Kapitel 38 - Was das Ende weiß

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Echo

Kurz nachdem Fynch in Sicherheit war, fand uns Caitlain. Der Ärmel der Heilerin war dunkel und verklebt von frischem Blut, eine Wunde selbst schien sie aber nicht mehr zu haben. Wahrscheinlich hatte sie sich selbst geheilt. An Caitlains Seite waren Sommer und Efeu. Der weiße Jungdrache wirkte noch etwas schwach und benommen auf den Beinen – ich wollte gar nicht wissen in welcher Brutalität ihn die Scalra gefoltert hatte. Mit Hilfe seitens Ven Gahn und mir, schaffte es Caitlain den noch betäubten Fynch auf Sommer zu setzen, sie selbst setzte sich hinter ihm und schützte ihn mit ihren Armen vor einem Sturz.

Wir verließen die Stadt so schnell wir konnten und trafen kurz danach auf Mikhael. Genauso wie der Rest von uns war er und seine Begleiterin – die prodaische Reiterin – angegriffen worden und das auf eine schnelle, leise Weise. Auf jeden Fall musste es ein harter Kampf gewesen sein, denn beide machten keinen guten Eindruck. An Mikhaels Kopf klaffte eine große Wunde, sein Knöchel war dick und augenscheinlich geschwollen und er meinte irgendetwas von gebrochenen Rippen. Die Reiterin hatte es zwar weniger hart erwischt, aber auch bei ihr klaffte eine gefährliche Schnittwunde am Bauch auf und ihr Gesicht und die Arme waren übersehen von Hämatomen. Sogar Ares war angegriffen worden. In seiner Krähen-Gestalt fehlte einem Flügel mehrere Federn, der Flügel selbst wirkte merkwürdig verdreht und sein Schnabel war eingeschlagen worden.

Keiner von uns fühlte sich gut, keiner war frei von Schmerzen und dennoch entschieden wir uns fürs schnelle weiterreisen. Die prodaische Reiterin überließ uns ihren Sha'Kmal und machte sich zu Fuß auf dem Rückweg zum Vekal. In der Zwischenzeit hatte ich mich zurückverwandelt, noch länger als Daegor und ich hätte mich völlig dem Monster in mir hingegeben. Auch Ven-Gahn verwandelte sich, nur nahm er jetzt die Gestalt eines Sha'Kmals an, um mir als Reittier zu dienen: Rostrote Schuppen mit dunklen, fast schwarzen Sprenkeln an der Schnauze, den Ohren und den Klauen. Fynch ging es inzwischen soweit besser, dass Caitlain sich auf Efeu setzen konnte, dennoch blieb sie nah bei ihm und war bereit ihm bei jedem Problem zu helfen. Mikhael, die Reiterin und Ares hatte sie nur einfach verarztet, gut genug damit es für die nächsten paar Stunden reichte.

Auf den Sha'Kmals ritten wir für viele, lange Stunden. Wir hielten nicht an und verlangsamten unser Tempo nur selten. Reinste Vorsichtmaßnahme nannte es Fynch und auch wenn mir nach einer Stunde jeder einzelne Knochen schmerzte, konnte ich seine Entscheidung verstehen. Es war kein Rudel Wölfe vor dem wir flohen, nachdem was in den Straßen von Shar Tylan geschehen war, mussten wir uns bei den Scalras auf alles vorbereiten. Nachdem Verlust und den Verletzungen die sie erlitten hatten, zogen sie sich zwar erst einmal zurück, doch vor allem dieser Jacomo – der Schnitter – würde unserer Spur so bald wie möglich folgen. Hoffentlich war er dann schlauer und würde mich, beziehungsweise den dunklen Daegor in mir, nicht noch einmal unterschätzen. Würde er noch einmal mich, Fynch oder jemand anderes meiner Gruppe bedrohen, würde ich ihn dafür ein weiteres Mal bezahlen lassen.

Als wir Stunden später anhielten war der ganze Tag vergangen – es war lange nach Einbruch der Nacht. Wir schlugen unser notdürftiges Lager an einem breiten Fluss auf, wo Stromschnellen mit voller Stärke gegen das Ufer und Felsen schlugen, die aus dem Wasser wie rettende Inseln ragten. Dadurch war es zwar nicht leise, aber das tosende Wasser würde unsere Worte vor feindlichen Gehör schützen. Während ich zusammen mit Caitlain die Taschen und Reitgeschirre von den Sha'Kmals nahm, arbeitete Fynch daran die vier gepolsterten und mit Fell gefütterten Schlafsäcke auszupacken. Ven-Gahn kümmerte sich währenddessen um Mikhael: Er half ihm vom Rücken des orangefarben-gelben Drachens, stützte ihm beim laufen und half ihm sich hinzulegen.

Sommer, Efeu und der dritte Sha'Kmal verschwanden gleich nachdem sie von ihren Lasten befreit waren. Nach ungefähr einer Stunde ohne Lebenszeichen kamen sie von selbst wieder, augenscheinlich nun mit vollem Magen und satt. Man erkannte es anhand von zwei Zeichen: Den blutverschmierten Schuppen an Schnauze und Klauen und die zerrupften Federn, die Efeu noch zwischen den Zähnen steckten. Wir Menschen dagegen mussten uns für den Moment mit Brot und ein paar Karotten sättigen. Caitlain kümmerte sich um unsere Vorräte und obwohl wir uns alle nach einem Festmahl sehnten, hielt sie uns an kurzer Leine. Wir hatten Glück gehabt keine wichtige Ausrüstung verloren zu haben.

Daegor - Blut und SchimmerWhere stories live. Discover now