Kapitel 6*

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Diese Person lässt wieder von mir ab und ich kann endlich in das Gesicht des Fremden sehen. Ich bin mehr als froh diese Person zu sehen. Vor allem jetzt.
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Joannas Sicht

Ich stehe erstmal nur reglos da. Die Macht über meinen Körper einfach verloren. Ich kann nichts machen, außer zu realisieren, wer mich hier gerade umarmt. Wer jetzt endlich wieder bei mir ist. Hinter der Person stehen noch Koffer, was schließen lässt, dass sie erst jetzt angekommen ist.

Ich weiß nicht was mit mir im Moment los passiert, aber damit werde ich mich auch nicht weiter befassen. Meine Beine kann ich bewegen, also so schnell wie es eben in meinem Outfit geht, renne ich sofort wieder in ihre Arme, da sie mich vorhin wieder losgelassen hat und ein paar Schritte zurückgegangen ist.

Meinen Kopf vergrabe ich in den Haaren meiner Mutter. Ohne High Heels bin ich genauso groß wie meine Mum. Mit High Heels, könnt ihr euch bestimmt vorstellen, dass ich dann sehr viel größer als sie bin.

Erst jetzt, wo ich in ihren Armen bin, merke ich wie doll ich sie vermisse. Jedes Mal, wenn sie wegfährt fühlt es sich an, als würde ich jeden Moment losweinen können. Aber es geht nicht. Mein Tränenvorrat ist leer. Zumindest denke ich, dass es normal ist, nach ungefähr zwei Jahren des Nichtweinens, so zu denken. Ansonsten bin ich echt ein komischer Mensch. Ich mein, nicht mal Freudentränen kann ich produzieren.

Ich habe sie so sehr vermisst! Aber egal wie doll ich sie vermisse, ich kann einfach nicht weinen. Sie kommen einfach nicht. Aber nach diesem einen Ereignis, habe ich so viele Tränen geweint. Ich hatte mich damals sogar auch schon gefragt, wie ein so kleiner Körper, wie meiner damals, diese ganzen Tränen produzieren konnte.

Manche Menschen weinen ihren Frust aus. Naja, also ich kämpfe meinen Frust aus. Die wirklich gute Sache am nicht weinen ist, dass ich mich nicht mehr hilflos fühle. Nein, genau das Gegenteil. Ich fühle mich stärker denn je! Da fällt mir dieser Spruch ein: "Man weint nicht weil man schwach ist. Man weint, weil man zu lange stark war."

Vielleicht war ich zu lange stark geblieben. Vielleicht hätte ich auch mal ein bisschen Schwäche zeigen sollen. Vielleicht hätte ich mir nicht so viele Gedanken machen sollen. Vielleicht hätte ich auf mein Gefühl hören sollen.

Nach gefühlten Stunden, naja eigentlich ein paar Minuten, schiebt sie mich von sich, um mich betrachten zu können. Außer den Narben vom letzten Kampf hat sich in meinem Gesicht nichts verändert. Wie denn auch? Es sind ja eh nur drei Wochen seit dem letzten Mal her, in dieser Zeit ändert man sich nicht groß. "Joanna Anderson, von wo oder soll ich lieber fragen von wem wurdest du so sehr verletzt!" Es soll wohl eine Frage sein, aber es hat sich überhaupt nicht nach einer Frage angehört. Ich seufze nur und beantworte ihre "Frage" nicht. Früher hatte ich ihr von den Fights erzählt. Meiner Meinung nach war es eine gute Idee. Nach meiner Mum's Reaktion jedoch hatte ich mich getäuscht. Sie hatte sich danach zu große Sorgen gemacht und außerdem hat sie mich gezwungen damit aufzuhören. Natürlich hab ich mich nicht darauf eingelassen, Aber ihr zur Liebe tat ich so als ob. Würde sie 1 und 1 zusammen zählen, würde sie merken, dass ich noch weitermache. Sie ist aber manchmal so sehr in die Arbeit vertieft, dass es ihr gar nicht auffällt. Dass ich nicht antworte, merkt sie zumindest und geht nicht weiter darauf ein. Ihr solltet wissen, ich kann wirklich stur sein. "Wie lange bleibst du hier?", will ich wissen. Nun schaut sie ein wenig schuldbewusst und traurig drein. "5 Tage", woraf ich wie betäubt nur nicke. Die Zeit mit meiner Mum hat mir wirklich gefehlt. Wir reden noch eine Weile, wo sie die Narbe nicht noch einmal anspricht. Hätte sowieso nichts gebracht. Ich wünsche ihr noch eine gute Nacht und gehe hoch in mein Zimmer. Im Zimmer angekommen, ziehe ich mich um, mache meine Abendroutine und schreibe Em, dass Mum wieder da ist und sie sich keine Sorgen machen muss. Hoffentlich kommt sie gut zuhause an. Wir beide neigen einfach dazu uns zu schnell Sorgen zu machen.

Als ich alles erledigt habe, räume ich mein Zimmer auf. Es ist wirklich wieder sehr unordentlich geworden. Ich kann sowas überhaupt nicht leiden!

Endlich, alles fertig! Das nenn ich mal einen Tag. Ich liege erschöpft in meinem Bett und schlafe zum Glück auch sofort ein. Ein Traum von den wohl schönsten Augen, die ich je gesehen habe. Bestimmt auch nie wieder sehen werde. Na toll, jetzt träume ich auch noch von ihm! Das kann ja was werden.

Gib's zu. Du freust dich von ihm zu träumen. Ich mein, wie kann man sich nicht freuen? Er sieht aus wie ein griechischer Gott!

Ich werde jetzt einfach diese listige innere Stimme ignorieren... Dann wird sie schon von selbst weg sein.

Ja klar, ich bin hier in deinem dummen Schädel gefangen. Wie soll ich da weggehen? Man, du bist ja noch dümmer als vorher!

Ähm, hat mich gerade meine innere Stimme als dumm bezeichnet? Hach, ist die dumm! Sie beleidigt sich selbst als dumm, obwohl ich sie bin und sie ich. Okay, jetzt weiß ich was sie damit meint.

Kompromiss : Wir sind beide dumm? Aber du bist trotzdem dümmer! Würde sie gerade eine echte Person sein, würde ich ihr die Zunge ausstrecken.

Okay, ich mach mir am Besten schon bald ein Termin beim Arzt. Ich beleidige mich gerade selbst als dumm und "rede" mit mir selbst. Notiz an mich selbst: Hör niemals auf die innere Stimme, sie hasst dich!

Badboy & GoodgirlWhere stories live. Discover now