Daegor - Blut und Schimmer

Kapitel 19.2 - Ruhe vor dem Sturm

Echo

,,Oh Echo, wie kann man nur so unaufmerksam sein?" Grinsend ließ Jericho den Revolver in seiner Hand hin und her schwenken. ,,Du warst einmal so gut, wenn du für uns Junggesellen zum Ausnehmen gesucht hast. Aber nun..."

,,Und du bist du einem Trottel geworden!", fauchte ich zurück.

Um uns herum traten weitere Gestalten aus dem Schatten. Es waren Jäger, trainierte Killer die für ihre Beute ganze Wälder auseinandernahmen. Ihre lederne Kampfkleidung lag eng an ihren Körpern und bewaffnet waren sie mit Bögen, Äxten und Dolchen. Als ich es wagte den Kopf zu bewegen erkannte ich das es insgesamt neun Jäger waren.

Bei einer Jägerin blinzelte ich erstaunt als ich sie erblickte. Sie war schlanker als die zwei anderen Frauen aus der Gruppe, ihre schneeweiße Haut schien makellos und harmonierte zu den rosafarbenen, vollen Lippen. Ihr strohblondes Haar trug sie genauso wie die anderen Frauen zu einem Knoten am Hinterkopf, doch sie hatte zwei Strähnen aus dem Knoten gelöst, die nun ihr Gesicht einrahmten.

,,Kat", flüsterte ich und warf meiner ehemaligen Leidensgenossin einen finsteren Blick zu. ,,Von der schwachen Rose zur schwachen Jägerin."

,,Schwach sind die Verräter", giftete meine ehemalige Freundin Katja zurück. In ihrer Stimme lag wie immer ihr verführerischer Akzent, der an das Schnurren einer Katze erinnerte – deswegen ihr Spitzname Kat. ,,Deswegen bist du doch auch gegangen, Echo. Weil du schwach warst!"

Laub raschelte als Jericho vortrat. Mit einem Mal stand er mir so nah, dass ich die Wärme seines Körpers spürte und sich sein heißer Atem auf meine Haut legte. Ich zuckte dennoch nicht zusammen und schaute auch nicht zu ihm. Ich behielt meinen Blick entweder auf Kat oder auf dem Boden zwischen mir und ihr.

,,Hast du dich nicht gefragt wie wir dich damals hatten finden können?", fragte Jerichos Stimme nah an meinem Ohr. Er legte den Lauf des Revolvers an meine Wange und drehte so mein Gesicht in seine Richtung. ,,Du dachtest du hättest dein Geheimnis geschützt, als du es deinen zwei Freundinnen anvertraut hast – weil du ihnen versprochen hattest sie holen. Tja, aber zu unserem Glück ist Katja loyal. Als du verschwunden bist hat sie uns sofort von dir und diesem naiven, jungen Trottel erzählt. Weißt du eigentlich, wie einfach es war ihn und seinen Vater zu köpfen?"

,,Sein Name war Sal!" Wütend stieß ich Jericho von mir. Er stolperte ein paar Schritte nach hinten und grinste einfach nur weiter. ,,Und er war kein Trottel. Er war ein Mann, der wusste was Ehre bedeutete. Anders als die stinkenden, betrunkenen Penner, die sich Kreuz-Clan nennen!"

In meinem Wahn hatte ich eine Sache vergessen: Jericho war schnell. Er konnte den Abzug seines Revolvers schnell drücken und trotz einem Auge gut treffen. Er konnte ein Messer ziehen und es einem mit großer Wirkung in den Hals rammen. Und er konnte so schnell den Arm heben, dass man seinem Schlag nicht ausweichen konnte. Letztere Erfahrung musste ich Mal wieder machen. Jericho hatte die Rosen gerne geschlagen oder anders gewalttätig misshandelt, wenn sie sich ihm verweigert hatten. Das Zucken seines Arms verriet mir schon den Fehler, den ich begannen hatte und bevor ich zurückweichen konnte, traf mich der Schlag mit voller Wucht. Meine Wange glühte auf und erschrocken fasste ich mir an die Stelle, die bei der Berührung schmerzlich anfing zu pochen.

Bevor ich mich von diesem überraschenden Schlag erholen konnte, machte Jericho weiter. Er packte mich am Kragen meines Mantels und warf mich achtlos zu Boden, wo er sich mit einem Knie auf meinen Bauch stemmte. Sein halbes Körpergewicht lag auf mir und erzeugte einen schweren Druck auf meiner Brust. Angestrengt versuchte ich sein Bein von mir zu schieben, doch mit einem weiteren Schlag gegen meine Wange machte er den Versuchen ein Ende. Durch den zweiten Schlag verlor ich kurz die Orientierung. Alles drehte sich und ich musste ein paar Mal blinzeln, um wieder klar sehen zu können. Nur um dann wieder in den Lauf dieses schwarzen Revolvers zu blicken.