Kapitel 21 - Geheimnisse der Nacht

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Echo

Wie ich es schaffte mich mit meiner Verletzung voranzuschleppen war mir ein Rätsel. Doch ich schaffte es und nach fünf Minuten – die sich nach fünf Jahren anfühlten – sank ich erschöpft zu Boden. Mit dem Rücken lehnte ich mich gegen einen brüchigen, umgefallenen Baumstamm und schloss meine zitternden Augenlider. Meine Hand ruhte noch immer an meiner Wunde und fühlte sich durch das Blut schwer und klebrig an.

Neben mir spürte ich Bewegung und einen schweren Atem, als auch Fynch sich an den Baumstamm lehnte. Wir saßen so dicht beieinander, dass sich unsere Schultern berührten und ich konnte, schwören seinen wild klopfenden Herzschlag zu spüren. Fynch war stärker als ich, doch selbst solch eine Wunde konnte ein Scalra nicht einfach ignorieren. Es waren wahrscheinlich nicht nur die Schmerzen, sondern die schreckliche Erkenntnis keinen linken Arm mehr zu haben. Bevor ich mich übergeben und somit abgewendet hatte, hatte ich einen unfreiwilligen Blick auf den abgetrennten Arm erhascht. Vom Ellenbogen ab hatte der Scalra seinen ganzen Arm verloren, es blieb ihm nur noch ein Stummel mit herausschauenden Knochen.

Fynch und meine Schmerzen waren nicht die einzigen Sachen die ich spürte und die mich fertig machten. Bei mir gab es da noch ein kleines Problem, das mit H begann und mit alastjarni endete. Meiner Feuerseele gefiel es gar nicht was für Schmerzen er und damit auch ich erleiden mussten. Das Silber griff ihn wahrscheinlich schon an, deswegen sprang er auf meinem Gemüt rum wie auf einem Trampolin. Er wollte ausbrechen. Er wollte alles um sich herum in Schutt und Asche legen, wahrscheinlich wollte er auch den ganzen Wald niederbrennen, nur um seine Wut und seine Schmerzen ausleben zu können. Er verspürte Panik, das wusste ich, weil auch ich sie spürte.

Mein schneller Atem schmerzte mir in der Brust und es fühlte sich an, als würde mein Hals sich langsam schließen. Ich konnte so viele tiefe Atemzüge machen, wie ich wollte, doch es beruhigte mich nicht – im Gegenteil die Panik stieg an. Meine beiden Hände verkrampften sich: Eine Hand bohrte ihre Finger in die harte Erde unter mir und die anderen Finger bohrten sich in meine verletzte Haut, was weitere Schmerzen hervorrief.

Halastjarni, flehte ich meinen stummen Freund an und Tränen bildeten sich von neuem in meinen Augenwinkeln. Bitte hör auf. Es ist für mich genauso schwierig wie für dich. Wir können das nur überleben, wenn wir zusammenarbeiten und dafür musst du einmal Rücksicht auf mich nehmen, auch wenn du momentan der Gefangene bist. Bitte, ich flehe dich an!

Zuerst glaubte ich meine Worte würden wieder Mal auf taube Ohren treffen. Doch langsam löste sich die Panik. Langsam wich die Wut so weit zurück, bis sie zu einer ertragbaren Menge schrumpfte. Mein Atem konnte sich dadurch beruhigen und der schmerzhafte Knoten in meiner Brust löste sich.

Erleichtert atmete ich auf und öffnete meine Augen. Danke, mein Freund.

,,Man kann den Saphirmond schon sehen", flüsterte Fynch neben mir auf einmal.

Bevor ich mich zu ihm wandte, zögerte ich einen Augenblick, da ich mir nicht sicher war, ob er wirklich zu mir oder mehr mit sich selbst gesprochen hatte. Der Brecher hatte seinen Kopf auf dem Baumstamm abgelegt und blickte hoch zu den dunklen Baumkronen. Neugierig folgte ich seinem Blick nach oben. Hier, näher am Waldrand, lichteten sich die Bäume, wodurch man einen besseren Blick zum Himmel hatte, als in unserem ehemaligen, blutigen Lager. Der Himmel war schon dunkel und ein paar einzelne Sterne leuchteten wie glänzende Perlen auf. Das meiste Licht kam aber vom Kristallmond, dessen strahlendes Licht den Himmel zu erleuchten schien. Sein blauer Freund dagegen hielt sich zurück und gab nur ein schwaches Leuchten von sich, während er sich irgendwo hinter den Baumwipfeln versteckt hielt.

Irgendwo, einige Meter von uns entfernt, befanden sich noch die toten Kreuz-Jäger und der Bluthund am Bach. Fynch meinte die Soldaten, die man uns schicken würde, würden sich um die Wertsachen und Waffen der Toten kümmern. Eigentlich sollten wir die Leichen nicht anfassen und dennoch hatte er Sommer und Efeu erlaubt etwas zu essen. Und wenn die Entscheidung auf die Jäger fiel, konnte man es nicht verhindern. Einem Sha'Kmal sollte man nicht verbieten das zu essen was er essen wollte.

Daegor - Blut und SchimmerWhere stories live. Discover now