Kapitel 28*

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"Guter Tipp, nur bin ich nicht verliebt." "Red dir das ruhig ein. Aber wenn es dir klar wird und sie nicht mehr wartet, dann denk an meine Worte: Ich habs dir gesagt."

***

Joannas Sicht

Müde liege ich in meinem Bett und höre Musik. Es ist einfach so langweilig und genau da hat jeder etwas anderes vor. Em hat mir zwar angeboten, zu mir zu kommen, aber sie hatte mir davor noch erzählt, dass sie ein Date mit Collin hat. Sie soll sich ihre Fastbeziehung nicht durch mich vermasseln.

Erst als mein Bauch anfängt zu knurren, fällt mir auf, dass ich noch nichts gegessen habe. Ups. Ich gehe die Treppen runter in die Küche und schiebe eine Pizza in den Ofen, die ich nach 15 Minuten auch schon wieder raushole. Gerade als ich die Pizza schneiden will, wird angerufen. Ich ahne aber nichts gutes, da das Haustelefon bei uns eigentlich nie benutzt wird. Nur in Notfällen... Mulmig laufe ich auf  die Wand zu, an der das Telefon befestigt ist und hebe ab. "Guten Tag. Hier ist das Krankenhaus aus Phoenix. Spreche ich mit Familie Anderson?", fragt eine unbekannte Stimme. "Ja. Worum geht es?", frage ich mit einem flauen Gefühl im Magen. "Miss Anderson hatte ein Autounfall. Sie wurde in eine Langzeit-Narkose versetzt, ist aber in keinem guten Zustand." "Was meinen sie mit keinem guten Zustand?", frage ich erneut mit  zittriger Stimme. "Das heißt, dass es gut möglich ist, dass sie wahrscheinlich nicht aufwachen wird." "Können sie mir die Adresse angeben?" "Natürlich!" Besser könnte es echt nicht werden.. Sarkasmus, mein bester Freund.

Ich schreibe die Adresse auf, die sie mir mitteilt und lehne mich gegen die Wand. Sonst würde ich mich nicht mehr halten können. Ich schließe die Augen und versuche das Déjà vu, das sich den Weg in mein Gehirn bahnen will, fernzuhalten. Es reicht mir diese Sache öfter in meinen Träumen wieder mit ansehen zu müssen, so als wäre ich der Zuschauer. Naja, das war ich zu dem Zeitpunkt auf einer Weise auch.

Das „Déjà vu zurückhalten" klappt aber natürlich nicht mehr. Dafür habe ich schon zu sehr daran gedacht.

Flashback vor 2 Jahren

Munter fahre ich das Auto, mein Vater auf dem Beifahrersitz. Ich will gar nicht mehr aufhören dieses Auto zu fahren, aber ich muss, sagt mein Vater zumindest. "Joanna, ich weiß, dass du dein Führerschein hast und davon nicht genug bekommen kannst, aber es ist schon dunkel und du bist müde. Fahr lieber an die Seite, ich fahre uns dann nach Hause.", schlägt mein  Vater vor. Wieso versteht er nicht, dass ich nicht müde bin? "Ich bin aber nicht müde, Dad!", beharre ich weiter darauf. Dickköpfig war ich schon immer. "Leg deinen Sturkopf wenigstens jetzt ab und lass mich uns nach Hause fahren. Du weißt, was alles um dieser Uhrzeit passieren kann." "Aber-", will ich weiterhin darauf verharren, da werde ich aber durch sein Rufen unterbrochen. "Pass auf!", ruft er und nehmt das Lenkrad in die Hand, will es umlenken. Das andere Auto ist schon in uns reingefahren. Sehen tu ich nichts mehr, aber ich spüre, dass mein Dad meine Hand noch in seine nimmt und wie das Auto sich überschlägt. Nach zweimaligem Überschlagen schleift es noch etwas, bleibt dann aber stehen. Ich will meine Augen nicht öffnen, zu groß ist die Angst, vor dem was ich sehen könnte.

"Ich liebe dich, Schatz.", höre ich von Dad gehaucht. Es war aber so leise, so als würde er nicht mehr zu Stande kriegen. Moment! Hektisch reiße ich meine Augen auf und sehe die geschlossenen Augen meines Dads. "Nein!", schreie ich und versuche mich aus dem Auto raus zuquetschen, egal wie sehr das auch weh tun mag. Letztendlich versuche ich meinen, ebenfalls eingequetschten, Arm so zu drehen, dass ich meinen Gurt öffnen kann, was ich auch schaffe. Fuck, tut das weh. Zum Glück! Ich drehe mich in dem Sitz so, dass meine Füße zu dem Fenster zeigen und trete hart dagegen. Wenn ich nicht durch die Tür komme, muss ich eben durch das Fenster kommen. Nicht für mich, sondern für meinen Vater. Ich muss... Mit aller Kraft dagegen getreten, zersplittert die Scheibe und ich spüre, selbst unter dem ganzen Schmerz von meinem Kopf, die Scheiben, wie sie sich in mein Fleisch bohren.

Ich klettere aus dem Fenster, erneut in die Scherben und versuche aufzustehen, was mir aber kläglich misslingt. Dann krieche ich halt zu ihm! Den Schmerz weggeschoben, krabbel ich zu ihm rüber und versuche erneut die Tür zu öffnen, dieses Mal von außen. Klappt aber auch nicht. Scheiße, scheiße, scheiße. Meine, schon längst, blutige Hand ramme ich erneut mit aller Kraft in die Scheibe und diese zersplittert, sowie eben schon, in tausend Teile. Ich schnappe mir mit meinen Händen die Arme von Dad. Ein Stück schaffe ich es ihn verzweifelt aus dem Auto zu ziehen und greife ihm unter die Arme, damit es einfacher geht, ihn herauszuziehen. Außer Puste ziehe ich ihn einige Meter weiter weg und lasse seine Arme dann fallen. Ich schlage leicht seine Wange und flüster zwischendurch verweint "Dad". Er zeigt wiederum keine Reaktion. Ich suche seinen Puls und schaue nach, ob dieser bei ihm noch vorhanden ist. Kein Puls! Verweint schreie ich seinen Namen. Das kann doch nicht wahr sein!

Mein Handy, das jedes Mal in meiner hinteren Hosentasche ist, ziehe ich heraus und schaue ob ich Empfang habe, damit ich jemanden anrufen kann. Ein Wunder, das es noch dort ist und überhaupt funktioniert.

Zuerst rufe ich einen Krankenwagen, gebe ihm meinen aktuellen Standort an, danach meine Mutter, der ich erzähle, dass wir einen Unfall hatten. Einen schlimmen Unfall. Ich will nicht, dass sie durch das Krankenhaus erfährt, dass ihr Mann, mein Vater dort liegt.

Nach gefühlten Stunden höre ich die Sirenen und puste Luft aus. Der Krankenwagen hält direkt vor mir an und drei Männer kommen mit einer Liege heraus. Zwei von ihnen verlagern meinen Dad auf die Liege, der andere versucht mit mir zu sprechen. Der einzige Gedanke, der mir aber im Kopf herumspukt ist, dass ich meinen Vater, meinen Helden, umgebracht habe. Zwar nicht direkt, aber der Unfall ist meine Schuld. Hätte ich nicht so hartnäckig darauf bestanden weiterzufahren, wäre das alles hier nicht passiert. Dann würde mein Dad nicht ins Krankenhaus gefahren werden.

Seufzend gibt der Mann vor mir auf, etwas aus mir rauszukriegen und sagt mir nur noch, dass ich mitfahren kann. Die Männer fahren die Liege, auf der mein Dad liegt, in den Wagen und still steige ich mit dem Mann neben mir in den Wagen. Ich bin viel zu geschockt.

Bei dem Krankenhaus erwartet mich schon meine hektische Mutter, die mich mit verweinten Augen ansieht. Ich springe aus dem Wagen und renne meiner Mutter in die Arme. Sie hält mich fest in den Armen und flüstert immer und immer wieder, es wieder gut wird. Aber ich weiß ganz genau, dass das nicht stimmt.

"Fahr nach Hause, du bist müde. Ich bleibe hier und rufe dich sofort an, wenn es etwas Neues gibt." Ich nicke erst, doch dann schüttle ich meinen Kopf, als mir bewusst wird, was sie gerade gesagt hat. Doch auf meinen Protest achtet sie gar nicht erst und ruft mir ein Taxi. Zwar will ich erstmal noch nicht in ein Auto einsteigen, aber laufen werde ich nicht können. Zumindest keine so lange Strecke.

Die Schmerzen spüre ich erst, als ich in dem Taxi eingestiegen bin. Ich hatte viel eher darauf geachtet, dass sie sich um Dad kümmern und habe da komplett vergessen, dass ich auch verletzt bin. Naja, ich bin Schuld daran, dass er jetzt in dieser Lage ist, da kann ich wohl mit diesen paar Verletzungen leben. Ich gebe ihm die Adresse an und stillschweigend lasse ich mich nach Hause fahren, mit dem Wissen meinen Helden wahrscheinlich umgebracht zu haben und nie mehr wiederzusehen.

Flashback Ende

Badboy & GoodgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt