*(6) Fühlen*

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Wichtig ist nicht, was du fühlst, sondern wie gut du es unterdrücken kannst.

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Finn, Alisha und ich saßen zusammen im Klassenzimmer. In so gut wie jeder Reihe waren kleine Gruppen versammelt und ganz hinten, in der Reihe, die unsere Kunstlehrerin eigentlich leer halten wollte, gammelte Damian auf dem Stuhl neben der Wand und spielte an seinem Handy.

„Ich werde hingehen", beschloss Finn.

„Er schickt dich eh bloß weg", meinte Alisha ohne von der Zeichnung aufzusehen, die sie eigentlich als Hausaufgabe hätte anfertigen sollen.

„Ich muss es wenigstens versuchen." Finn beugte sich zu uns, um seine Stimme weiter zu senken. „Damian ist Nick wichtig. Wenn ich Damian dazu kriege, mich zu mögen, stehen mir bei Nick alle Türen offen."

„Alle Türen oder alle Löcher?"

Obwohl Alisha sich für den Kommentar ein High-Five verdient hätte, beschloss ich, ein hilfreicher bester Freund sein zu wollen. „Nick mag dich auch ohne, dass du dich bei Damian einschleimst."

„Ich weiß, ich weiß." Finn winkte ab.

Diese ganze Diskussion zu führen, nachdem er uns erzählt hatte, dass er sein Wochenende damit verbracht hatte, stundenlang mit Nick zu telefonieren und zu schreiben, kam mir surreal vor. Gestern Abend hatten sie sich sogar zu einem Spaziergang getroffen und waren so lange durch die Nacht gelaufen, bis sie beinahe erfroren waren, weil sie nicht aufhören konnten, miteinander zu reden.

Meiner Meinung nach hatte Finn Nick spätestens seit der Sache mit den Pommes um den Finger gewickelt.

„Aber ich will sehen, wie er sich freut, wenn ich ihm erzähle, dass ich in der Schule mit Damian geredet habe. Er wäre so glücklich, wenn Damian Freunde hätte."

„Dann hör endlich auf, darüber zu reden, sondern geh hin." Alisha deutete mit einem auffordernden Nicken in Damians Richtung.

Sie hasste es, viel zu reden und dann nichts zu tun. Reden, denken, fühlen... Alles, was einen davon abhalten konnte, zu handeln und sich in einer Situation wiederzufinden, die man sich gerne erspart hätte.

„Ich komme mit", teilte ich Finn mit.

Mir ging es nur darum, meinem besten Freund –Beistand zu leisten. Nichts anders.

Wir liefen zu Damian nach hinten.

„Heyyy."

Damian reagierte nicht.

Finn schaute panisch zu mir. Sobald wir an Damians Tisch ankamen, wiederholte mein bester Freund seinen überschwänglichen Gruß. Damian pausierte ein Tetris-Spiel und schaute ihn an.

Während Finn sich auf den Tisch setzte, blieb ich davor sehen und lehnte mich an die Wand. Ich wollte mir nicht anmaßen, dabei ebenso cool auszusehen wie Damian, aber vielleicht kam ich wenigstens locker rüber.

„Voll schade, dass du nicht mit essen gegangen bist am Wochenende."

Damian zog die Augenbrauen hoch, als wolle er sagen: Das glaubst du doch selbst nicht.

Finn schaute hilfesuchend zu mir. Ich zuckte ahnungslos mit den Schultern. Also wandte er sich mit einem Lächeln zurück an Damian. „Jedenfalls wollten wir dir sagen, dass du gerne mit uns chillen kannst. Alisha ist viel lieber als sie tut und Marlon hat bloß ein resting bitch face. Er ist total der Süße."

Damian Blick sprang zu mir. Aus purer Überforderung versuchte ich ein schnelles Lächeln aufzusetzen, ohne darüber nachzudenken, wie falsch das rüberkommen konnte.

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt