Kapitel 57*

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"Da steht eine Adresse. Wir fahren dahin!" Mit diesen Worten laufe ich zurück zum Auto und steige ein. Die Jungs folgen dicht hinter mir.

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Joanna's Sicht

Mein Kopf dröhnt. Das ist das Erste, was mir in den Sinn kommt, sobald ich aufwache. Ich blicke um mich. Ein leerer Raum, wahrscheinlich derselbe, in dem ich das letzte Mal auch war. Stille. Ich höre nur das schnelle Klopfen meines Herzes. Es rast, so als wäre ich minutenlang gesprintet. Die Frage ist nur: Wieso? Angst verspür ich in diesem Moment nicht, zumindest glaube ich das. Ich höre, wie Männer an der Tür lachend vorbeilaufen, die Schritte hallen. So still ist es hier. Diese Stille macht mir wahrscheinlich sogar mehr Angst, als das Wissen, dass ich hier nicht rauskommen werde. Na klar, die Hoffnung, dass Blake mich findet, habe ich noch immer nicht verloren, aber ich sollte der Realität ins Auge sehen. Er wird mich nicht finden, er wird mich nicht suchen und er verschwendet vielleicht auch gar nicht erst einen einzelnen Gedanken an mich. Wieso sollte er auch? Er kann jedes Mädchen haben. Er ist Blake, er sieht gut aus, hat Geld und hat einen tollen Charakter. Auf Anhieb zeigt er dies zwar nicht, doch wenn man ihm die Zeit dafür gibt, eine Chance, dann wird er es zeigen. Er wird ein anderes Mädchen finden. Ein Mädchen, welches besser ist als ich. Ein Mädchen, das es verdient hat, von ihm geliebt zu werden.

Hör auf dich selbst zu bemitleiden, er sucht dich! Das ist sicher. Glaubst du ernsthaft, dass es so schnell gehen würde?

Die Hoffnung stirbt zuletzt, hab ich nicht recht? Er wird mich finden. Er wird mich suchen. Er wird mich retten.

Solltest du bis dahin zumindest noch leben.

Ernsthaft? Musste das sein? Oh Gott, Blake, hol mich hier... "Wach auf!", höre ich eine Männerstimme rufen. Ich öffne meine Augen und gucke dem Mann direkt ins Gesicht. "Hast du geheult?", fragt er mich. Er hat ein Grinsen im Gesicht, oh was würde ich nicht alles dafür tun, es ihm rauszuschlagen.

Aber zurück zum Thema. Ich habe nicht geweint, ich weine nie. Meinem Gesichtsausdruck sieht man wohl an, dass ich nicht ganz mitkomme, denn er läuft auf mich zu und bleibt vor mir stehen, nur um mir an die Wange zu fassen. Dabei zucke ich jedoch dermaßen zusammen, dass er erneut grinst.

Keine Angst zeigen!

Zu spät. "Wieso hast du Angst vor mir? Glaubst du echt, ich würde ein Mädchen schlagen, welches sich nicht einmal wehren kann?" Ja. Ich nicke. "Da hast du wohl auch recht.", lacht er. Scheiß Arschloch. Mein Kopf fliegt zur Seite, Mist, der hat gesessen. "Bastard." Das ist das Einzige, was aus meinem Mund kommt. Er setzt einem weiteren Schlag an, doch wird aufgehalten durch ein Rufen. "Nimm das Mädchen und bring sie mit in die Halle. Es wird Zeit.", wird ihm gesagt. "Oh schade, wir hatten doch gerade so viel Spaß, nicht wahr?" Ich gucke ihn nicht an, die Wand ist ein schönerer Anblick, als das Gesicht dieses Bastardes. "Guck mich an, wenn ich mit dir rede!" Ich reagiere nicht. Provokation war schon immer mein Talent. "Lass sie, John.", sagt der Andere. 'Der Andere' kommt auf mich zugelaufen, ich blicke ihm entgegen. Er sieht... nett aus. Wenn man das so sagen kann. Wahrscheinlich ist er der gute Cop. Er beugt sich ein Stückchen und bindet mich los. Daraufhin zieht er mich auf die Beine und bindet mir die Hände erneut zu. "Sicherheitsmaßnahmen.", sagt er mit einem entschuldigendem Blick, doch ich antworte nicht. Der Bastard läuft uns voraus und den Gang entlang. Einige Flure gehen wir durch und treffen auf einige der Männer, die den Bastard, der uns vorrausläuft, jedes Mal begrüßen oder kurz bei ihm einschlagen. Einige Minuten später kommen wir auch mal in dieser Halle an. In der bisher genannten Halle stehen viele Männer und zwei der Gesichter erkenne ich auch wieder. Die Bastarde, die mich am Anfang geprügelt haben. Mir wird schwindelig, Mist. Kein Wunder, in der Zeit, in der ich schon hier bin, habe ich noch keinen Schluck Wasser getrunken oder etwas gegessen. Mein Kreislauf ist total im Eimer. "Komm mit!", befiehlt mir der Bastard. Ich glaube, ich nenne ihn jetzt Arschloch. Bastard wird langweilig, wenn ich ihn dauerhaft so nenne. Ich laufe weiter und kämpfe derweil gegen den Schwindel an.

Du wirst noch umfallen, glaub mir.

Das glaube ich auch. Aber ich werd alles dafür tun, es nicht geschehen zu lassen. Das schwöre ich auf meine nicht vorhandenen Goldhamster! Wir bleiben bei der Menge an Männern stehen, jeder einzelne Blick ist auf mich gerichtet. Manche mitleidig, manche belustigt und manche auch einfach gelangweilt. "Weißt du was jetzt passiert?", fragt mich das Arschloch, der mich als Erster geschlagen hat. Ich gucke ihm nur in das Gesicht, nicht in die Augen. "Antworte!", schreit er mich an. "Schrei nicht so.", sage ich nur. Meine Stimme sollte kräftig klingen, sodass alle in dieser Halle merken sollen, dass sie mir keine Angst einjagen. Doch vergebens. Meine Stimme klingt schwach, ich habe in der gesamten Zeit, in der ich mich hier leider befinde noch kein Wort gesprochen. Naja, mit Ausnahme von dem einen Mal heute, als ich 'Bastard' gesagt habe. "Heute ist der Tag, an dem du sterben wirst.", lächelt er mich an. Er lächelt mich an, als hätte er so etwas wie "Hey, du siehst heute voll gut aus. Generell siehst du verdammt gut aus, wollen wir einmal ausgehen?" gesagt. Oder sowas in der Art. Ich denke, ihr habt verstanden, was ich meine.

Ich habe es gewusst. Hab ichs dir nicht gesagt? Du solltest öfter auf mich hören.

Das hilft dir jetzt auch nicht sonderlich weiter, wenn ich tot bin, kann ich nicht mehr auf dich hören.

Stimmt...

Oh man. "Hast du nichts zu sagen?" Der Typ guckt mich fast schon verwirrt an. Klar, er hat wahrscheinlich damit gerechnet, dass ich auf die Knie falle und ihn anbettel, mich am Leben zu lassen. Falsch gedacht, Arschloch. Die Männer umzingeln mich, kesseln mich ein. Ich weiß nicht, wohin ich gucken soll, in welches der vielen Gesichter ich schauen soll. Es sind so viele. Und plötzlich spüre ich an meinem Rücken einen Schlag. Fuck! Und der nächste von der Seite gegen meine Rippe. Ich falle um, mein Körper ist durch den Mangel an Flüssigkeit und Essen schon genug geschwächt. Außerdem sind meine Hände zugebunden, was zur Folge führt, dass ich gar nicht erst die Chance gehabt hätte, mich selbst verteidigen zu können. Der nächste Schlag trifft mich gegen die Schläfe. Ich liege auf dem Boden, lasse es einfach über mich ergehen und warte ab. Worauf ich warte? Auf das Ende.

Nach einigen Tritten in den Magen, gegen meine Beine und mein Gesicht, spüre ich etwas spitzes, kaltes an meiner Haut. Mit einem Messer spüre ich, wie mir etwas in den Arm geritzt wird. Das Einzige, woran ich denke: Schmerz. Und Blake. Blake, ich liebe dich. Was ich höre? Das Lachen und Grölen der Anderen. Sie schreien andauernd Dinge wie "Leide!", "Die Kleine ist echt stark, die heult ja garnicht!" oder "Ich will auch mal." Ein Messer wird an meiner Kehle, angesetzt. Meine Augen sind die gesamte Zeit über geschlossen. Das Geschreie wird lauter und einige Sekunden weiß ich auch warum: Einer der Männer hat das Messer an meine Kehle so sehr reingedrückt, dass es nun wahrscheinlich blutet. Zumindest verspüre ich nun auch dort Schmerzen. Ob es ein großer oder kleiner Schnitt ist, weiß ich nicht. Aber es interessiert mich auch nicht sonderlich.

Plötzlich sind die Füße um mich herum nicht mehr da. Sind sie weg? Hören kann ich es nicht, das Rauschen in meinen Ohren ist zu laut.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, es kommt mir zumindest vor wie Stunden. Jedenfalls höre ich ein Schreien. "Joanna", schreit diese Person. Wer ist das? Ich kann mich nicht auf diese Frage konzentrieren, der Schmerz ist zu stark. Überall schmerzt es. "Fuck, fuck, fuck!", schreit diese Person weiter. Ich versuche meine Augen zu öffnen, ich muss wissen wer das ist. Ich schaff das! Ich schaff das! Ich schaff das! Leicht kann ich sie öffnen, diesen Kampf habe ich wenigstens gewonnen, und sehe verschwommen ein Gesicht. Es kommt mir so bekannt vor. Aber wer ist das? Mir fällt der Name einfach nicht ein.

Ich spüre etwas nasses auf meinem Gesicht. Ein Tropfen, dann hört es wieder auf. Ich versuche meine Augen erneut zu öffnen und dieses Mal klappt es auch ein Stück weiter. "Joanna!", ruft diese Person. "Lass die Augen offen! Bleib wach!" Es tut so weh. "Schlaf nicht ein, es wird alles wieder gut!" Ich bin müde. "Bitte, tus für mich. Bleib für mich wach. Ich liebe dich. Hörst du? Ich liebe dich!" Mein Kopf dröhnt. "Der Krankenwagen ist auf dem Weg, du schaffst es! Du bist stark! Du schaffst es, du wirst es schaffen!" Wer ist das bloß? Wieso fällt mir der Name nicht ein? "Du wirst wieder gesund. Es wird dir besser gehen. Wir werden eine Familie gründen, heiraten, zusammen studieren. Ich erfülle dir jeden Wunsch. Nur bleib wach!" Der Schlaf holt mich ein. Ich schaffe es meinen Mund zu öffnen, zumindest glaube ich, dass ich ihn geöffnet habe. "Ich... liebe...-" Weiter komme ich nicht, ich bin zu müde. Und aufeinmal spüre ich auch keine Schmerzen mehr, es ist wie, als hätte man das Feuer, das in mir stattgefunden hat, gelöscht. Und das Einzige, woran ich denken kann? Blake.

Badboy & GoodgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt