lag ein großer Sack, die die Leiche ihrer Mutter enthielt und Konstantin drehte Lauras Gesicht davon weg. Er hatte keine Ahnung wie sie darauf reagieren würde und er wollte es auch nicht herausfinden. Doch als die Männer die Tür des Krankenwagens mit einem Knall schlossen, blickte Laura doch hin, sah dann aber nur noch ihre Freundin, die mit betrübtem Gesichtsausdruck und Tränen in den Augen in ihrer Haustür stand. Konstantin erinnerte sich an die Frau, sie war Carlys Mutter, die Krankenschwester, die sich um Lauras Mutter gekümmert hatte. Die Frauen sahen sich über den Schnee hinweg an und Laura begann wieder zu zittern, kämpfte gegen die Tränen an und wandte sich dann wieder an Konstantin.
„Könntest du mit ihr reden?“, fragte Laura und Konstantin nickte. Küsste sie sanft auf die Stirn und löste sich dann schweren Herzens von ihr. Natürlich würde er das regeln, wenn seine Gefährtin es von ihm verlangte und gerade selbst genug damit zu tun hatte gegen ihre eigene Trauer anzukämpfen. Bevor Konstantin aus dem Wagen stieg, sah er sich noch einmal nach Laura um, die sich hektisch die Tränen aus dem Gesicht wischte, doch es kamen immer wieder neue. Und das war auch gut so.
Er stampfte durch den Schnee und die Männer aus dem Krankenwagen sahen ihn kurz fragend an, bevor sie ihn ansprachen.
„Entschuldigen Sie, sind Sie vielleicht mit Kristina Mils verwandt? Wir brauchen noch Unterschriften und…“
„Ich bin der Mann ihrer Tochter, Konstantin Hunt. Bitte verzeihen Sie, aber meine Gefährtin ist noch etwas zerstreut, können wir uns die Tage bei Ihnen melden für das Schriftliche?“, fragte Konstantin und die Männer sahen kurz zu Laura, verstanden und nickten. Es war zu früh sich als ihr Mann zu bezeichnen, dass wusste er selbst aber es etsparrt ihn lange Erklärungen.

„Selbstverständlich. Mein Beileid. Wir bringen sie ins Blackwater Hospital, spätestens in fünf Tagen muss ein Angehöriger dort gewesen sein, ansonsten wird es kompliziert.“, sagte er und Konstantin nickte wohlwollend und ging dann weiter zur Haustür wo noch immer Melissa Main-Glow stand und sich die Arme rieb. Es war kalt und sie war ein Mensch, hier draußen zu stehen war sicherlich nicht gesund.

„Sie kommt nicht rein?“, fragte Melissa, nachdem sie einige hartnäckige Tränen herunterschluckte und wieder kurz zu Laura sah, die immer noch vollkommen versunken in ihrem Schmerz im Wagen saß.
„Nein. Sie kann nicht. Ich nehme sie mit zu mir“, meinte er und war froh, dass Melissa lediglich nickte bevor sie tief einatmete, um ihre Fassung wiederzufinden.

„Es war eine Überdosis, sie hatte keine Schmerzen. Ich habe es nicht mal sofort bemerkt. Es ging schnell. Das sollte Laura wissen.“ Dann war es Konstantin, der nickte und sie sahen gemeinsam zu, wie der Krankenwagen wieder verschwand.
„Sie sollten nach Hause. Kümmern Sie sich um ihre Tochter, ich sage Laura, sie soll sich bei Ihnen melden.“

„Okay. Passen Sie auf sie auf, Laura hat schon zu viel verloren in ihrem Leben. Tun Sie ihr nicht weh, sonst schwöre ich bei Gott, Sie werden es bereuen und dabei ist es mir egal, ob Sie ein Wolf sind, oder nicht!“, meinte sie, gerade zum Ende hin etwas harsch, aber Konstantin lächelte kurz und nickte dann anerkennend.
„Verstanden, Ma’am“ Bei dieser sehr respektvollen Anrede lächelte dann auch sie, griff nach drinnen um ihre Jacke zu holen und ging zu ihrem Wagen. Bevor sie einstieg, hob sie eine Hand und lächelte Laura liebevoll zu, die es tatsächlich hinbekam zurück zu lächeln. Durch das Band floss Lauras Dankbarkeit über Melissas Freundschaft bis zu ihm und Konstantin nahm sich vor die Frau ebenfalls als Freundin und Verbündete zu betrachten. Die beiden Frauen schienen eng befreundet und sie mochten sich ehrlich und trauerten mit dem anderen. Das war gut, und was gut für Laura war, musste für ihn wichtig sein, das war seine Aufgabe als Gefährte.
Konstantin ging ins Haus und packte eine kleine Tasche für Laura. Nahm ihre Zahnbürste aus dem Bad und eine Haarbürste, bevor er die Tür hinter sich zumachte und wieder zum Wagen ging. Laura saß da als wäre sie eine Statue und reagierte kaum, als er die Tasche auf den Rücksitz stellte und sich hinter das Steuer setzte.
„Tut mir leid, ich sollte das nicht verlangen“, hauchte sie leise, griff aber nach seinem Oberarm, schlang die Arme darum und legte ihre Stirn gegen seinen Bizeps. Konstantin konnte nicht anders, drehte sich leicht um ihren Scheitel zu küssen und umfasste mit seiner freien Hand ihre, bevor er sich zwang sich abzuwenden, den Wagen zu starten und zu wenden.
Am liebsten hätte er sie einfach in seine Arme gezogen und gehalten, aber umso schneller er sie tiefer in sein Territorium brachte desto schneller würde er diesem Instinkt nachgeben können. Lura blieb tapfer, schniefte nur wenige Male bevor sie im Herzen des Territoriums ankamen und presste sich weiter an ihn. Das Band zitterte unter ihrer Trauer und der Wolf schickte Liebe und Fürsorge zurück, lullte sie ein, strich über ihren Geist und wollte sich an ihren Körper zusammenrollen, so wie man es im Rudel tat, wenn jemand einen Verlust erlitten hatte. Eigentlich hielt Konstantin ihn dabei zurück durch das Band auf sie einzuwirken, sie hatte das letzte Mal eher wütend darauf reagiert. Aber nun schloss sich ihr Geist nicht, wie an ihrem ersten gemeinsamen Abend, sie zuckte leicht, schien sich zu erschrecken weil sie es nicht kannte und nicht gewohnt war, ließ es dann aber zu und hatte keine Ahnung, was sie damit auslöste.
Die Trauer ließ es in den Hintergrund verschwinden, der Wolf wollte Trösten und da sein um zu helfen, doch er registrierte sehr wohl den Beginn ihrer Paarung und sobald Laura das schlimmste hinter sich hatte, würde Konstantin vorsichtiger sein müssen, denn das Tier in ihm wollte Laura nun mehr als je zuvor.

  

Beta: Geany

Die Rückkehr des Wolfes- Alaska Werewolves Bd. 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt