Kapitel 31.1 - Der Fluss der Magie

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Echo

Den ganzen Tag lang war ich gelaufen. Während der Morgendämmerung hatte mich Penny Bekannter aus meinem engen Versteck befreit und bis zum Waldrand mitgenommen. Sein Weg hätte zurück in das Landinnere von Thyra geführt und mein Ziel lag in der anderen Richtung. Um nicht gleich wieder von der Blinden Gesellschaft gefunden zu werden, hatte ich mich durch den Wald bewegt, nah am Waldrand und dennoch halb verborgen.

Irgendwann hatte ich den Mut gefunden den Wald zu verlassen und war über das Feld zu einer breiten Schotterstraße gelaufen. Sie wurde nur wenig befahren, alle paar Minuten kreuzten andere Reisende meinen Weg, die meisten waren auf Pferden unterwegs oder benutzten einen von Pferden gezogenen Karren. Auf reisende Soldaten traf ich zum Glück nicht. Obwohl Prodias Teil vom imperialen Bündnis war, so herrschten im Sumpf- und Seenland eigene Regeln und Gesetze – das Imperium besaß nur Macht in seine Städte, die sich bei den Grenzen zu den andere Ländern befanden. Mit etwas Glück führte mich mein Weg an der nächsten Stadt des Imperiums vorbei und direkt ins Landesinnere von Prodias.

Aus Sorge vor dem Ungewissen, war ich bisher ohne große Pause gelaufen. Nur einmal hatte ich länger angehalten, um mir etwas aus dem Proviantbeutel zu nehmen, den mir Raoul zusammen mit einem prall gefüllten Rucksack mitgegeben hatte. Laut seiner Aussage sollte der Essenvorrat für mindestens drei Tage reichen, das Wasser der zwei Feldflaschen müsste ich mir gut einteilen und nachfüllen. Mehr als drei Tage wollte ich sowieso nicht durch Süd-Thyra wandern. Die Macht des Imperiums sank zwar schon hier, aber ich versteckte mich ja nun neben dem Imperium auch vor der Blinden Gesellschaft und deren Mitglieder konnte ich nicht so leicht erkennen.

Als meine Beine irgendwann nicht mehr konnten, blieb mir vor Erschöpfung keine andere Wahl als kurz zu rasten. Am Rand des Weges sitzend, gönnte ich mir zwei Scheiben von dem dunklen Körnerbrot. Dabei schaute ich den anderen einsamen Reisenden zu. Die meisten waren allein, die größte Reisegruppe bestand bisher nur aus drei Menschen. Vermutlich aus diesem einfacheren Grund: Bewohner aus Thyra wollten nicht nach Prodias und Bewohner aus Prodias wollten nicht nach Thyra. Oder sie waren schlau genug und nahmen ein Luftschiff, damit kamen sie schneller voran und waren neben einer Kabine auch mit ausreichender Verpflegung versorgt.

Kurz kam ich in die Versuchung einen der Reisenden mit Pferd und Wagen zu Fragen, ob er mich ein Stückchen mitnehmen könnte, doch ich entschieden mich kopfschüttelnd um und packte meine Sachen zusammen. Vertrauen war eine gefährliche Sache. Außerdem wollte ich niemanden in meine Probleme mit reinziehen und sein Leben in Gefahr bringen – wie es schon bei drei besonderen Menschen geschehen war.

Beim weitergehen beschleunigte ich meine Schritte. Es wäre schlau vor der Dämmerung einen sicheren Unterschlupf zu finden und der nächste Wald bestand nur aus schattenhaften Umrissen am Horizont. Doch wie das Schicksal gerne mitspielte, wurde der Himmel schon dunkel bevor ich die ersten Bäume erreichen konnte. Auf dem Weg war ich an einer einladend aussehenden Herberge vorbeigelaufen, doch dort zu nächtigen war nicht möglich. Zu einem wäre es zu riskant und es fehlte mir auch Geld, um ein Zimmer zu bezahlen. Ziellos lief ich durch den dunkler werdenden Wald, bis ich ein leises Geräusch vernahm.

Kurz hielt ich mit erschöpften Atem und müden Beinen inne, dann verließ ich kurz entschlossen den Weg und folgte dem Geräusch tiefer in den Wald hinein. Der tiefgehende Weg brauchte eine gewisse Zeit, doch dann sah ich die Quelle des lauter gewordenen Geräusch: Ein Fluss. Ein Fluss mit überraschend klarem Wasser und am Ufer ruhten große, weiße Steine. Sie waren so hell und sauber, als hätte man sie frisch von Schmutz und Moos freigeschrubbt.

,,Der Irav-River", flüsterte ich und blieb nah am Ufer stehen. ,,Dann ist Prodias nicht mehr weit."

Der Irav-River war einer der Hauptflüsse von Prodias. Hier in Thyra fing er zwar klein an, doch wurde er zu Prodias hin immer größer und breiter.

Daegor - Blut und SchimmerDonde viven las historias. Descúbrelo ahora