Kapitel 30*

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Ich bewege meinen Kopf leicht nach vorne, kurz davor ihn zu küssen, werde aber von der Sprechanlage aufgehalten, die unseren Flug ansagt.

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Joanna's Sicht

Blake und ich haben unsere Sitze gesucht und schnell gefunden. Den Fensterplatz habe ich mir direkt geschnappt. Vielleicht hilft es mir so, nicht so oft an den Ernst der Lage zu denken. Darüber, dass ich meine Mutter, die Einzige Person aus meiner Familie, wahrscheinlich nie wieder mit offenen Augen sehen kann. Ich schließe meine Augen, als ich endlich auf meinem Platz sitze und lasse meinen Kopf nach hinten fallen. Ich muss versuchen nicht daran zu denken, sonst wird es nur noch schlimmer.

Nach einer Stunde (A/N: Ich weiß nicht wie lange es von Miami nach Phoenix braucht, also ist es gut möglich , dass es eine falsche Angabe ist), ja, ich habe die Zeit gezählt, aber nicht weil ich Angst habe, nein, ist ja nicht so, dass wenn dem Pilot nur ein minimaler Fehler unterläuft, wir abstürzen. Naja, vielleicht auch, weil ich jedes Mal, wenn ich auf die Uhr schaue, hoffe, dass die Zeit schneller als zuvor vergangen ist.

Kommen wir zum eigentlichen Thema zurück: Nach dieser qualvollen Stunde merke ich,  wie sich das Flugzeug leicht nach unten neigt. Endlich! Wir landen gleich. Aber selbst meine Freude endlich zu landen, macht meine Angst vor dem bevorstehenden nicht weniger. "Joanna, beruhig dich.", sagt Blake mit geschlossenen Augen. Er hat wohl meine Anspannung bemerkt. "Das geht nicht. Du weißt nicht was für eine Angst ich habe.", murmle ich, die Augen noch immer geschlossen. "Apropos, ich weiß noch nicht einmal warum ich hier bin. Was ist der Grund, dass du so plötzlich nach Phoenix musst?", fragt er. "Em hat es dir nicht gesagt?", runzle ich die Stirn. Weshalb er überhaupt mit mir hierher kommt, ist mir unklar, aber dass er noch nicht einmal den Grund kennt und mitkommt... das ist komisch.

Und süß. Das muss man schon zugeben.

Ansichtssache. Aber ein bisschen süß ist es schon. "Nein, sie hatte nur gesagt, dass ich dich irgendwo hin begleiten soll, weil sie keine Zeit hat. Aber den Grund hat sie nicht genannt ." Da wird mir bewusst, weshalb sie das getan hat. Sie hat gesehen, wie ich ihm eine SMS schreiben wollte. Kopfschüttelnd sage ich: "Du wirst schon sehen, weshalb ich so schnell dahin muss." Nach dieser kurzen 'Konversation' bleibt er still, aber legt mir dennoch seinen Arm um die Schulter und zieht mich ein Stückchen näher an sich heran. Meinen Kopf lege ich auf seine Schulter und selbst wenn ich es mir nicht eingestehen möchte, hat dies eine beruhigende Wirkung auf mich.

***

Wir steigen nacheinander aus und daraufhin die Treppen hinunter. Ich bin bis jetzt noch nie in Phoenix gewesen, aber es werden auf jeden Fall warme Wochen werden, ich bezweifle nämlich, dass es Mum in ein paar Tagen schon besser gehen wird, geschweige denn, dass sie überhaupt aufwacht. Auf dem Boden strecke ich mich erst einmal ausgiebig, was mir Blake gleich tut. Blake legt einen Arm um meine Hüfte und lässt sie auch den ganzen Weg bis zu den Gepäcken dort. Wir holen uns unser Gepäck und laufen anschließend aus dem Flughafen. "Zuerst in ein Hotel?", fragt Blake. Ich nicke ihm zu und halte Ausschau nach einem Stand für Taxi's. "Da sind Taxi's, komm.", fordere ich ihn auf. Er läuft mir stillschweigend hinterher und spricht anschließend mit dem Taxifahrer. Dieser nickt ihm zu und blickt kurz zu mir, dann wieder zu Blake und steigt in das Taxi ein. Wir steigen ebenfalls ein und ich lehne meinen Kopf gegen die Scheibe. Das wird anstrengend werden!

Nach nicht einmal zehn Minuten hält der Mann wieder an und sagt etwas zu Blake. Dieser nickt ihm zu und zieht Geld aus seiner Hosentasche, weshalb ich direkt widerspreche und ihm versuche klarzumachen , dass er nicht für mich bezahlen soll. Ich habe schließlich genug Geld! "Lass es einfach, Joanna.", sagt er und fügt noch schnell hinzu: „Wenn du so scharf darauf bist, mich nicht zahlen zu lassen, dann zahl es mir einfach zurück." Ich steige ganz einfach aus und warte darauf, dass einer mir mein Koffer aus dem Kofferraum rausholt. Blake sieht, dass ich warte und guckt mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an, nachdem er ausgestiegen ist. "Was ist?", frage ich unschuldig. "Worauf wartest du?", fragt er stattdessen. Ich nicke dem Kofferraum zu und warte darauf, dass er endlich versteht, dass ich sowas nicht tragen kann. "Ah, ich verstehe.", grinst er. "Du willst also meine Hilfe." Ich verdrehe nur meine Augen auf seine indirekte Andeutung, er wird jetzt irgendetwas dafür verlangen, so gut kenne ich ihn schon, um das wissen zu können. "Was bekomme ich dafür?", fragt er mit einem siegessicheren Grinsen. Wusst ich's doch, aber nicht mit mir! Ich setze gerade an, ihm zu antworten, werde aber von dem Taxifahrer unterbrochen. "Wenn ihr es nicht schafft eure Koffer da rauszuholen, muss ich es eben machen. Ich habe nicht Stunden Zeit!", sagt er und bückt sich, um die schweren Koffer herauszuholen. Blake verkneift sich schwer das Lachen. Weshalb er lachen muss, weiß ich nicht. "Schönen Tag noch.", sagt der Mann, nachdem er die Koffer vor uns abgestellt und aufgerichtet hat. Dass er es kein Deut ernst meint, hat man schon gemerkt.

Ich nicke darauf nur und laufe voran in das Hotel, wohlgemerkt ohne die Koffer, damit Blake sie tragen kann. Wenn er sie schon nicht für mich aus dem Wagen holt, kann er sie zumindest tragen. Ich höre ihn zischen, er hat wohl nun auch gemerkt, dass er jetzt die beiden Koffer tragen muss. Mich interessiert es wiederum nicht weiter. Ich gehe zu der Rezeption, an der ein Junge steht, der seinem Aussehen nach nicht viel älter ist als ich. Das versuchte Flirten, während dem Einchecken, ignoriere ich. Sonst würde ich mitmachen, mir einen Spaß daraus machen. Dieses Mal aber habe ich keine Lust darauf, es gibt wichtigere Dinge, als so etwas im Moment. "Danke, für's warten.", zischt mir Blake zu, als ich vor dem Aufzug warte. Der Sarkasmus ist nicht zu überhören. "Toll, jetzt ignoriert sie mich auch noch.", murmelt er sauer.

In dem Hotelzimmer lasse ich mich auf das Bett fallen. Ich schaue auf die Uhr und merke dass es zu spät ist, um nach Mum zu schauen. Für mich nicht, für das Krankenhaus aber sicherlich schon. Die Augen geschlossen, seufze ich leise. Blake lässt die Koffer einfach fallen, dem Geräusch, das es macht, zu urteilen. "Ich weiß nicht was passiert ist, aber so schlimm, dass du mich jetzt wie einen verdammten Buttler behandelst, kann es doch nicht sein. Wenn du so schlecht drauf bist, dann lass es nicht an mir aus!" Dass er wütend ist, ist nichts Neues, aber so hat er noch nie mit mir gesprochen. "Meine Mum wird sterben.", sage ich leise, sodass es schwer zu hören ist. Er zieht hörbar die Luft ein. "Meine Mutter stirbt, also habe ich wohl einen verdammt guten Grund so schlecht gelaunt zu sein, halt einfach deine verdammte Klappe!", herrsche ich ihn an. Ich habe es davor nicht so ganz wahr haben wollen, aber ich merke erst jetzt, dass Mum sterben wird. Die Frau, die mich angerufen hatte, hatte mir gesagt, dass es mit Mum nicht gut steht, wieso habe ich mir also einreden wollen, dass sie wieder aufwachen wird? Jeder weiß, dass es einem mehr wehtut, wenn man sich Hoffnungen macht, also warum habe ich mir welche gemacht? Gott, bin ich dumm! Ich stütze meinen Kopf mit meinen Händen und wiederhole leise 'Sie wird sterben', um es zu realisieren. Wenn sie es nicht schafft, habe ich keinen mehr. Das Bett senkt sich neben mir leicht, er hat sich zu mir gesetzt. "Es wird alles wieder gut.", murmelt er, legt mir einen Arm um die Schulter und zieht mich näher zu sich.

Das sagt sich so leicht.

Ich schließe erneut meine Augen und merke wie müde ich schon die ganze Zeit bin. Hoffentlich wird es ein langer Schlaf werden. Schließlich muss ich einen ganzen Tag ohne Schlaf nachholen und morgen lange, sehr lange, wach bleiben.

Badboy & GoodgirlDonde viven las historias. Descúbrelo ahora