59 | Ich lebe.

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Eineinhalb Tage sind vergangen und bis auf die wenigen Stunden unruhigen Schlaf, die ich auf dem Sofa bekommen habe, habe ich vergeblich auf die Dunkelheit oder Arthur gewartet.

Keins von beidem ist gekommen und inzwischen bin ich mir sicher: ich lebe einfach.

Mein Handy hat mir verraten, dass heute Montag ist, also stehe ich frisch geduscht mit meinem Autoschlüssel in der Hand in meiner Garage und starre mein Auto an.

Die Gedanken an Arthur sind zurück. Er hat nicht angerufen, wie er gesagt hatte. Nein, wie er sagen wollte. Ich habe ihn unterbrochen und gebeten, mich nicht anzulügen.

Zumindest hält er sich daran, denke ich bitter.

Störrisch schüttle ich meinen Kopf, in der Hoffnung, ihn aus meinen Gedanken zu vertreiben, und steige in mein Auto.

Mein Körper weiß, was zu tun ist und auch, wohin es geht. Und so mache ich mich auf den Weg in mein Café.

•••

Im Café ist es ruhig, aber nicht zu ruhig. Zwei Frauen sitzen gemeinsam an einem der Tische und frühstücken, zwischenzeitlich waren einige Männer in Anzügen da und haben sich Kaffee oder auch Muffins und Sandwiches zum Mitnehmen geholt.

Keiner von ihnen war Arthur und keiner von ihnen hat mich interessiert.

Hin und wieder ziehe ich mein Handy aus meiner Hosentasche und schaue darauf.

Keine Anrufe. Keine Mitteilungen.

Einmal prüfe ich meine E-Mails und sogar den Spam-Ordner in der Hoffnung, hier vielleicht Antworten zu finden, doch alles ist leer.

Wie ich.

Ich meide den kleinen Nebenraum mit der Schwingtür, obwohl die Servietten zur Neige gehen und ich genau weiß, dass ich dort Nachschub bekomme.

Allerdings kommen dann auch die Gedanken an Arthur zurück, wie wir in der Kammer standen und er mich einfach so geküsst hat.

Schnell wische ich mit meinem Handrücken über mein Gesicht und greife nach dem Lappen, um die sauberen Tische wieder einmal abzuwischen.

•••

Als es draußen zu dämmern beginnt und seit etwa einer Stunde kein neuer Gast mein Café betritt, entschließe ich mich, für heute Feierabend zu machen.

Zögerlich starre ich die Schwingtür an und hadere mit mir. Alles andere ist bereits geputzt und für den morgigen Einsatz vorbereitet, aber ich komme nicht umhin, Servietten und frische Kaffeebohnen aus dem Lager zu holen.

„Es ist ja auch bescheuert, eine Kammer zu meiden", sage ich zu mir selbst und komme mir mit meiner lauten Aussprache direkt noch bescheuerter vor.

Entschlossen drücke ich die Schwingtür auf und gehe in die Kammer, zielgerichtet auf das Regal mit den Servietten zu. Rasch sammle ich die Dinge zusammen, die ich brauche, und klemme sie mir unter die Arme. Mein Blick fällt auf die Aktenordner mit den Unterlagen zum Café und augenblicklich ist das Bild von Arthur zurück, wie er hier stand und mich gefragt hat, ob ich meine Steuern selbst mache.

Hätte ich es da ahnen müssen? Dass er Steuerberater und kein Anwalt ist?
Gab es Hinweise dafür, dass es mit uns nicht funktionieren wird? Habe ich die Anzeichen vor lauter Verliebtheit einfach übersehen?

Der Sack mit den Kaffeebohnen entrutscht meinem Griff und plumpst mit einem scheppernden Geräusch neben mir auf den Boden. Meine Knie geben nach und ich sacke ebenso nach unten.

Ich habe mich noch nie so bedeutungslos gefühlt und wünschte, es würde einfach wieder dunkel werden.

Wunschdenken | ✓Where stories live. Discover now