*(76) Kälte*

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"At the end, we are all just humans... drunk on the idea that love, only love, could heal our brokeness." - F. Scott Fitzgerald

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Ich konnte nicht aufhören, in die Nacht zu sehen und zu hoffen, dass ich Damian erkennen würde.

Alles in mir sträubte sich dagegen zu akzeptieren, dass er weg war. Ich schaffte es nicht, ihm den Rücken zuzudrehen und zurück in die Wärme der Hütte zu gehen. Stattdessen stand ich solange auf der Veranda, bis meine Beine unter mich wegbrachen. Ob aufgrund meiner fehlenden Kraft oder der Kälte, wusste ich nicht.

Ich lehnte den Kopf an das Geländer, zog die Beine an und schaute weiter in den Wald.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst."

Ich ignorierte die Stimme meines Bruders. Auch zu wissen, dass er mich verurteilte, brachte mich nicht dazu, etwas an meiner Position zu ändern.

„Marlon... Marlon!"

„Lass mich in Ruhe", murmelte ich mit zitternder Stimme.

Er schnaubte: „Unfassbar" und verschwand.

Ich fühlte mich so verloren.

Nein, ich merkte, wie verloren ich mich fühlte. Die Gewissheit, dass mit Damian alles erträglich sein würde, hatte das bis jetzt überschattet. Nun, hier, alleine, frierend und kraftlos, hatte ich keine andere Wahl als zu begreifen, was die letzten Wochen passiert war. Alles, was Spencer und meine Tante mir erzählt hatten, vermischte sich in meinem Kopf zu einem Klumpen an Überforderung und Erschöpfung.

Alles, was passiert war, alles, was noch passieren würde, alles war so verdammt anstrengend. Ich wollte das nicht erleben. Ich konnte das nicht erleben. Nicht ohne Damian.

Fuck, ich hatte solche Angst. Angst davor, was die letzten Wochen mit ihm gemacht hatten. Angst, welche Konsequenzen er daraus ziehen würde. Angst, ihn zu verlieren. Oder ihn schon lange verloren zu haben.

„Hier, du Dummkopf." Markus kniete sich hinter mich und legte mir meine dicke Decke um die Schultern. Er wickelte mich darin ein und hielt die Decke zu, sodass keine kalte Luft reinkommen konnte.

Ich wollte seine Hand von mir schlagen, die Decke in sein Gesicht knallen, ihn anbrüllen... Irgendetwas. Aber ich saß bloß da und hasste den Komfort, den die Decke und ihre Wärme mir boten.

„Er kommt schon zurück", meinte Markus nach einer Weile. „Er liebt dich."

Ich wollte ihn nicht beachten. Es würde mich von Damian ablenken. Davon, mich nach ihm zu sehnen. Das wollte ich nicht riskieren. Viel lieber saß ich da und spürte den Schmerz, in der Hoffnung, dass es ihn zurück zu mir bringen würde. Das war das einzige, das ich tun konnte.

„Er fühlt sich schuldig. Gib ihm Zeit, rauszufinden, wie er dir gegenübertreten soll."

Dafür hatte er zwei Wochen. Zwei Wochen, in denen er jeden Tag um vier Uhr morgens aufgestanden war, um sich von Markus in die Schule fahren zu lassen, und nachmittags zurückkam, um bei mir zu sein.

Das hatte Spence mir erzählt. Damian hatte seine Nächte auf dem Bett neben meinem verbracht, meine Tante hatte in Spencers Bett geschlafen, Spencer selbst auf dem Sofa oder in seinem Labor und Markus in seinem Auto. Zwei Wochen lang war er abrufbereit gewesen, um Damian hin und her zu fahren. Hatte sich den Rücken im Auto kaputtgelegen und getan, was nötig gewesen war, um mir und damit auch Damian zu helfen.

„Wieso bist du hier?", fragte ich ihn und hörte dabei, wie fertig ich klang.

„Wir haben uns zu viel Mühe gegeben, dich am Leben zu halten, um dich jetzt erfrieren zu lassen."

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt