Intrigen

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Kapitel 48

Carlos Mils blickte in den kleinen aber penibel sauber gehaltenen Spiegel und führte die feine Klinge des Rasierers über seine Haut, als hinter ihm die Metalltür klirrte und ein Wachmann mit einem beträchtlichen Bauchumfang zu ihm hereintrat, ohne zu fragen. Was sofort French auf den Plan rief, der sich vor dem dicklichen Mann aufbaute und seine schweren, tätowierten Arme verschränkte.

„Boss, nix sprechen ohne fragen", sagte er in einem schlechten Englisch mit einem so klischeehaften russischen Akzent, dass es Carlos jedes Mal zum Schmunzeln brachte. Aber diesmal lag eine Klinge an seinem Gesicht und als er spürte wie die Haut verletzt wurde, rann Blut über sein Kinn. Er hasste dieses beschissene Gefängnis und auch, wenn er hier nichts von seiner Macht und seinem Einfluss eingebüßt hatte, lagen all seine Bestrebungen darin endlich hier raus zu kommen.

„Ich ... ähm ... Mr. Mils, Sir. Ein Anruf für Sie.", sagte der Wachmann zitternd, der ganz genau wusste, dass er zwar jeden der hier inhaftierten Männer unter Kontrolle hatte, alle bis auf Carlos und die Männer, mit den denen er sich umgab. Treue Männer, Männer, die er wieder in seinen Dienst stellen würde, sobald er wieder draußen war. Und er würde freikommen, da war er sich sicher.

Es brach ihm das Herz dafür ausgerechnet seine Tochter benutzen zu müssen und ihr gutes, mitfühlendes Herz zu täuschen, aber er hatte keine Wahl und würde es wieder gut machen, sobald er wieder zu Hause war. Und diesmal würde er die Macht nicht verlieren, die er sich so hart erkämpft hatte.

„Danke. Geben Sie mir das Handy", meine Carlos freundlich und nahm das Smartphone entgegen, das es hier in seiner Zelle eigentlich gar nicht geben dürfte. Genauso wenig wie die duzenden Bücher, den Computer mit Internetzugang und allem anderen. Wenn man genug Geld hatte konnte man sich hier alles kaufen und er hatte genug Geld. Sehr viel Geld. Auch das war etwas was er nur schweren Herzens vor seiner Tochter versteckte. Sie hatte so hart gearbeitet um sich selbst und ihre Mutter über die Runden zu bekommen, aber auch das würde bald vorbei sein.

Als er sich das Telefon ans Ohr hielt und mit einem Handtuch den Rest des Rasierschaums abwusch, hörte er schwere Atemzüge auf der anderen Seite der Leitung. Es war spät für einen Anruf, oder früh. Je nachdem.

„Mils.", meldete er sich schlecht gelaunt und schnipste dem russischen Mitinsassen zu, der den Wachmann aus der Zelle schob und sich selbst davor platzierte, damit niemand den Boss belauschte. Er war als kleiner Taschendieb hier hereingekommen, ohne Verbindung zu Carlos Mils Machenschaften, aber er hatte sich hier drinnen als nützlich erwiesen. Sehr sogar, und Carlos hatte ihm gesagt, dass er ihn behalten würde. Er schätzte die Russen und ihren Sinn für Treue, in Gegensatz zu dem was die heimischen Amerikaner darunter verstanden. Es gab so einige offene Rechnungen, die er noch würde begleichen müssen, sobald er zurück in Black Water war.

„Sie haben die Kleine gefunden. Zu schnell, ich weiß nicht wie viel von meinem Geruch noch an ihr dran ist", keuchte eine Stimme in den Höherer und Mils gab einen unzufriedenen Ton von sich.

„Hast du sie in Langfields Jacke gepackt, wie es Lockhardt dir gesagt hat, als er sie dir brachte?", fragte er weiter und er hörte wie der Mann auf der anderen Seite ein unzufriedenes Knurren von sich gab.

„Hab ich natürlich und die alten Sachen von ihr ausgezogen, wo meiner und Lockhardts Geruch dran war, aber dennoch: Es ging zu schnell ich weiß nicht wie viel sich von dem Geruch verzogen hatte und der alte Wolf meinte, es braucht Stunden bis sowas verfliegt und selbst dann gibt es keine Garantie."

Ja, das hatte der alte Wolf gesagt, das wurde Carlos auch über seinen Anwalt mitgeteilt, aber das spielte kaum eine Rolle.

„Das ist unerheblich. Die Position, die ich ausgesucht habe und der Geruch von Langfield wird auf die Wölfe selbst und William deuten, dann schieben sie sich eine Weile selbst den schwarzen Peter zu und wir haben genügend Zeit, um den Rest vorzubereiten. Melde dich nicht mehr bei dem alten Wolf, lassen wir ihn auflaufen. Soll Konstantin erstmal den Dreck vor seiner Haustür beseitigen und seine Pfoten schmutzig machen." Sagte Carlos und dachte daran, dass es Laura vielleicht abstoßen könnte, wie Konstantin mit diesem Verrat in seinen eigenen Reihen umging. Dann würde sie diese alberne Affäre mit dem Kerl beenden. Im Allgemeinen war es ihm mehr als schwergefallen halbwegs nett zu dem Mistkerl zu sein, der glaubte die Einsamkeit seiner Tochter ausnutzen zu können, aber bis jetzt hatte Carlos noch nicht herausgefunden warum sich Konstantin Hunt ausgerechnet an Laura herangemacht hatte. Klar, Laura war so schön wie ihre Mutter in diesem Alter, vielleicht sogar etwas schöner und sie hatte den typischen eisernen Willen einer Alaska-Frau. Aber dennoch: Es musste einen Grund geben und Carlos würde nicht zulassen, dass noch ein Bastard seine Tochter verletzte. So wie William der sie im Stich gelassen hatte und der gerade die Quittung dafür kassierte. Aber natürlich hatte er nicht nur Laura, sondern auch ihn verraten und Verrat ließ Carlos niemals unbeantwortet, da hielt er es wie die Werwölfe: Auge um Auge.

„Ja, Sir", gab sein Zuhörer auf der anderen Seite etwas widerwillig von sich und Carlos grinste in sich hinein.

„Seien Sie nicht so mürrisch Bud. Sie haben Ihren Fehler von damals wieder gut gemacht, das sollte sie zufrieden stimmen und kein schlechtes Gewissen machen. Noch eine Sache, bevor ich Sie aus meinem Dienst entlasse, müssen sie allerdings noch machen. Lockhardt wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen, dann verspreche ich Ihnen wird ihrer Tochter und Ihrem Enkelsohn nichts geschehen", sagte Carlos mitfühlend und drückte auf den roten Hörer.

Es war ihm eine Genugtuung ausgerechnet Anderson Bud auf diese Weise herumkommandieren zu können, schließlich hatte diese gegen ihn ermittelt und es dann auch noch geschafft sein Kind gegen ihn aufzuhetzen. Dass es ein Fehler war erkannte er nun. Das Gefängnis hatte für ihn nicht viel in Black Water verändert. Die Zwangsverwaltung der Interessenlosen Regierung hatte nur für ein Machtvakuum gesorgt, dass er mit Strohmännern gefüllt hatte, die seinem Willen folgten. Er wusste über alles in Black Water Bescheid, nicht zuletzt, weil Lockhardt, seine rechte Hand, alles koordinierte.

Natürlich wusste er, dass alles, was er tat, nicht in Ordnung war. Aber er würde einfach alles tun, um seine Familie zurückzubekommen, auch wenn kein Geld der Welt seine einzig wahre Liebe zurückbringen würde. In den letzten Tagen nicht bei ihr sein zu können hatte ihn fast umgebracht, er hatte Geld gebraucht um ihre Behandlung zu bezahlen, aber irgendwann musste er einsehen, dass kein Deal mit den Teufeln in dieser Welt sie retten würde. Er liebte sie mit jedem Atemzug, kein Gefühl der Welt würde je an die Liebe heranreichen, die er für seine Frau empfunden hatte. Selbst nicht so etwas wie ein schlechtes Gewissen, weil er Dinge tat, die nicht in das Weltkonzept von anderen Menschen hineinpassten. Wenn er eines gelernt hatte, dann dass es keine Gerechtigkeit in diesem Universum gibt, keine Konsequenzen, keine Fairness. Er war ein Guter gewesen bis seine Frau krank wurde und er erkannte, dass sie es weder verdient hatte noch, dass er etwas anderes machen konnte als ihr die letzten Jahre so angenehm wie möglich zu machen.

Er hasste die Welt nicht, er war nicht sauer auf eine angebliche höhere Macht. Das Universum konnte nichts für die Krankheit seiner Frau, es exestierte. Der Rest war Zufall. Es existierte kein Karma, kein Gut und Böse, keine richtig oder falsch, was er tat, tat er. Was er tat, würde nichts verändern. Unmoralischen Vorstellungen, die die Menschen hatten, waren ihre Erfindung und nur sie bestraften oder belohnten das angemessene oder unangemessene Verhalten. Und das taten sie nicht, also musste er sich auch nicht dran halten.

Seine Frau war tot und er war hier drinnen eingesperrt als wäre er der Böse in der Geschichte. Das war er nicht. Er hatte getan was notwendig war, um seine Familie zu beschützen, die von der Regierung im Stich gelassen worden war. Ohne das Geld, was er beschafft hatte, wäre seine Frau qualvoll gestorben, er hatte nur gewollt, dass sie es leichter hatte. Doch keine Regierung, keine Behörde, hatte das gekümmert. Gutes Verhalten und Aufopferung wurden nicht belohnt in dieser Welt, man bekam nichts zurück. Wenn man etwas brauchte, musste man es sich zu nehmen. So einfach war das und genau deswegen würde er nicht einsehen, je wieder nach den Regeln zu spielen.

Selbst wenn seine Tochter ihn dafür hassen würde, irgendwann würde sie es verstehen und ihn vielleicht auch verzeihen. Aber eigentlich war es egal, denn es gab keine Konsequenzen, kein Karma, keine übergeordnete Macht die einen bestrafte. Auf der anderen Seite gab es nichts, er würde seine Frau nie wieder sehen, alles was zählte war das hier und jetzt und er hatte nicht vor seine letzten Jahre im Knast zu verbringen. Vielleicht würde Laura ihn hassen, aber er wäre frei und konnte um ihre Liebe kämpfen. 

Beta: Geany

Die Rückkehr des Wolfes- Alaska Werewolves Bd. 1Where stories live. Discover now