Kapitel 24 - Erwachen

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Echo

Eigentlich hatte ich etwas anderes erwartet. Als sich meine Augen öffneten, hatte ich erwartet im Wald zu liegen oder in der Gefangenschaft des Imperiums zu sein. Aber es war ganz anders als ich mir hätte vorstellen können. Zuerst blendete mich ein strahlendes Licht. Instinktiv schloss ich wieder die Augen und schützte sie mit einer Hand. Als das Licht ruhiger und weniger blendend wurde, öffneten sich auch wieder meine Augen, nur um in eine Welt der Ahnungslosigkeit zu blicken. Vermutlich hätte ich jeden anderen Ort erwartet, außer diesen hier.

Ich stand mitten in einer schier meilenweiten Wiese. Das graugrüne Gras reichte mir fast bis zu den Knien und war so dicht, dass man den Boden darunter nicht sehen konnte. Auf dieser Wiese befand sich fast nichts. Nur an manchen Stellen wurde die gräuliche Farbe von Flecken aus leuchtend roten Blumen überdeckt. Die mir unbekannten Blumen bestanden aus sechs Blüten, von denen jede einzelne wie eine Orchidee aussah.

Neugierig trat ich näher an einen der roten Flecken. Die Blüten schienen sich zu bewegen. Nur leicht und sanft, als würde ein sanfter Windzug – den ich nicht zu spüren schien – sie zum Leben erwecken. Doch bei genauer Betrachtung erkannte man schnell das kein Wind die Blüten bewegte. Diese Blumen bestanden aus Feuer. Die Blüten waren allesamt handgroße Flammen, die leise knisterten. Allerdings schienen sie das Gras nicht zu verbrennen, geschweige denn es zu berühren.

Ein hallender Ruf ließ mich aufblicken. Erfolglos blickte ich mich nach der Quelle des Rufes um, doch immer noch war hier nichts außer die sich weiterstreckende Wiese. Nirgendwo sah ich ein Ende, nirgendwo sah ich einen Übergang auf anderes Land. Und zu dem sah ich nirgendwo anderes Leben. Als wäre ich aufgewacht und in eine Welt gelandet, in der nur ich lebte.

Bin ich etwa tot? Ist das die Welt, in der man landet, sobald das Leben vorbei ist?

Meine Worte waren nur in Gedanken ausgesprochen und dennoch hörte ich ihr Echo in meinen Ohren. Sie lagen schwer auf mir und fühlten sich an wie eine Last. Oder war es die Wahrheit, die ich nur schwer ertragen konnte?

>> Vielleicht ist es ja beides. <<

,,Hier sprichst du mit mir?", fragte ich die Seele in meinem Körper. Genauso wie meine Gedanken hallten meine Worte. Komisch, dass es an einem Ort mit nichts ein Echo gab. ,,Weißt du wo wir sind?"

>> Du musst es auch wissen. Es ist immerhin dein Unterbewusstsein. <<

Ein erschrockener Laut entwich meinen Lippen. Der beißende Schmerz in meiner Brust ließ mich wanken. Krampfhaft fasste ich mir an die Brust und blinzelte die vor Schmerz steigenden Tränen weg. Mir war sofort klar wem ich diese Schmerzen verdankte. Als die Schmerzen nicht mehr ertragbar waren, fiel ich auf die Knie und schrie laut auf. Auch dieses Mal wurde mein Ruf mit einem Echo vermehrt, doch war der originale Schrei schmerzlicher und zog sich lang. Der Schmerz wandelte sich in nur wenigen Sekunden in tödliche Qualen um. Ich wusste nicht was Halastjarni tat, doch es war die bisher größte Folter, die er mir angetan hatte. Einmal in meinem Leben hatte ich gespürt, wie es war einen Dolch im Herzen zu spüren, nun aber schien man mir das Herz ausreißen zu wollen. Ein schmerzliches Ziehen drang durch meinen ganzen Körper und mit dem nächsten lauten Schrei blieb mir stockend die Luft weg.

Für einen Moment glaubte ich einem neuen Tod gegenüberzustehen. Ich meinte meine letzten Atemzüge zu nehmen, die nur so süß schmeckten, weil es eben meine letzten waren. Dadurch bemerkte ich nicht sofort den glitzernden Mantel, der zuerst über meinen Schultern lag und sich langsam von mir löste. Erst das Glitzern und Funkeln aus meinem Augenwinkel ließ mich den Nebel erblicken, der wie ein sanfter Wind über meine Haut fuhr und sich vor mir aufbaute. Es war ein gräulich weißer Nebel, der violette Glitzerspuren hinterließ.

Daegor - Blut und SchimmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt