Kapitel 5.2 - Der Brecher

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Fynch

Sofort huschte mein Blick zu Cory Nestor. Sein Gesichtsausdruck war unverändert, weiterhin besorgt, aber er hielt nun etwas in der Hand. Es war groß genug, um problemlos in seine geschlossene Faust zu passen und zwischen seinen Fingern drang ein rötliches Licht hervor.

Diese schlaue, feige Ratte.

Ich konnte mich rechtzeitig ducken, bevor Nestor seine Faust zusammendrückte. Kaum tat er dies blieben die Netze aus Funken ruhig auf sämtlichen Holzflächen liegen. Zwei Sekunden später explodierten die Funken. Ein lauter Knall drang durch die Schenke, mit dem Knall wurde sie von einem hellen Licht erleuchtet und angebrannte Holzteile flogen wie scharfe Pistolenkugeln durch den Raum. Ich hörte um mich herum die Schreie der Männer als sie von gesplitterten Holzteilen und den explodierenden Funken getroffen wurden. Sie klangen qualvoll und waren voller Leiden.

Mit ihnen hörte ich jedoch noch andere Schreie. Doch diese Schreie waren nicht wirklich hier... Ihre Stimmen waren schwach und schienen von weiterwegzukommen und sie gehörten neben Männern auch Frauen und Kindern. Manche schrien vor Schmerz, andere schrien nach Hilfe oder nach Gnade – aber sie bekamen weder das eine noch das andere.

Die Schreie erstarben als ein lauter Pfeifton in meinen Ohren zu hören war. Stattdessen tauchte etwas vor meinen Augen auf. Es waren vereinzelte Bilder, die schnell an mir vorbeizogen wie in einem Traum. So sah ich eine kleine Familie aus einem Elternpaar und drei Kindern. Sie saßen alle fünf lachend auf dem Boden eines Waldes. Kurz danach sah ich die drei Kinder zwischen den Bäumen des Waldes laufen. Sie lachten und liefen um die Wette, während sie Stück für Stück den Wald erkundeten. Sie alle wirkten so friedlich und schienen alle Spaß zu haben.

Im nächsten Moment spürte ich einen Schlag am Hinterkopf. Ich schrie auf, mehr überrascht als wegen Schmerz. Zwischen dem schwächer werdenden Pfeifton konnte ich das Klirren von Glas hören, dazu verspürte ich einen stechenden Schmerz. Als ich aufblickte verschwanden diese komischen Bilder vor meinen Augen und ich sah wieder die inzwischen verwüstete Schenke. Während die meisten Anwesenden benommen waren oder unter Schock standen war ein Mann im Eiltempo dabei die Tür aufzureißen und rauszulaufen. Cory Nestor!

,,Verdammt!", rief ich wütend auf.

Der Schmerz an meinem Kopf dauerte nur wenige Sekunden an, das genügte mir und so schnell ich konnte sprang ich auf und eilte durch die offenstehende Tür nach draußen. Als ich raus geeilt kam, war das erste was ich sah, den in der Nähe stehenden Sommer, der bei meinem kommen aufschaute und leise klackerte. Mein Blick schweifte über den ganzen Platz, bis ich Nestor an der nächstgelegenen Straßenkreuzung weglaufen sah. Mit dieser Flucht und dem Angriff hatte sich der Feigling sein eigenes Grab geschaufelt.

,,Sommer, such ihn!"

Mein Sha'Kmal hörte auf meinem Ruf. Er hatte bemerkt das ich Nestor hinterher geschaut hatte und wusste so, dass ich auf diesen Mann wütend war und dadurch wurde auch er wütend. Mit gefletschten Zähnen machte er einen weiten Sprung und stürmte mit einem lauten Kratzen auf dem Steinboden dem fliehenden Mann hinterher. Er lief ihm auf dem direkten Weg nach, ich aber entschied mich für einen anderen Weg.

Ich lief zum nächstbesten Gebäude und begann dort die Hauswand hochzuklettern. Ich machte mir dabei vor allem die Fensterbänke zu nutzen, an denen ich mich besser festhalten und auf denen ich einen Moment lang auch stehen konnte. Jedes Mal, bevor ich es wagte meinen Körper auf die nächste Fensterbank hochzuziehen, warf ich zuvor einen Blick auf den Raum hinter den verschmutzten Fensterscheiben, doch zum Glück war jedes Zimmer leer.

Daegor - Blut und SchimmerWhere stories live. Discover now