3 | Wer ist er?

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„Kaffee oder Tee?", bietet Arthur Moore mir an, während er barfuß an mir vorbei den schmalen Flur entlanggeht.

Ich sehe kurz an mir nach unten und streife mir eilig meine Sneaker von den Füßen. Auf meinen schwarzen Socken folge ich ihm in eine kleine, recht chaotisch wirkende Küche. In der Spüle stehen ein paar schmutzige Teller und Gläser, auf der Arbeitsfläche leere Pizzakartons und auf dem Herd fristen einige Töpfe mit angetrockneten Flüssigkeiten ihr Dasein.

„Wasser", antworte ich. „Ohne Sprudel."
Wieder heben sich seine Augenbrauen und er lächelt.

„Das Gleiche hätte ich auch genommen", sagt er und holt zwei Gläser aus einem der Schränke. „Ist Rohrperle in Ordnung?"

„Was ist eine Rohrperle?", frage ich verwirrt. Wollte er mir nicht gerade Wasser anbieten?

Arthur dreht den Wasserhahn auf und zeigt präsentierend auf den klaren Strahl.
„Eine gehobenere Bezeichnung für einfaches Leitungswasser", klärt er mich auf und ich nicke schüchtern.

Mit beiden gefüllten Gläsern geht Arthur an mir vorbei und wieder schleiche ich ihm auf Socken hinterher.

Wäre es wohl unhöflich von mir, ihn zu bitten, seine Hand nochmal halten zu dürfen?

Wir betreten ein gemütliches Wohnzimmer mit einem großen Sofa und ich stelle fest, dass es auch hier recht unordentlich aussieht.

Auf dem Couchtisch liegen einige Luftschlangen und eine aufgerissene Chipspackung und der schmale Teppich vor einer Kommode ist mit buntem Konfetti übersät.
Und ist das eine halbe Piñata hinter dem Sofa?

„Sorry für die Unordnung", entschuldigt Arthur sich. „Wir haben gestern gefeiert und ich hatte danach keine Lust mehr aufzuräumen."

Ich lächele verständnisvoll und nehme neben ihm auf dem Sofa Platz. Vielleicht streift mein Oberschenkel dabei sein Knie.
„Kein Problem", sage ich. „War es denn eine schöne Feier?"

Arthur lächelt zurück und nickt.
„Ich hatte Geburtstag und meine Freunde haben mich mit einer Überraschungsparty beglückt. Ich habe sogar eine Piñata bekommen."

Ich blicke auf das erbärmliche Überbleibsel hinter dem Sofa, was zu seinen Lebzeiten vermutlich mal eine Art weißes Einhorn war und grinse.
„Das klingt toll. Und natürlich alles Gute nachträglich zu deinem Geburtstag."

„Danke schön", erwidert Arthur verlegen und trinkt einen Schluck von seinem Wasser.

„Hast du denn schöne Geschenke bekommen?", möchte ich wissen. „Außer einer großartigen Party mit Piñata?"

Arthur zuckt mit seinen breiten Schultern.
„Ja, Kleinigkeiten eben. Gutscheine, Einladungen zum Brunch, sowas eben."

„Und was hast du dir gewünscht?"

Seine dunklen Augen mustern mich und für einen Moment scheint er vollkommen sprachlos zu sein.
„Ge- gewünscht?", fragt er zurück.

„Als du deine Kerzen ausgepustet hast", erkläre ich. „Hast du dir da nicht etwas gewünscht?"

„Oh, es gab keinen Kuchen", lacht er. „Meine beste Freundin hatte eine Torte gebacken, doch die ist ihr allen Ernstes auf dem vorletzten Treppenabsatz heruntergefallen. Ich glaube, der Hund von Mrs. Wellington hat sich sehr darüber gefreut."

„Keinen Kuchen?", mache ich entsetzt und wieder zuckt Arthur mit den Schultern.

„Nicht schlimm. Das mit dem Wunsch und den Kerzen ist doch ohnehin albern."

„Das bedeutet, du konntest dir nichts zu deinem Geburtstag wünschen?"

„Doch", lächelt er und zeigt hinter uns zu einer Tür, die auf einen kleinen Balkon zu führen scheint. „Tessa und ich haben noch auf dem Balkon gesessen, nachdem die anderen weg waren, und da habe ich eine Sternschnuppe gesehen."

Augenblicklich beginne ich zu lächeln, denn Arthurs Augen leuchten so glücklich, als er mir von diesem kleinen Moment erzählt, dass ich ihn am liebsten in meine Arme schließen würde.

Doch viel zu schnell ist der Moment vorbei, denn er wendet sich mir wieder zu und sagt entschuldigend: „Ich war wohl etwas melancholisch. So ist das eben, wenn alle Freunde verlobt oder bereits verheiratet sind und die beste Freundin bald ein Baby bekommt."

„Hättest du gern ein Baby mit ihr bekommen?", erkundige ich mich und kann nicht verhindern, dass der Gedanke, dass Arthur gern ein Baby mit einer mir unbekannten Frau hätte, mir einen eiskalten Dolch ins Herz rammt.

„Großer Gott, nein!", ruft Arthur lachend. „Tessa und Gary sind schon seit der High School zusammen, ich war ihr Trauzeuge. Bei ihrem Junggesellinenabschied habe ich sogar meinen eigenen Stripper bekommen."

Das Dolchgefühl in mir lässt erleichternd nach und ich blicke ihn interessiert an.
„Das heißt, du möchtest keine Babys?"

„Oh, das vielleicht schon", überlegt Arthur. „Aber dann doch lieber mit einem Mann. Also müsste man über eine Adoption nachdenken."

Unwillkürlich breitet sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus, von dem ich glaube, es zerreißt mir gleich die Haut an meinen Wangen.
Arthur möchte Babys, aber mit einem Mann!
Ich bin ein Mann!

„Und was ist mit dir, Felix?", fragt er mich und sieht mich neugierig mit seinen dunklen Augen an.

Wunschdenken | ✓Where stories live. Discover now