50 | Wieso bin ich nicht zu Hause?

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Es fühlt sich irgendwie kühl und ungemütlich an. Nicht wie im Schwimmbad, aber doch ähnlich.

Ich strecke meine Arme nach vorn und plötzlich wird es um mich herum hell. Verstört blinzle ich mit den Augen und stelle fest, dass ich mich offenbar in einer Art Vorraum einer öffentlichen Toilette befinde und gerade den Bewegungssensor für das Licht ausgelöst habe.

Das ungute Gefühl, dass Arthur und ich uns heute nicht in meinem Haus sehen werden, beschleicht mich. Warum bin ich auf einer Herrentoilette?

Okay, ich bin ein Mann, das ergibt schon Sinn. Aber Arthur ist nicht hier.

Schnell habe ich den Ausgang erspäht und gehe zielgerichtet durch die Tür, um mich auf einem langen Korridor wieder zu finden. Es ist hell und steril und ich höre quietschende Schuhe auf Linoleum.

„Dr. Portman bitte in die acht", schallt eine Durchsage durch unsichtbare Lautsprecher.

Ganz offensichtlich befinde ich mich in einem Krankenhaus.

Ist Arthur etwas passiert?

Panisch ziehe ich mein Handy aus der hinteren Tasche meiner Jeans, die ich trage, und kann sehen, dass ich einen entgangenen Anruf und eine Nachricht von Arthur habe.

Das Universum scheint es mit dem Auftauchen noch nicht ganz raus zu haben, wenn der Kontakt zu Arthur nur in lebendig klappt.

Wobei es auch seltsam für mich wäre, mit ihm zu telefonieren, wenn ich gerade nicht existiere. Existiert dann überhaupt mein Telefon? Hat es wohl geklingelt? Und hört das dann irgendjemand?

Schnell öffne ich die Nachricht und bete inständig, dass es ihm gut geht.

Arthur Moore

Felix, ich muss
unser Date verschieben.
Tessas Baby kommt.
Ich ruf dich an!

Oh, Gott sei Dank! Erleichtert fasse ich mir an die Brust. Arthur geht es gut und vermutlich ist er hier irgendwo im Krankenhaus, weil seine beste Freundin ihr Baby bekommt.

Zielstrebig gehe ich den Korridor entlang und finde an einer der Wände einen Plan zur Orientierung. Glücklicherweise befinde ich mich unweit der Entbindungsstation und begebe mich durch die langen Flure zu einer gläsernen Flügeltür, die sich zu meiner Enttäuschung nicht wie erhofft automatisch öffnet.

Grübelnd stehe ich davor und versuche durch die zum Teil milchig verglasten Scheiben einen Blick ins Innere der Station zu erhaschen. Neben der Tür entdecke ich eine Klingel und drücke beherzt darauf.

Es dauert nicht lange und eine junge Frau in einem pinkfarbenen Krankenhausoutfit öffnet eine der Türen.
„Ja?", fragt sie und blickt sich um, als würde sie noch jemanden in meiner Begleitung erwarten.

„Hi", lächle ich sie an. „Ich bin auf der Suche nach jemandem."

„Die Information ist im Erdgeschoss."

„Ja, also ... ich suche einen hübschen, jungen Mann", erkläre ich und frage mich zugleich, ob meine Aussage vielleicht irgendwie merkwürdig bei meinem Gegenüber ankommt, denn ihre Augenbrauen ziehen sich fragend zusammen. „Sein Name ist Arthur. Er ist nur ein wenig kleiner als ich, also relativ groß, hat schwarze Haare und ganz tolle, dunkle Augen und er–"

„Hören Sie, hier ist die Entbindungsstation und keine Partnervermittlung. Alle Männer, die Sie hier finden, sind entweder gerade dabei, sich von ihren gebärenden Frauen anschreien zu lassen oder hilflos weinend ein Baby in den Armen zu halten. Und der einzige männliche Geburtshelfer hier ist Harold. Der ist allerdings Mitte fünfzig und schon ziemlich grau", lässt mich die entnervte Geburtshelferin wissen.

„Oh, nein", lache ich. „Arthurs beste Freundin, Tessa ist ihr Name, bekommt ihr Baby und darum müsste er eigentlich–"

„Felix?", höre ich Arthurs traumhafte Stimme hinter mir und als ich mich umdrehe, sehe ich ihn mit zwei Kaffeebechern aus Plastik auf uns zukommen. Statt des blauen Anzugs trägt er jetzt eine schwarze Jogginghose und ein dunkelblaues T-Shirt.

„Arthur!", rufe ich freudig und drehe mich noch einmal zu der jungen Frau. „Das ist er. Ist er nicht toll?"

Sie sieht mich nur mit einem Wie auch immer?!-Blick an und zeigt dann mit ihrem Daumen auf mich, während sie Arthur anspricht: „Das geht jetzt aber nicht, dass noch ein Kerl mit ins Zimmer kommt."

„Alles gut", lässt Arthur sie wissen. „Könnten Sie Mr. Carlton diesen Kaffee bringen? Ich komme gleich nach."

Etwas widerwillig nimmt die Frau den dargebotenen Becher entgegen und verschwindet hinter der Tür.

„Felix, was machst du hier?", fragt Arthur mich, während er lächelnd über meine Schulter streicht.

Mir entgeht nicht, dass er erschöpft aussieht und ich streiche vorsichtig mit meinem Finger über seine Wange.
„Ich war wieder einmal plötzlich hier", lasse ich ihn die Wahrheit wissen. „Ist alles okay?"

„Weißt du, das ist ein Thema, das wir bei unserem nächsten Date definitiv besprechen sollten."

„Bist du nicht okay?", frage ich alarmiert.

Was ist los? Ist etwas mit Tessas Baby? Ist Arthur vielleicht krank und das wurde erst hier im Krankenhaus festgestellt, weil er zufällig hier war?

„Was?" Arthur schüttelt lächelnd seinen Kopf. „Doch, mir geht es gut. Nur etwas erschöpft."

„Wie geht es Tessa? Und dem Baby? Ist es schon da? Ist es ein Junge oder ein Mädchen?"

„Ihr geht es den Umständen entsprechend gut", seufzt Arthur. „Aber es dauert sehr lange. Und Tessa ist ... launisch, um es freundlich zu sagen. Gary und ich wechseln uns ab, uns von ihr anschreien zu lassen. Die Ärztin sagt, es kann noch länger dauern."

„Und du bleibst die ganze Zeit?"

„Tessa und Gary möchten das gern. Und ich auch."

Ohne Vorwarnung falle ich ihm um den Hals und drücke ihn fest an mich.
„Du bist so wundervoll, Arthur", murmle ich an seiner Schulter.

Zögerlich erwidert er meine Umarmung und kichert mit seinem Mund an meinem Hals. Das Gefühl kribbelt angenehm.
„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Ist es okay, wenn ich mich melde, wenn das Baby da ist?"

„Mehr als okay", antworte ich und küsse seine Wange.

„Dann gehe ich mal wieder rein und löse Gary ab", sagt er, während er sich langsam von mir löst und auf den Klingelknopf drückt.

„Ich bin mir sicher, dass ich wieder irgendwo in deiner Nähe auftauche", kichere ich.

„Darüber reden wir auf jeden Fall beim nächsten Mal ausführlich", verspricht er, als die Krankenhausmitarbeiterin die Tür öffnet und er hindurchschlüpft. „Bis bald, Felix!"

„Bis bald, Arthur", flüstere ich in die mich umfangende Dunkelheit.

Wunschdenken | ✓Where stories live. Discover now