*(72)-D*

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Wir waren mitten im nirgendwo, außer uns weit und breit keine anderen Menschen oder Häuser. Bis auf das Zirpen der Grillen und unsere Herzschläge war es still. Die perfekte Umgebung, um jemandem umzubringen. Oder, um umgebracht zu werden.

Ich hielt meinen wehrlosen Freund auf dem Arm und folgte einem Soziopathen und dem Typen, der mich zu ihm gebracht hatte, in ein kleines Haus.

Von außen sah es aus wie eine stinknormale Waldhütte. Im Inneren herrschte Chaos. Die Wände waren zugepflastert mit beschrifteten Zetteln und Bildern. Auf dem Boden lagen Essensreste, zerknüllte Papiere und aufgeschlagene Bücher.

Spence führte uns durch einen schmalen Weg, etwa einen halben Meter breit, auf dem man sich durch sein Chaos bewegen konnte. Sogar die Treppen in den Keller waren vollkommen zugestellt.

Markus lief vor mir und schob mit den Füßen auf jeder Stufe Bücher und Zettel zur Seite, um mir Platz zu machen.

Ich konnte nicht sehen, wo ich hintrat und musste darauf vertrauen, dass Markus wusste, was er tat, und vor allem, dass er nicht vorhatte dafür zu sorgen, dass ich, mit Marlon im Arm, die Treppen runterfiel.

Unten angekommen konnte ich kein Holz mehr erkennen, sondern nur noch glatte, sterile Oberflächen. Es war kälter als im Erdgeschoss, aber das war nicht der Grund für meine plötzliche Gänsehaut. Es war die böse Vorahnung, was mich hier erwarten würde.

Der erste Raum, an dem wir vorbeiliefen, sah aus wie ein Labor. Ich hörte irgendetwas darin blubbern und sah am Vorbeigehen Gefäße, Reagenzgläser und Maschinen, von denen ich nicht wissen wollte, was man damit machen konnte.

Der zweite Raum war verschlossen, doch ich hörte die Herzschläge hinter der Tür. Viele Herzschläge in kleinen Körpern. Wahrscheinlich Mäuse oder andere Kleintiere.

Der dritte Raum war der, in den Spence uns führte. Das Licht ging automatisch an, als wir reinliefen. Nicht, dass ich es gebraucht hätte, um zu sehen.

Tatsächlich verunsicherte mich die Technik in diesem so normal aussehenden Haus enorm. Davon, dass Spence anscheinend ein eigenes Haus besaß und was er darin tat, mal abgesehen.

„Du kannst ihn auf dem Bett ablegen." Spence zog eine Hülle von einem Krankenhausbett. Es war bezogen und ordentlich gemacht.

Das war das Ding mit Spencer. Er war voller Widersprüche. Sein Genie sorgte dafür, dass er im theoretischen Chaos seiner Gedanken versank, während er in der Praxis nach Perfektion strebte. Das hier, diese Ordnung, das Sterile, die pure Kontrolle, gehörte zum praktischen Teil.

„Spence."

Er knüllte die Plastikhülle zusammen, warf sie in den Müll und schaute mich fragend an.

„Marlon ist kein Experiment", stellte ich klar.

Für einen Augenblick regte er sich nicht. Sein Ausdruck wirkte leer. Ich wusste, das waren die Momente, in denen er entschied, welche seiner Masken er aufsetzen musste, um zu bekommen, was er wollte.

Früher hatte ich das beeindruckend gefunden. Ich hatte mitbekommen, dass es funktionierte und versucht, ihm nachzumachen. Bei mir hatte es nie funktioniert. Dafür hatte ich mich selbst zu wenig unter Kontrolle gehabt. Spence konnte zwar impulsiv sein, aber er war auch verdammt berechnend.

Was mir früher imponiert hatte, machte mir jetzt Angst.

Er war kein unergründliches Labyrinth mehr, in dem ich nur allzu gern herumirrte, um mich nicht mit dem Rest der Welt auseinandersetzen zu müssen. Er war eine Gefahr.

„Was willst du dann hier?", fragte er mich schließlich. „Was hat Playmo dir erzählt, was hier passiert?"

Markus brummte: „Mit Playmo meint er mich." Er stand ein paar Meter hinter Spence und beobachtete uns von dort aus.

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt