Kapitel 34.1 - Verbundenheit

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Echo

Das Land Prodias trug für Außenstehende zwei weit bekannte Namen: Der Mittelpunkt von Eridia und Das Wasserreich. Beide Namen waren passend und beschrieben die geographische Lage und das Aussehen des Landes.

Egal wo man hinsah, in jede Himmelsrichtung erstreckte sich ein Fluss durch das Land oder Seen glitzerten im Licht der Sonne auf, manche verborgen vom hohen Gras und Schilf. Wälder sah man auf den ersten Blick nicht, aber Prodias war ja auch für seinen Reichtum an Wasser bekannt und nicht anhand seiner Wälder. In der Ferne konnte ich ein paar dunkle Erhebungen auf der Landschaft sehen, die wahrscheinlich Gebäude eines Dorfes waren. So nah an der Grenze gab es noch keine großen Städte von Prodias. Wahrscheinlich war es eins der Arbeiterdörfer, die für die Wasserräder verantwortlich waren. Die metallisch glänzenden Teile der großen Maschinen blitzten im Westen auf. Sie befanden sich im Irav-River, den ich gestern auf meinen Weg verlassen hatte, denn während ich weiterhin im Wald geblieben war, hatte sich der Fluss für einen Weg außerhalb des Gestrüpps entschieden.

Und so stand ich nun auf einer kleinen Anhöhe mit den letzten schützenden Bäumen. Vor mir begann das Wasserreich und bei dem Gedanken ohne große Deckung weiter zu reisen, überkam mich ein leicht beängstigtes Gefühl. Unwohl zupfte ich am Kragen meiner Jacke und wischte mir dann mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Das Wetter in Prodias war etwas wärmer und die Luft schwül.

,,Hast du Angst?"

Hinter mir knackten Zweige, als sich der kräftige Körper meines Gefährten aus dem Schatten schob. Der Sorvu blinzelte zuerst das vor uns liegende Gelände und dann mich an, den Kopf fragend zur Seite geneigt. Bei seinem Anblick befürchtete ich, dass man auch ihn schnell auf dem offenen Gelände sehen würde – so ein laufender Daegor war ziemlich auffällig.

,,Ich mache mir Sorgen, Ven-Gahn." Mit dem Versuch sicherer zu wirke, raffte ich die Schultern und rückte die Träger meines Rucksacks zurecht. ,,Wir wissen nicht was uns hier erwartet, es sieht so aus als würden wir nur wenig Deckung zur Verfügung haben und ich weiß nicht welches Dorf Fremden genug vertraut, um uns nicht gleich dem Marshall zu übergeben."

,,Die Menschen werden uns schon keine Probleme machen", winkte der Sorvu gleichgültig ab. ,,Von Fremden halten sie sich sowieso immer fern. Das prodaische Volk mag keine Außenstehenden, es wäre also schon ein Wunder wenn sie mit uns reden würden."

,,Warst du schon mal in Prodias?"

Kurz hob er den Blick zum Himmel, als würde er scharf nachdenken. Doch dann schüttelte er den Kopf und sein Blick glitt wieder zu mir. ,,In all meinen Leben bin ich nur in einem Luftschiff über Prodias geflogen. Ich habe meistens in armen Schluckern gelebt, die nicht viel erlebt haben. Es hat ihnen zwar an Dimmen und Style gefehlt, aber dadurch sind sie nicht sofort aufgefallen."

,,Dann weiß keiner von uns beiden, was uns hier erwartet." Seufzend straffte ich die Schultern. ,,Schlechter kann es aber auch nicht werden."

,,Abwarten", erwiderte Ven-Gahn und stieß seine Krallen in die erweichte Erde. ,,Man sollte niemals voreilig sein."

,,Danke", murmelte ich sogleich düsterer. Dennoch begann ich den Abstieg.

Auf halbem Wege nach unten vernahm ich von hinten ein rotgoldenes Leuchten. Als ich über die Schulter blickte, sah ich wie der entflammte Daegor-Körper anfing zu schrumpfen. Nebenbei veränderte sich sein Körper noch auf eine andere Art: Fell wuchs auf seiner dicken Haut, sein Mund formte sich zu einer schmalen Schnauze, die Beine wurden kürzer und Federn sprossen an den beiden vorderen heraus, ihm wuchs ein dichter Schweif und Ohren ragten  aus dem Kopf heraus. Und als die Flammen erloschen stand kein Daegor mehr hinter mir. Stattdessen befand sich dort ein Federfuchs mit rotbraunem Fell, das durch die weißen Flecken und Sprenkeln einem dämmernden Himmel mit Wolken ähnelte.

Daegor - Blut und SchimmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt