Kapitel 31*

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Hoffentlich wird es ein langer Schlaf werden. Schließlich muss ich einen ganzen Tag ohne Schlaf nachholen und lange, sehr lange, wach bleiben.

***

Blakes Sicht

Ich werde durch das Wälzen neben mir geweckt, lasse aber meine Augen geschlossen. "Das hört bestimmt gleich wieder auf", denke ich mir und habe sogar recht. Es hat wieder aufgehört. Ich seufze zufrieden auf und versuche wieder einzuschlafen. Kurz bevor ich wieder in den Schlaf falle, spüre ich erneut dieses Wälzen, gefolgt von einem schweren Atmen, das ich auf meiner Schulter spüre. Leise seufzend öffne ich meine Augen, wird wohl doch nichts mit Schlafen. Ich blicke auf meine linke Seite, bei der ich eine friedlich schlafende Joanna erwarte, stattdessen aber eine Joanna sehe, die dem Anschein nach, einen Albtraum hat. Ihre Stirn ist in Falten gesetzt und verschwitzt. Fuck, das ist dann doch kein so harmloser Albtraum. Ich setze mich auf und rüttel leicht an ihrer Schulter, doch trotz dem Rütteln wacht sie nicht von ihrem Albtraum auf. Na toll, was soll ich denn jetzt machen?

Ich versuche es erneut mit Rütteln, doch es wird nur schlimmer. Sie fängt schon an zu zittern, kein Wunder. Sie liegt nur in einem Top und einer kurzen Shorts im Bett, die Decke auf dem Boden. Ich stehe auf und gehe zu der anderen Bettseite, hebe die Decke auf und decke sie damit zu. Das Zittern hört für ein paar Sekunden auf, was mich zum Aufatmen bringt. Sie schwitzt zwar immer noch sehr doll, aber dass ihr Zittern aufgehört hat, ist bestimmt ein gutes Zeichen.

Doch zu früh gefreut, denn sie fängt nun an, noch mehr zu zittern und dieses Mal sogar zu schreien. Sie kreischt nahezu, wälzt sich noch mehr als vorher und bringt mich dazu den Verstand zu verlieren. Davor hätte ich zumindest noch denken können, da hat sie nämlich noch nicht geschrien, aber jetzt während sie so schreit, weiß ich echt nicht mehr weiter und mache mir schon Sorgen. Ich knie mich neben das Doppelbett, auf ihrer Bettseite und nehme ihre Hand in meine Hände. Der Versuch ihr Geschreie zu ignorieren, scheitert kläglich. Keine Ahnung warum, aber es kommt mir vor, als würde ihr Zittern leicht aufhören, das Kreischen aber geht weiter.

Ich nehme die eine Hand von ihrer und versuche ein drittes Mal sie durch Rütteln zu wecken. Vergeblich. Fuck, was denn jetzt? Sie zieht mich leicht zu ihr runter, weshalb ich schon wieder liege. Gut, dass da noch ein bisschen Platz ist, sonst würde ich nämlich jetzt auf dem Boden liegen. Ich lege meine Hand um ihre Hüfte, um sie näher zu mir zu ziehen. Wenn ihr Zittern schon durch meine Hand leicht aufhört, würde es ja vielleicht ganz aufhören, wenn sie eng an mir liegt. Diesmal sogar erfolgreich. Das Zittern hört komplett auf. Ihr Schreien hat bereits aufgehört, als sie mich runtergezogen hat. Komisch. Nicht dieses "Ha-Ha-komisch", sondern das "Ach du scheiße, was war denn das?!- komisch".

Nach ein paar Minuten des stillen Liegens, schreckt sie auf und sitzt in der nächsten Sekunde in dem Bett. Hätte das nicht schon am Anfang passieren können? Ich setze mich auf und blicke sie besorgt an. Noch nie, wirklich nie habe ich etwas derartiges miterlebt. Das erste was sie macht, ist zu gucken. ob irgendetwas an ihren Armen, ihren Beinen oder sonst irgendwo ist. "Was?", fragt sie nach einigen Sekunden, ohne mich anzuschauen, immer noch leicht außer Atem.

"Nichts, nichts. Außer, dass du mir fast einen Herzinfarkt bereitet hast.", sage ich, als ob es das Normalste ist, was es gibt. "Was ist los?", fragt sie erneut, ignoriert meinen Sarkasmus. "Du hast rumgeschrien, hast mich übrigens geweckt, weil du dich so viel bewegt hast und - oh, habe ich erwähnt, dass du geschrien hast?" "Ja, das hast du." "Oh, und du hast richtig gezittert, gruselig.", zähle ich weiter auf. "Das reicht schon, danke.", versteckt sie ihr Gesicht in ihren Händen." "Du hattest ein Albtraum, nicht wahr?", frage ich das Offensichtliche. Ich weiß, ich weiß, es war unnötig gewesen das hier zu fragen, aber was soll ich denn sonst sagen, was sie nicht verletzen oder verärgen würde? Frauen können sogar bei einem netten Kompliment ausrasten, also muss man sich in Acht nehmen, bei jedem Satz. Und dann fragt man mich, warum ich kein Beziehungsmensch bin...

"Das war nicht mal mehr ein Albtraum. Das war schrecklicher als ein Albtraum.", fängt sie an. "Es war so, als wäre ich mit dabei gewesen, bei dem Unfall. Und als wäre es nicht schon schlimm genug, das alles mit ansehen zu müssen, habe ich den Unfall von meinem Vater noch einmal gesehen. Wenn man so darüber nachdenkt... Die Unfälle waren sich so identisch. Beides Autounfälle, beides meine Eltern, beide Autos haben sich so oft überschlagen.", erzählt sie weiter. "Als ich dich zugedeckt habe, hast du angefangen zu schreien.", sage ich mit leiser Stimme. "Deswegen also. Als ich da auf dem Boden lag, neben meiner Mutter, war es so als würde ich in ihrem Blut untergetaucht sein. So als würde man versuchen mich zu ersticken, in meinem Traum. Das war der pure Horror!" erklärt sie. Oh fuck, es hat sie wohl doch nicht so kalt gelassen.

Sie steht auf, geht zu ihrem Koffer und holt sich Klamotten und andere Sachen heraus. "Ich geh schnell duschen.", teilt sie mir noch kurz mit, bevor sie hinter der Tür des Badezimmers verschwindet.

Nach 20 Minuten kommt eine frische Joanna heraus. Ungeschminkt und doch so hübsch, trotz der Augenringe. Ich gehe ebenfalls zu meinem Koffer und hole mir eine Jeans und irgendein Shirt raus. Anders als sie ziehe ich mich aber einfach direkt vor ihr um.

***

Vor dem Krankenhaus springt sie buchstäblich aus dem Taxi raus. Ich schüttel nur meinen Kopf und bezahle den Taxifahrer. Zügig laufe ich ebenfalls in das Krankenhaus und gehe direkt zu dieser Infofrau. Ich nenne den Nachnamen, den Vornamen von ihrer Mutter weiß ich nicht.

Das hat sie auch nie erwähnt.

Sei still! "5145. Fünfter Stock.", teilt sie mir mit. Ich laufe zu einem der Aufzüge, drücke auf den Knopf und steige ein, als er gekommen ist. Im fünften Stockwerk steige ich aus und laufe geschmeidig den Gang entlang, blicke nach jeder zehnten Zahl wieder auf eine der Türen, um sicherzugehen, dass ich nicht das Zimmer, in dem Joannas Mutter liegt, verpasst habe. 5145, finde ich das Zimmer letzten Endes. Leise öffne ich die Tür, damit ich sie nicht störe. "Es tut mir Leid.", höre ich sie noch flüstern, bis sie ihrer Mutter einen Kuss auf die Stirn gibt. Ich lehne mich gegen die Wand und betrachte das Bild vor mir. Meine Mutter ist seit vier Jahren tot. Tot. Das hört sich immer noch so komisch an.

Badboy & GoodgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt