Kapitel 8.2 - Geschwister

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Fynch

Das Reich der Scalras befand sich im unterirdisch liegenden Teil der Zentrale. Durch den Seiteneingang kam man direkt dort hin, weswegen er auch hauptsächlich von uns genutzt wurde. Schweigend betraten Fred und ich den Aufzug, der uns mit einem leisen Summen in der Luft nach unten fuhr. Ich fühlte immer wieder Freds Blick auf mir, abwartend und besorgt. Wahrscheinlich würde er mich so lange im Auge behalten, bis er sich sicher war, dass ich nicht bei Lady Ascillia Ärger machte.

,,Ich brauche keinen Bewacher."

Fred schmunzelte. ,,Nein, der hätte gegen dich auch keine Chance. Sollte man dich je unter Beobachtung stellen, würde man eine ganze Armee brauchen."

Mit einem sanften Ton blieb der Aufzug stehen und öffnete seine gläsernen Türen. Fred wollte schon einen Schritt nach vorne machen, doch ich war schneller, packte ihn am Arm und hielt ihn so zurück.

,,Dann Versuch gar nicht erst, mich wie ein Wachhund zu bewachen!", knurrte ich und schob mich als erster raus.

Ich hörte noch, wie Fred hinter mir irgendetwas murmelte, aber meine Schritte brachten mich schnell weg.

Auf dem Gang befanden sich auf beiden Seiten einige graue Türen, hinter denen die Zimmer sämtlicher Scalras lagen. Weiter hinten öffnete sich der Gang in einen weiten, hellen Raum, von wo aus man weiter in das unterirdische Reich geführt wurde. Eigentlich gab es hier unten aber nicht viel. Neben unseren Zimmern und der großen Trainingshalle gab es noch die Kantine, eine kleine Bibliothek, einen Raum für unsere Ausrüstung und einen weiteren Raum mit mehreren Schusswaffen und einem Schießstand. Es war nicht unbedingt viel, aber wir sollten auch nicht besonders viel Zeit hier verbringen. Normalerweise waren wir zur sehr mit unseren Aufträgen und Missionen vom Imperium beschäftigt, wodurch ein normaler und ruhiger Aufenthalt in der Zentrale nicht länger als einen Monat andauern sollte.

Fred lief geradeaus weiter, ich dagegen hielt ungefähr in der Mitte des Gangs an. Meine Hand ruhte schon auf einem Türgriff, doch ich konnte ihn nicht runterdrücken. Halb drehte ich mich um und blickte auf die gegenüberliegende Tür. Fred Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie kann für sich selbst einstehen. Lege diese Bürde ab. Ich zweifelte nicht an Ivys Stärke und Willen, doch es gab niemanden der ihr zuhörte und ihr eine Chance geben wollte – niemand außer ich.

Ich ließ den Beutel mit meinen Sachen vor der Tür auf den Boden fallen, danach drehte ich mich ganz um und klopfte an die andere Tür. Obwohl es hieß wir sollten niemals ohne Antwort eine geschlossene Tür öffnen, so tat ich es dennoch. Der Raum dahinter war vom Grundbau genauso wie die restlichen Schlafzimmer der anderen Scalras. Nur waren in meinem Zimmer die Regale nicht hauptsächlich von Flaschen, zusammengebundenen Kräutern, Ätherkristallen, Glasröhrchen und anderem Zeug vollgestellt, das man alles für die Kunst der Alchemie benötigte. Was für Ivy einst als Hobby angefangen hatte, war für sie bald zur Leidenschaft geworden, wodurch sich leider ihre restlichen Probleme nicht erleichtert hatten.

Mit dem Rücken zu mir gewandt saß Ivy an ihrem Tisch, gebeugt über selbstgeschriebene Aufzeichnungen, während vor ihr verschiedene Töpfe und kleine Behälter vor sich her dampften. Manche waren durch gläserne, geringelte Röhren miteinander verbunden und waren neben Flüssigkeiten auch mit Blättern, Steinen oder Körnern gefüllt. Zudem lagen unzählige Ätherkristalle auf dem Tisch verteilt, so dass es mich überraschte als Ivy ohne den Blick von ihren Blättern zu heben zielsicher nach einem Kristall griff.

,,Hat man dir nicht beigebracht, das man auf eine Antwort wartet, bevor man ein fremdes Zimmer betritt?", fragte Ivy, ohne sich zu mir zu drehen.

,,Doch ich habe es gelernt." Schwer seufzend ließ ich mich mit dem Rücken auf Ivys Bett fallen. Am Fußende lagen mehrere Bücher und darüber hektisch hingelegte Klamotten. Es sah aus, als hätte man versucht die Bücher unter den Klamotten zu verstecken. ,,Aber seit wann ist das hier ein fremdes Zimmer?"

Daegor - Blut und SchimmerUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum