Kapitel 23.1 - Wo die Wahrheit liegt

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Fynch

,,Also gut, nun müssen Sie sich konzentrieren, Fynch. Versuchen Sie sich vorzustellen, wie sich der Arm bewegen soll. Sie dürfen an nichts anderes denken!"

Dann halt die Klappe und es wird funktionieren! Verärgert über die ständigen Kommentare und Aufforderungen von Professor Reynard, warf ich ihm einen wütenden Bick zu, den er aber natürlich nicht bemerken konnte.

Ich stand mitten im größten Labor der Alchemie, der fast die Hälfte des obersten Stockwerkes einnahm. Alle wissenschaftlichen Labore lagen in den oberen zwei Stockwerken wo es neben der Alchemie auch um Wissenschaft und Biologie ging. In den Laboren der Alchemie wurde an vielen Sachen erforscht, aber die Hauptaufgabe waren die Erfindungen von Technik, die mit Magie betrieben wurde. So etwas ähnlich war auch bei mir der Fall, allerdings fiel es auch in den Bereich von der Entwicklung spezieller Waffen. Seit einer halben Stunde war ich schon in dem Labor, das durch seine großen Fenster und dem zum Teil gläsernen Dach stets von Sonnenlicht durchflutet wurde. Die schüchterne Assistentin hatte mich hierhergeführt und war seit Professor Reynards Begrüßung verschwunden.

Professor Derrick Reynard war nur wenige Jahre älter als ich und hatte es seinem hohem IQ und der ausgezeichneten Masterarbeit zu verdanken, zu Beginn seiner Karriere der Assistent des ehemaligen Leiters der Alchemie-Labore geworden zu sein. Und hätte sich der ehemalige Leiter vor seinem Ruhestand nicht so für Reynard eingesetzt, so wäre er jetzt immer noch nur ein Assistent – aber nun war er der Leiter der Abteilung. Ich hatte bisher wenig Kontakt zu dem schlanken Mann mit den langen Beinen gehabt, ich wusste nur das er auf irgendeiner Weise mit Xander verwandt war und allein diese Information über ihn reichte mir. Die Ähnlichkeit erkannte man aber auch schnell mit dem Eichhörnchen-Aussehen, das beide besaßen.

Deswegen gab ich mir auch nun die größte Mühe seine Stimme auszublenden, während ich versuchte das Metall zu bewegen, das meinen neuen Arm darstellen sollte. Dieses Ding aus grauem Metall und mit dem bläulichen Schimmer, sah einem Arm auch äußerst ähnlich, doch wirkte er im Moment noch wie ein fremder Arm. Reynard meinte zwar, er könnte mithilfe einer Kollegin eine Illusion über die Prothese legen, damit sie wie ein richtiger Menschenarm aussah, doch ich war noch am überlegen, ob ich das wollte. Wahrscheinlich wollte Lady Ascillia es, aber ich hatte sowieso gerade vor ein wenig gegen sie zu rebellieren.

Seufzend senkte ich den Blick zum Boden und riss ihn damit los von meinem metallenen Arm. Dieser lag noch halb vor mir auf dem Tisch, die spitzen Finger waren nach vorne gestreckt und warteten auf meinen geistigen Impuls, mit dem sie sich dann bewegen sollten. ,,Wie lange wird es dauern bis ich dieses Ding bewegen kann?"

Der Professor stand auf der anderen Seite des Tisches und hatte mir seit meinem letzten Versuch schweigend zugeschaut. Wie ein selbstsicherer Profi hatte er die Hände in die Taschen seines weißen Kittels gesteckt, aber irgendwo in ihm lungerte die Arroganz, die tief in seinen Wurzeln verankert waren – sein Cousin oder Großcousin Xander besaß sie schließlich auch.

,,Es ist ein Arm aus magischem Metall, Fynch", antwortete der Professor. Scheinbar meinte er mit dieser Antwort genug gesagt zu haben, denn danach kam kein weiterer Ton von ihm. Erst als ich noch Mal seufzte und mich aufrichtete, fuhr er hastig fort. ,,Du musst dich nicht an den Arm anpassen, er wird sich an dich anpassen. Die Verbindung wird Sekunde zu Sekunde stärker und schon bald wirst du ihn genauso einfach mit deinem Verstand steuern können wie deinen anderen Arm."

,,Wie lange kann es aber dauern?"

,,Nicht länger als zwei Tage."

,,Dauert ja schon lange genug", knurrte ich und schob meinen leblosen Arm mithilfe meiner richtigen Hand vom Tisch. Das Ergebnis war ein toter Arm, der an meiner Seite runter baumelte. ,,Trotzdem Danke."

Daegor - Blut und SchimmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt