75 | Ich rede.

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Ich sehe Arthur einfach nur an, nachdem er seine Erzählung beendet hat und er wird zunehmend nervöser. Ich erkenne das an seinem wippenden Knie und der Art, wie sein Blick durch den Raum huscht.

Die Tasse zwischen seinen Händen ist mittlerweile leer, doch er macht nicht den Anschein, als wollte er sie in naher Zukunft loslassen.

„Noch einen Tee?", biete ich an und zeige auf die Tasse.

Schuldbewusst stellt Arthur das runde Porzellan auf den Untersetzer, es klappert etwas.
„Nein, ist ... ist schon okay."
Er dreht seinen Kopf, um aus dem Fenster zu sehen.

Tessas Auto steht noch immer vor dem Café, man sieht ihre Silhouette im Inneren des Wagens.

„Kann ich was sagen?", frage ich und Arthurs Blick schießt wieder zu mir.

„Natürlich."

„Ich denke, es war gut, dass du gegangen bist."

Arthur sieht mich an, als hätte ich ihm gerade eine Ohrfeige gegeben. Seine Augen sind vor Entsetzen aufgerissen und sein Mund zu einem verblüfften „Oh!" geformt.

Nach seiner anfänglichen Starre springt er auf einmal auf und klopft sich nicht vorhandenen Schmutz von seiner Hose.
„Ich ... es war ..."

„Warte bitte, Arthur", flehe ich, selbst noch immer nicht im Stande aufzustehen. Ich befürchte, wenn ich mich jetzt erhebe, breche ich einfach nur auf dem Boden zusammen. „Das war noch nicht alles."

Arthurs Hände reiben über sein müdes Gesicht.
„Ich kann das nicht", flüstert er verzweifelt.

„Du kannst!", herrsche ich ihn an und urplötzlich setzt er sich zurück auf den Sessel, als hätte er einen Stromschlag bekommen. „Ich ertrage diese ganzen Halbwahrheiten nicht und du hörst mir jetzt zu, verstanden?"

Ohne mich anzusehen, nickt er nur.

Wenigstens etwas.

„Ich bin immer noch in dich verliebt", kläre ich ihn auf, bevor er denken könnte, dass das nicht mehr der Fall ist. „Aber ich verschwinde nicht mehr im Dunkeln. Als du gingst, war es auf einmal ... anders. Du warst weg und ich war ganz allein und nur noch da. Ohne ... ohne Grund."

Langsam hebt Arthur seinen Blick, in seinen Augen schimmern Tränen.
„Es tut mir so leid, Felix", wispert er, doch ich schüttle widerspenstig meinen Kopf.

„Das muss es nicht, denn ich bin überzeugt davon, dass es das Richtige war. Ich habe ein eigenes Leben. Ich habe jeden Tag irgendwie geschafft, habe Freunde gefunden und mich damit abgefunden, dass ich eben ... dass es mich gibt."

„Und wolltest du–?"

„Jemand anderen?", weiß ich seine vollständige Frage und schüttle erneut den Kopf. „Nein. Immer nur dich. Egal, ob du mich erschaffen oder herbeigewünscht hast oder was auch immer. Es tat weh, ohne dich zu sein. Scheiẞe, das tut es die ganze Zeit, aber irgendwie wird es für mich weitergehen und ich bin dankbar, dass ich die Zeit mit dir erleben durfte."

„Heißt das ... heißt das, das mit uns hat keine Zukunft?", will Arthur leise wissen, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

„Das weiß ich nicht", gebe ich ehrlich zurück. „Ich weiß, dass du eine Zukunft hast. Und ich weiß jetzt auch, dass ich eine habe."

„Hm", kommt es von Arthur und ich sehe, wie seine Finger sich gegenseitig kneten.

„Du verdienst es, glücklich zu sein, Arthur", sage ich. „Du bist es wert, dass jemand dich so liebt, wie du bist. Und ich würde mich sehr freuen, wenn ich dich glücklich sehen könnte. Ob mit mir oder jemand anderem, Hauptsache glücklich."

Meine Stimme zittert mit meinen Worten und ich befürchte, ich kann meine Tränen nur noch schwer zurückhalten.

„Wobei ich ehrlich sagen muss, dass ich an der zweiten Variante doch etwas zu knabbern hätte", füge ich hinzu. „Und auch, wenn es mich nichts angeht und du deine eigenen Entscheidungen treffen solltest, muss ich sagen, dass ich nicht glaube, dass Corin–"

Und auf einmal springt Arthur auf, stürzt zu mir und beugt sich vor, um mein Gesicht in seine Hände zu nehmen.
„Es gibt nur die erste Variante, Felix", wispert er. „Und es tut mir leid, dass ich zu ängstlich war und viel zu lange gebraucht habe, das einzusehen."

Und dann sind seine Lippen dort, wo sie hingehören – auf meinen eigenen.

Wunschdenken | ✓Where stories live. Discover now