64 | Ich habe neue Freunde.

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Bis ich Janis wiedersehe, vergehen zwei Tage.

In der Zwischenzeit habe ich den Spaziergang am Strand in meinen Tagesablauf integriert und passe genauer auf, wo ich mich in den Sand setze, nachdem Janis mich gewarnt hat.

Natürlich denke ich weiterhin ununterbrochen an Arthur, frage mich, was er macht, ob es ihm gut geht, ob er an mich denkt.

Für einen Moment habe ich mit dem Gedanken gespielt, ihm eine Nachricht zu schreiben und ihn lediglich um Tessas Nummer zu bitten, doch kurz vor dem Abschicken habe ich meinen Text wieder gelöscht.

Er würde glauben, es wäre nur ein Vorwand. Und was würde er auch davon halten, wenn ich ihn um Tessas Nummer bäte?

Also werde ich darauf hoffen, dass Tessa noch einmal mit dem kleinen Carlo in meinem Café auftaucht, damit ich sie um einen Tipp für Janis' Freund Leon bitten kann.

Dafür, dass ich noch nicht besonders lange existiere, kenne ich allmählich doch schon einige Menschen.

Gerade fülle ich Teig für frische Muffins in Förmchen, als das kleine Glöckchen an meinem Caféeingang läutet. Ich schaue auf und erkenne Janis sofort wieder.

„Darf Iris mit rein?", fragt er höflich und ich winke ihn heran.

„Na klar, ihr seid beide herzlich willkommen", freue ich mich über den unerwarteten Besuch. Ich stelle die Teigschüssel auf der Arbeitsfläche ab, wische meine Hände an meiner Schürze ab und eile um den Tresen herum.

Janis kommt heran und umarmt mich wieder wie beim letzten Mal. Obwohl wir uns noch nicht gut kennen, scheint das bei ihm ganz selbstverständlich zu sein.
„Schön dich zu sehen, Felix", begrüßt er mich. „Tolles Café, darf ich hier einziehen?"

Ich lache und hocke mich vor Iris, die sofort versucht, mir feuchte Hundeküsse zu geben.
„Könntest du, aber ich befürchte, der Schlaf auf den Sesseln ist nur bedingt erholsam. Außerdem kann ich nur mit einer Spüle und einem winzigen Klo dienen."

„Dann bleib ich doch lieber bei meiner Regendusche zu Hause", lacht er.

„Darf ich dir etwas anbieten?", frage ich ihn, als ich mich wieder aufgerichtet habe.

„Gern einen doppelten Espresso mit einem Schuss Milch."

„Kommt sofort", lächle ich und gehe wieder hinter den Tresen. „Du kannst Iris auch von der Leine nehmen. Gerade ist nicht viel los und sie ist ja lieb."

„Danke", freut er sich und sofort darf Iris' Nase sich daran machen, mein Café zu erkunden. „Ich habe auch einen Aushang fertig gemacht, wo darf ich den denn platzieren?"

„Da vorn neben dem Bücherregal ist eine Pinnwand, wenn du magst, kannst du ihn dort befestigen", zeige ich ihm. „Ich habe die Bekannte leider noch nicht wieder getroffen, aber würde dir Bescheid geben, wenn ich etwas höre."

„Das ist total lieb", sagt Janis und nimmt auf dem Hocker am Tresen Platz, auf dem vor nicht allzu langer Zeit Arthur saß. „Irgendwas Neues von deiner komplizierten Sache?"

Mein Blick schießt nach oben zu seinen hellgrünen Augen und ich erkenne, dass er mich interessiert mustert.

„Nein", stottere ich. „Nichts Neues. Alles wie bisher."

„Wegen dir oder wegen ihm?", hakt Janis nach.

Ich zucke mit den Schultern und mache mich an der Kaffeemaschine zu schaffen.
„Nun, um es nur kurz zu umreißen: es lief alles fantastisch und dann ist er gegangen."

Das fasst meine Geschichte nicht vollkommen irre klingend zusammen, habe ich beschlossen, denn früher oder später wollte ich Janis zumindest ein wenig über meine Historie mit Arthur preisgeben.

„Oh", kommt es von Janis und er nimmt dankend die angebotene Tasse mit seinem Getränk entgegen. „Und meinst du, ihr könnt nochmal reden?"

Ich seufze und beschäftige mich wieder mit dem Muffinteig.
„Ich würde gern noch einmal mit ihm reden, doch ich befürchte, er nicht mit mir. Ich habe erfahren, dass er sich wieder mit seinem Ex trifft."

„Autsch", ist Janis' Antwort darauf. „Das ist mies."
Er steht auf und geht zu der Pinnwand, die neben dem Bücherregal hängt. Während er die daran platzierten Flyer und kleinen Sprüche neu arrangiert, redet er weiter: „Ich könnte jetzt sagen, dass du ihn vergessen sollst, aber aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man das in solch einem Moment nicht hören möchte."

Ich nicke nur und schiebe die gefüllten Muffinförmchen in den vorgeheizten Ofen. Janis hat vollkommen recht, ich könnte Arthur nie vergessen.

„Aber wenn du magst, können wir gelegentlich was unternehmen, damit du auf andere Gedanken kommst", schlägt er vor. „Ich erinnere mich, dass ich nach meiner letzten Trennung vollkommen allein dastand. Ich weiß, wie schwierig es ist, sich einen neuen Freundeskreis aufzubauen."

„Das ist wirklich nett von dir, Janis", sage ich und beginne, die Teigschüssel abzuwaschen. „Aber du musst nicht–"

„Muss nicht, aber möchte", unterbricht er mich und kommt zurück an den Tresen. „Lass mich dir gern helfen, Felix. Im schlimmsten Fall gewinnst du drei Freunde dazu."

„Drei?"

„Mich, Leon und Iris", lacht er.

Wunschdenken | ✓Where stories live. Discover now