*(47) Ohne ihn*

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Jede Sekunde ohne ihn fühlt sich verschwendet an.

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Ich hatte noch nie gern über mich geredet. Alles, was meine Freunde über mich wussten, hatten sie aus mir rausgequetscht. Was mein Sexleben anging, sprachen Damians blaue Handgelenke für sich.

Finn war den ganzen Tag über damit beschäftigt, alles und jeden schlecht zu machen. Er vermisste Nick.

Damians Pflegebruder war wieder in seiner WG, drei Stunden von hier entfernt und lebte sein Studentenleben. Finn jammerte vom ersten Tag an bei jeder Gelegenheit über alles Mögliche. Die anfänglich übertriebene Darstellung seines Vermissens hatte sich in echtes Leid umgewandelt, das nur dadurch gemindert werden konnte, dass ich ihn und Alisha in das ein oder andere Detail zu meinem Sexleben einweihte.

So profitierte ich von seiner Expertise und er hörte auf, rund um die Uhr auf seinen Chat mit Nick zu starren und sich einzubilden, dass Nick gerade fremdgehen musste, weil er nicht immer sofort antwortete.

Nach der letzten Unterrichtsstunde liefen wir noch als Vierergruppe aus dem Gebäude. Damian begleitete uns, soweit sein Heimweg es gestattete und verabschiedete sich dann von mir.

Er fand es nicht toll, dass ich ihm weder sagen wollte, wohin ich mit Finn und Alisha ging, noch bereit war, ihn mitzunehmen. Ich rechnete es ihm hoch an, dass er trotzdem verstand, dass meine Freunde mir wichtig waren und ich sie nicht einfach auf das Abstellgleis schieben konnte, weil Damian und ich aneinanderklebten wie ein Paar Kaltwachsstreifen.

Sobald er erfahren würde, warum die Heimlichtuerei, würde er sich freuen. Darauf vertraute ich ganz fest.

„Mein Leben macht endlich wieder einen Sinn", seufzte Finn, während er einen Arm um mich schlang und den anderen um Alisha.

Sie piekte ihm in die Achsel, sodass er den Arm zurückzog und sie wegschubste. „Warum nehmen wir Alisha nochmal mit?"

„Damit du mit nicht kompletten Müll einredest."

„Ich kenne mich doch selbst nicht aus!", beschwerte sich Alisha. „Ich würde meinen Nachmittag auch lieber anders verbringen als euch in einen Sexshop zu begleiten, ohne selbst ein Liebesleben zu haben."

„Sei froh", seufzte Finn. „Liebe tut nur weh."

Alisha verdrehte die Augen. „Du dramatisierst es, Finn. Es war doch von Anfang an klar, dass Nick weniger Zeit hat, wenn er wieder im Studium steckt."

„Ich bin mir nicht sicher, ob er nur im Studium steckt", brummte Finn. „Er hat versprochen, dass wir jeden Tag telefonieren und er versucht, an den Wochenenden herzukommen. Es wirkt nicht mal so als würde er sich Mühe geben, das einzuhalten." Er nahm den Arm von mir, um sich die Haare zu raufen. „Mann, das macht mich verrückt! Er soll mir einfach sagen, dass er nur was für zwischendurch wollte! Er ist so eine feige Kakerlake!"

Ich war froh, dass Finn endlich bereit war, richtig darüber zu reden.

„Nur, weil er es nicht schafft, sein Versprechen einzuhalten, heißt es nicht gleich, dass alles, was er gesagt hat, gelogen war. Dass er sich kaum meldet, ändert nichts daran, dass er wochenlang jede freie Sekunde mit dir verbracht hat und dass ihr in der Zeit etwas aufgebaut habt."

Finn zuckte mit den Schultern und ließ sie danach wieder Händen, während er stur auf den Boden sah. „Er wirkt trotzdem nicht so als hätte er Interesse daran, unsere Beziehung oder auch nur den Kontakt aufrecht zu erhalten..."

„Vielleicht ist er nur schlecht darin zu kommunizieren?", schlug ich vor.

Nach allem, was Damian mir über Finn und Nick erzählt hatte, weigerte ich mich zu glauben, dass da keine aufrichtigen Gefühle, keine Liebe, im Spiel gewesen war. Ihre Herzen schlugen im gleichen Rhythmus, wenn sie sich küssten. Ihre Gerüche stimmen sich aufeinander ab, seit sie sich kannten. Ihre Hormone spielten verrückt, wenn sie die Präsenz des anderen wahrnahmen. Sowas konnte nicht bedeutungslos sein.

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt