*(84) Klartext*

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Er redet und du hörst zu.

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Ich fürchtete mich vor Momenten, in denen sich meine Wahrnehmung von der aller anderen unterschied.

In meiner Welt war das kein Versehen und keine falsche Interpretation, sondern ein Symptom. Ein Symptom für ein tiefer liegendes Problem. Eine Wahnvorstellung, eine Halluzination, eine Psychose.

Dass ich mir beim Sprint mit Damian, bei dem wir unsere Noten abgaben, mehr so vorkam als würde ich locker joggen als zu rennen, war aufwühlend.

Wir hatten extrem gute Zeiten abgelegt und Lob von unserem Lehrer bekommen. Die, die ihm geholfen hatten die Zeiten zu messen, waren beeindruckt gewesen. Ich musste lächeln und so tun als hätte der Sprint mich angestrengt.

Das hatte er nicht. Ich war kein bisschen erschöpft. Seit ich bei Spence wachgeworden war, war ich kein einziges Mal gewesen. Zumindest nicht körperlich.

Obwohl ich wusste, dass meine Schnelligkeit etwas mit den Veränderungen meines Körpers zu tun haben musste, versetzte mich der Gedanke, etwas komplett Anderes wahrzunehmen als alle anderen, in Stress.

Ohne Damian wüsste ich nicht einmal, wie ich mich verhalten sollte. Ich hätte das Problem, so viel schneller zu sein, nicht als solches erkannt und die Leute direkt misstrauisch gemacht. Vielleicht hätte ich einen doping test abgeben müssen und wer konnte schon wissen, was dabei rauskommen würde.

Ich wusste nicht, was mit mir los war. Bei Finn im Bett hatte ich auch kam Kraft aufgewendet, während er geschworen hatte, ich hätte ihn beinahe erdrückt. Meine Schnelligkeit hatte ich auch nicht selbst bemerkt.

Woher sollte ich wissen, in welchem Momenten ich vorsichtig sein musste? Woher sollte ich wissen, wann meine Kraft oder meine Geschwindigkeit übermenschlich war, wenn ich mich dafür nicht einmal anstrengend musste? Und was hatte das Ganze zu bedeuten? Hatte Spencers Behandlung nicht funktioniert? Würde ich mich doch noch verwandeln?

Obwohl ich die gesamte Sportstunde über kein Wort mehr sagte, ging in mir unfassbar viel vor. Damian wich mir plötzlich nicht mehr von der Seite, streichelte hin und wieder über meinen Rücken und brachte mir meine Wasserflasche, um mich zum Trinken zu überreden.

Ich machte alles mit, ohne es in Frage zu stellen. Wahrscheinlich musste ich erstmal verarbeiten, dass er sich komplett anders verhielt. Und, dass es kaum zu mir durchdrang.

Seine Nähe war bloß die konstante Erinnerung daran, dass er sich sorgen um mich machte. Dass er sich für das, was mit mir passierte, verantwortlich fühlte.

Finn interpretierte das alles komplett falsch. Er lief grinsend neben uns her und immer, wenn sich unsere Blicke trafen, wackelte er mit den Augenbrauen.

Es war schön zu sehen, dass er sich darüber freute, dass Damian sich uns wieder angeschlossen hatte. Er unterstützte unsere Beziehung. Er wusste nur nicht, was alles im Dunkeln zwischen uns stand.

Damian hatte nur mit mir geredet, um mich auf ein Problem aufmerksam zu machen, für das er sich verantwortlich sah. Er wollte mich schützen, das war klar. Doch er wollte nicht über die letzten Tage und Wochen reden. Über uns.

Finn strahlte förmlich, als ich ihn auf dem Parkplatz zu seinem Auto brachte, ich selbst aber nicht einstieg.

„Ah, verstehe schon", grinste er, mit einem kleinen Blick zu Damian. „Viel Spaß euch."

Damit stieg er ein und fuhr weg.

Ich schaute ihm dabei zu, wie er vom Parkplatz fuhr, beobachtete unsere Mitschüler dabei, wie sie ebenfalls möglichst schnell vom Schulgelände flohen, und wandte mich an Damian.

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt