71 | Ich bin ehrlich.

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„Äh ... äh ...", macht Arthur verzweifelt, während er den kleinen Carlo noch immer vor sich hält.

„Ich glaube, du musst ihn dir leicht über die Schulter legen", sage ich und lege ihm das Tuch, das Tessa gerade einfach bei mir abgelegt hat, über die Schulter.

„Wofür ist das Tuch?"

„Falls ... naja ... falls was rauskommt und er kleckert", grinse ich.

Ich habe keine Ahnung, warum ich das alles weiß, aber es fühlt sich einfach richtig an. Vielleicht nennt man das auch Instinkt?

Vorsichtig legt Arthur das Baby an seine Schulter und blickt mich fragend an, als wollte er wissen, ob er alles richtig macht.

Ich nicke ihm ermutigend zu und klopfe leicht gegen den gepolsterten Babypo.
„Und jetzt ein bisschen klopfen oder schuckeln."

„Schuckeln?"

„Ja ... herumwackeln. Aber nur ein bisschen. Damit die Luft rauskommt."

Arthur beginnt, etwas auf seinem Stuhl herumzuwippen und klopft dabei sanft an dem Babypo herum.

Carlo macht kleine glucksende Geräusche, während sein Köpfchen auf Arthurs Schulter ruht und dann kommt das von uns herbeigesehnte leise Rülpsen mit einem kleinen weißen Schlückchen heraus.

Lächelnd wische ich dem Baby mit dem Tuch den Mund ab und sage: „Gut gemacht."

„Danke", kommt es leise von Arthur, der Carlo weiterhin herumwiegt.

Dem Baby scheint es zu gefallen, seine Augen schauen einfach herum und sein Gesicht wirkt entspannt.

„Ich hab gar nichts gemacht", winke ich ab. „Du hast das super allein hinbekommen."

Für einen kurzen Moment war es entspannt zwischen Arthur und mir. Es war so, wie es sein soll, doch jetzt ist da wieder diese Stille und Anspannung und ich blicke hilflos zum Tresen, an dem Tessa sich lachend und angeregt mit Janis und Leon unterhält.

„Ich ... ich weiß nicht, was ich sagen soll", höre ich Arthurs Stimme und instinktiv weiß ich, dass er nicht über das Baby spricht.

Ich lache hilflos und versuche, die Tränen, die hinter meinen Augen drücken, zurückzuhalten.
„Ich auch nicht", gebe ich zu. „Es ist ganz furchtbar, weil ich wirklich gern mit dir sprechen würde."

Arthurs schöne Augen blicken mich nun direkt an, die Schatten unter ihnen jetzt unverkennbar.

Ich schniefe leicht und zucke verzweifelt mit den Schultern, versuche, meine Unsicherheit zu überspielen.
„Mir geht es gerade nicht so gut", sage ich ehrlich und wische verstohlen an meinem Augenwinkel herum. „Und ich gebe mir wirklich Mühe, aber es ist ganz schön schwer. Ich lasse dich in Ruhe, versprochen, aber ich kann dich auch nicht anlügen und so tun, als wäre ich glücklich. Ich denke, das braucht einfach Zeit."

Arthur öffnet seinen Mund, um etwas zu sagen und in diesem Moment knattert etwas. Er reißt entsetzt die Augen auf und ich kann nicht verhindern, dass ich laut loslache, während sich doch ein paar Tränen aus meinen Augen herausmogeln. Arthurs Gesicht verzieht sich etwas, als er die Nase rümpft und dann panisch seinen Kopf nach Tessa reckt.

„Ich hole sie", verspreche ich ihm und eile sogleich zum Tresen.

„Und darum weiß ich, dass sie bald nach Washington–", redet Tessa noch immer mit Leon und Janis.

Ich tippe ihr vorsichtig auf die Schulter und zeige auf den panischen Arthur, der den nun etwas nörgelnden Carlo noch immer hin- und herwippt.
„Das Bäuerchen hat geklappt, aber den Hosennotfall musst du übernehmen", informiere ich sie.

„Das wäre wohl etwas zu viel für den lieben Arthur", kichert Tessa und dreht sich zu mir. An ihren Augen erkenne ich, dass ihr meine minderwertige Verfassung nicht entgeht und schon liegt ihre Hand besorgt an meinem Oberarm. „So schlimm?"

„Das Ausmaß in der Windel kann ich nicht abschätzen", versuche ich zu witzeln.

Tessas Augenbraue kommt zum Einsatz und mein unechtes Grinsen lässt augenblicklich nach.

„Nein, es ... es geht schon. Kümmere dich um Carlo und dann genieß dein Frühstück. Im Vorraum der Toiletten ist ein Wickeltisch."

Bevor Tessa weiter nachfragen kann, erschallt Carlos unzufriedenes Weinen durch das Café und Arthur ruft panisch ihren Namen, was sie ihm eilig zu Hilfe kommen lässt.

Janis und Leon sehen mich einfach nur an, sagen jedoch nichts, während ich wieder hinter dem Tresen verschwinde und beginne, Geschirr abzuspülen.

Wunschdenken | ✓Where stories live. Discover now