Kapitel 31.3 - Dunkle Mächte

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Echo

Ein schrilles Kreischen ließ mich meine Augen öffnen. Verwirrt schaute ich mich um und fand mich auf meiner Decke liegend wieder. Vor mir stand noch die eingeschaltete Laterne – sie war wie ein Leuchtfeuer in der Nacht. Als ich an der Laterne vorbei zum Fluss schaute, stellte ich verwirrt fest, dass er gar nicht mehr leuchtete. Er war genauso dunkel wie die Schatten um mich herum.

Verwirrt setzte ich mich auf und schlang dabei leicht fröstelnd die Decke enger um meinen Körper. Was ist passiert? Das war doch kein Traum gewesen. Oder am Ende doch?

Obwohl ich an der Realität weiter festhalten wollen, seufzte ich enttäuscht und stellte den Kragen meiner Jacke auf. Wie es aussah war ich wirklich eingeschlafen. Aber wenn es wirklich nur ein Traum gewesen war, wieso glaubte ich noch die Wärme meines Vaters auf der Haut zu spüren und seinen Duft in der Nase zu riechen?

Erst ein zweites Kreischen holte mich aus meinen Gedanken. Ich zögerte nicht lange, griff nach der Laterne und stand auf. Mit noch erschöpften Beinen stampfte ich zu den Bäumen, ungefähr in die Richtung, aus der das Kreischen gekommen war. Es war vielleicht naiv einfach so ins unbekannte zu laufen, unbewaffnet und ahnungslos, aber ich kannte diese Art von kreischen und aus alter Solidarität konnte ich es nicht ignorieren. Ich lief eine gewisse Zeit lang und währenddessen war ein drittes Kreischen zu hören. Es ließ meine Schritte schneller werden und wäre die Laterne nicht gewesen, so wäre ich blind vor Sorge wahrscheinlich schon über eine Wurzel oder einem liegenden Baumstamm gestolpert. Das Licht der Laterne war nicht besonders hell, aber es reichte um zu erkennen was vor und hinter mir lag.

Und dann sah ich den Grund für das Kreischen. Meine Vermutung hatte richtig gelegen, es war ein Daegor. In seiner Monstergestalt lag das dunkle Wesen auf dem Waldboden. Sein rotes Feuer strahlte wie eine Warnung und erhellte die nahstehenden Bäume auf eine leicht schaurige Weise. Die Krallen einer Hand bohrte er schwer atmend in den Erdboden, die andere Hand ruhte unter einer blutenden Wunde und fing die dunkelroten Blutstropfen auf.

Der Daegor war so erschöpft von den Schmerzen, dass er gar nicht bemerkte wie ich näher kam. Erst als ich fast vor ihm stand und ein Stock unter meinen Füßen knackte, hob er den glühenden Blick. Und sofort bleckte er die Zähne und fauchte mich drohend an. Ich blieb sofort stehen, mehr tat ich aber nicht. Ich erkannte, dass der rote Daegor mit dieser Art von Wunde und seiner Erschöpfung schon Probleme haben würde aufzustehen, da konnte er mich niemals angreifen. Aber irgendetwas stimmte an dieser Wunde nicht. Es sah aus wie eine Stichwunde und dazu befand sich diese Wunde an einer untypischen Stelle. Wenn man einen Daegor angriff, versuchte man ihn am Rücken, Hals oder Kopf zu erwischen, aber niemals am Bauch.

Doch dann schaute ich mich um und entdeckte einen weiteren Körper, der nur ein paar Meter weiter im Laub lag. Dieser Körper gehörte einem Menschen. Der Mann war augenscheinlich ein Scruffer, dass verriet die zerlumpte Kleidung, die dreckige Haut und fettigen Haare. An seinem Bauch war das alte Hemd aufgerissen, die Haut darunter aufgeschnitten und Blut tropfte aus der Wunde – an derselben Stelle besaß auch der Daegor seine Wunde! Die Augen des Mannes waren offen und soweit verdrehte, dass man das weiße sehen konnte. Die Adern waren aufgeplatzt und die Haut war unter dem Dreck erschreckend blass.

,,Er hat kaum noch Blut", flüsterte ich etwas erschrocken. Mein Blick fiel zurück auf den keuchenden Daegor. Er fauchte mich nicht mehr an, aber er blieb wachsam und seine rotglühenden Muskeln waren angespannt. ,,Das war dein Mensch, Sorvu. Du hast dich von diesem Menschen gelöst, während du noch die Kontrolle hattest."

Schmunzelnd ging ich langsam in die Hocke. Ich stellte die Laterne neben mir ab und wandte mich voll und ganz an den Daegor, der mich nun viel mehr interessiert als drohend ansah. ,,Du hast wohl nicht gewusst, dass du bei dieser Art von Trennung die Verletzungen deines Menschen mitnimmst."

Daegor - Blut und SchimmerWhere stories live. Discover now