Kapitel 14.1 - Gefangen

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Echo

Das Erste was ich bei meinem Aufwachen spürte, waren Kopfschmerzen. Mein Kopf dröhnte und dumpf klopfte es gegen meine Schläfe. Blinzelnd versuchte ich meine Augen zu öffnen, doch kaum hatte ich sie einen Spalt weit geöffnet, brachten mich die Kopfschmerzen dazu sie schnell wieder zu schließen. Stöhnend fasste ich mir an die schmerzende Schläfe und erstarrte sogleich in meiner Bewegung.

Vor meinem Auge sah ich all das Geschehene schnell und doch so real als würde ich es noch einmal miterleben: Das Treffen mit Gingo, das in einer Falle endete; der Bluthund und wie er versuchte mich zu töten; Halastjarni, der die Kontrolle übernommen hatte; Lunas und Tobis Leichen; Darios Tod vor meinen Augen und wie mich jemand angegriffen hatte. Natürlich, jemand hatte mich angegriffen und dadurch war ich bewusstlos geworden. Doch wenn ich bewusstlos gewesen war, wo befand ich mich nun?

Während ich weiter versuchte meine zitternden Augenlider zu öffnen, versuchte ich irgendetwas durch meine anderen Sinne herauszufinden. So hörte ich das leise Knistern eines Feuers, hörte Kleidung, die durch Bewegungen aneinander gerieben wurde und das entfernte Knacken von Holz. Meine Vermutung war durch dieses Knacken, dass ich mich irgendwo in einem Wald befand und dazu passten auch die Gerüche, die mir in die Nase stiegen: Nasses Laub, Baumrinde und Erde. Daneben vermischte sich noch der Geruch von angebratenem Fleisch und verbranntem Holz, als würde jemand ein Feuer nutzen, um sich ein Abendessen zu braten.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten es meine Augen geschafft sich zu öffnen. Ich blickte hoch gen Himmel und konnte zwischen ein paar dunklen Baumkronen das tiefe Schwarz des Nachthimmels erkennen, der von weißen Sternen gesprenkelt war. Ich hatte als recht gehabt: Ich befand mich in einem Wald und das mitten in der Nacht. Unter mir spürte ich eine weiche Unterlage und darunter drückte die Erde des Waldbodens gegen meinen Rücken. Vorsichtig bewegte ich meinen Kopf zur Seite und blickte so zuerst auf das knisternde, orangerote und gelbe Feuer. Anhand der besonders glühenden Funken, die langsam zum Himmel aufstiegen und dort zum Teil der Nachtluft verschmolzen, erkannte ich, dass es ein magisches Feuer war, entstanden aus der Macht eines Ätherkristalls. Hinter dem Feuer konnte ich eine große, tierische Gestalt ausmachen und unwohl zuckte ich zusammen.

Von Sha'Kmals hatte ich schon oft gehört, doch einen gesehen hatte ich bisher noch nie - dennoch passte die Beschreibung genau. Dieses große Exemplar wirkte stark und besaß kräftige Beine, sowie einen kräftigen Kiefer, einen eleganten, schmalen Körper und federartige Ohren, die bei jedem Geräusch des Waldes zuckten. Er besaß eine kleine Ansammlung aus blassen Stacheln an seinen Schultern, im Nacken und am Schweif, wo sie in einer Keule aus Stacheln überging. Der Kopf wurde von zwei weiteren Hörnern und etwas Kleineren am Kinn geziert. Hätte der Sha'Kmal nicht die auffälligen, silbernen Sprenkeln an Schnauze, Ohren und Rücken gehabt, so wäre er dank seiner tiefschwarzen Schuppen glatt in den Schatten untergegangen – so sah er aber aus wie ein Stück des Nachthimmels.

Der Drache selbst wirkte so, als würde er schlafen. Seine Augen waren geschlossen, der Kopf ruhte auf einer seiner gespreizten Klauen. Doch für einen tiefen Schlaf zuckten die Ohren und die Schnauze zu sehr. Durch das Feuer erkannte ich die hellbraunen, ledernen Striemen, die der Drache um seinen Rumpf trug. Es war wohl ein Geschirr. Das Geschirr war verrutscht, wodurch ich die silberfarbene Plakette an der Seite gut erkennen konnte. Genau genommen konnte ich das Symbol darauf gut erkennen: Eine Lotusblüte.

Scalra!

Ich schaffte es halbwegs von meiner Position aus, besser auf meine Umgebung zu schauen. Und so konnte ich den Scalra schnell entdecken. Er war beinah genauso getarnt wie der Sha'Kmal mit seiner dunklen Kleidung. Ich fand es komisch, dass sein Mantel nicht aus der Haut eines Sandspeiers bestand, immerhin war dieses Material neben der Lotusblüte das bekannte Zeichen der Scalras. Möglicherweise wollte er aber auch, dass man ihn für etwas anderes hielt als er war, das erkannte ich wiederrum an seinem verborgenen Gesicht. Eine Mykos-Maske aus Stein verdeckte das Gesicht des Scalra, die Kapuze weit übergezogen und die Augen verborgen hinter Obsidianglas aus Alchemie-Kunst. Der Scalra machte auf mich einen entspannten Eindruck. Er saß gegen einen niedrigen Felsen gelehnt, ein Bein aufgestellt und einen Arm auf dem Knie ruhend, während er vor sich im Feuer aufgespießtes Fleisch briet.

Daegor - Blut und SchimmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt