Kapitel 12 - Nervosität

48 4 0
                                    

Echo

Meine Taschenuhr zeigte 23 Uhr an. Nervös saß ich auf einem Stuhl am Tisch und hörte dem gleichmäßigen Ticken und Rattern der kleinen Maschinen in der Uhr zu. Vor mir auf dem Tisch stand ein Glas und eine Flasche mit abgezapftem Nektar, dass mir Luna vorhin vom Markt mitgebracht hatte. Das süße Getränke prickelte noch nach dem Schluck angenehm auf meiner Zunge und ich schmeckte frische Blaubeeren. Dementsprechend leuchtete auch die Flüssigkeit in der Flasche blau auf.

Bald geht es los. Noch habe ich Zeit es mir anders zu überlegen.

Dieser Gedanke spukte mir schon dem halben Tag lang durch den Kopf, aber irgendetwas geändert an meiner Entscheidung, hatte es nicht. Nach dem gestrigen Gespräch mit Dario war ich trotz seiner Warnung zur festen Meinung gekommen Gingo zu helfen. Auch jetzt noch wusste, dass es eine gefährliche und waghalsige Sache war, aber die Verführung der Belohnung war einfach zu groß. Luna hatte die fünfzig Dimmen dankbar angenommen und hatte unseren Essensvorrat heute bis zum Hals aufgefüllt. Natürlich hatte sie mich gefragt woher die Dimmen stammten, doch als ich ihr eine knappe – nicht ganz wahrheitsgemäße – Antwort gegeben hatte, hatte sie nicht weiter nachgebohrt. Sie wusste das ich irgendetwas verheimlichte, doch sie respektierte auch mein Schweigen.

Die Baracke lag in einer merkwürdigen, ungewohnten Stille. Jeder schlief, außer ich. Dario war kurz nach unserem Abendessen eingeschlafen, erschöpft von dem heutigen Fieberkrampf, Luna war vor wenigen Minuten erst ins Bett gegangen, da sie der Meinung gewesen war mit mir noch lange aufbleiben zu müssen. Ich hatte ihr versichert, dass ich bald ins Bett ging und so war sie etwas beruhigt schlafen gegangen. Und Tobi...Er hatte vor knapp drei Stunden eine Geschichte von mir hören wollen, während der er schließlich eingeschlafen war. Heute hatte ich ihm von der Geschichte der Fae erzählt, dem magischen, ausgestorbenen Volk das lange vor den ersten Menschen in Eridia gelebt hatte. Es hieß das die Blinden Brüder ihre Söhne gewesen waren und das die mächtigsten Fae nach ihrem Tod zu den Göttern wurden, die wir kannten und verehrten.

Den ganzen Tag hatte ich auf diese halbe Stunde warten müssen und auch jetzt noch fragte ich mich, ob es die richtige Entscheidung war. Ich machte mir dabei weniger sorgen, um das was mit mir passieren könnte, denn Darios Worte hatten ihre Wirkung gezeigt. Sollte mir irgendetwas zustoßen würde Halastjarni durchdrehen und ich wollte nicht wissen was er dann in den Kanälen für ein Schaden anrichten würde. Vor allem aber auch: In wem würde er einen neuen Wirt finden? Vielleicht würde er niemanden rechtzeitig finden und sterben oder er würde einfach in jemanden reinschlüpfen, der sich dann aus Furcht dem Imperium stellen würde.

Seufzend griff ich nach meinem Glas mit dem Nektar. Es war nur noch ein kleiner Schluck, bei dem ich schon den Boden des Glases sehen konnte, wenn ich die Flüssigkeit zur Seite schwenken ließ. Das sachte Leuchten fiel auf meine Finger und obwohl es keine Wärme ausstrahlte, schien es fast so als würden meine Finger von irgendetwas Wärme abbekommen.

,,Ich weiß du kannst mich hören", flüsterte ich und fasste mir dabei an die linke Brust, wo ich meinen ruhigen Herzschlag spüren konnte. ,,Da du noch nichts gemacht hast, heißt es wohl du hast kein Problem mit meiner Entscheidung. Ich bitte dich dennoch darum, dass du mir hilfst, sollte es zu Problemen kommen, denn wenn ich sterbe, hast du keinen Körper mehr an den du dich klammern kannst."

Ich spürte eine stumme Zustimmung. Es zeigte sich durch eine befriedigende Ruhe, die durch meine Köper strömte und durch die ich nicht lange zu überlegen brauchte, um den Rest der leuchtenden Flüssigkeit zu trinken. Halastjarni war also bereit...wieso war ich es nicht?

Eine Seite von mir wünschte sich die ganze Flasche leer zu trinken, in der Hoffnung der wenig enthaltende Alkohol würde die Macht über mich bekommen und meine Sinne benebeln, so dass es ein Wunder wäre, wenn ich überhaupt die Tür erreichen würde. Aber dieser Fall würde wahrscheinlich nicht eintreten. Erstens, weil der Alkohol dafür im Nektar zu schwach war und zweitens, weil der Nektar ab einem bestimmten Schluck zu süß für mich wurde und es mir den Geschmack verdarb.

Daegor - Blut und SchimmerWhere stories live. Discover now